«Wir müssen Frauennetzwerke stärken»
Die Frauenzentrale Zürich hat in Zusammenarbeit mit dem Kanton die Kampagne «Züri-Löwinnen» lanciert. Sie soll Frauen dazu ermutigen, für politische Ämter auf kommunaler Ebene zu kandidieren. Weshalb es diese Kampagne braucht, erklärt die Präsidentin der Frauenzentrale Rosmarie Quadranti im Gespräch mit Roxane Steiger.
Mit der Kampagne «Züri-Löwinnen» sollen Frauen dazu ermutigt werden, für politische Ämter auf Gemeindeebene zu kandidieren. Welche Rolle spielt dabei die Frauenzentrale?
«Züri-Löwinnen» ist eine Zusammenarbeit der Frauenzentrale mit der Direktion der Justiz und des Inneren. Die Frauenzentrale ist dabei der Motor der Kampagne. Sie treibt die Kandidatur von Frauen auf Gemeindeebene an. Gleichzeitig bietet sie ein breites und gutes Frauennetzwerk.
Wie sind Frauen im Kanton Zürich derzeit auf kommunaler Ebene repräsentiert? Und wieso ist es wichtig, dass sie besser vertreten sind?
Im Kanton Zürich sind 24 Prozent der Personen in Exekutivpositionen Frauen. Ein konkreteres Beispiel: Im Amt der GemeindepräsidentInnen sind Frauen mit nur 16 Prozent vertreten. Das ist einfach zu wenig. Für uns ist klar, dass es in diesem Bereich extremen Nachholbedarf gibt.
Grundsätzlich müssen politische Ämter die Gesellschaft repräsentieren. In den politischen Ämtern haben wir aber zu wenig Frauen, zu wenig Menschen mit Migrationshintergrund oder auch zu wenig Menschen aus der LGBTIQ-Community. Folge davon ist die Einseitigkeit von Sichtweisen und Lebensrealitäten. Damit die Politik nachhaltige und zukunftsorientierte Lösungen vorschlägt, muss sie das Bild der Gesellschaft besser abbilden. Zum Beispiel können sich Männer schlecht in Frauen und ihre Anliegen hineindenken. Nur gemeinsam können gute Lösungen für alle erarbeiten werden. Viele Männer, die in ausgewogenen Gremien arbeiten bestätigen, dass die Qualität der Zusammenarbeit und der resultierenden Entscheidungen höher ist.
Was sind die grössten Herausforderungen, um mehr Frauen dazu zu bringen, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren?
Ich glaube, dass die Netzwerke von und zwischen Frauen noch zu schwach sind. Es ist entscheidend, Menschen zu kennen, die politische Ämter ausüben. Ausserdem motiviert es Frauen wenn sie sehen, dass andere weibliche Personen in diesen Positionen vertreten sind.
Neben dem Interesse und der Motivation ist es wichtig, dass Frauen auch gewählt werden. In Exekutivpositionen wird man über den Bekanntheitsgrad gewählt. Dabei geht es um die Persönlichkeit der KandidatInnen und das Netzwerk, das sie sich erschaffen haben. Dann stellt die Partei entweder männliche oder weibliche KandidatInnen.
Bei den Parlamentswahlen ist das anders. Es ist scheinheilig zu sagen, man habe Frauen auf die Liste gesetzt, wenn sie hinten als Listenfüllerinnen aufgestellt sind. Hier müssen die Parteien darauf bestehen, dass man Frauen Listenplätze gibt, auf denen sie eine Chance haben, gewählt zu werden.
Es scheint sich jedoch etwas zu tun: Die nationalen Wahlen im Jahr 2019 wurden als «Frauenwahl» bezeichnet und kürzlich wurden im Neuenburger Kantonsparlament 58 Prozent Frauen gewählt. Woran liegt das?
Ich glaube fest an Aktionen wie «Züri-Löwinnen», die brüllen. Frauen müssen lauter werden. Frauen müssen die Untervertretung und Ungerechtigkeiten thematisieren.
Man sieht anhand dieser Beispiele, dass Frauen gewählt werden. Nun ist die Zeit reif, dass sich auch auf kommunaler Ebene etwas bewegt. ZürcherInnen müssen die Chance haben, Frauen zu wählen, die auf guten Listenplätzen sind.
Die Frauenzentrale bietet im Rahmen von «Züri-Löwinnen» ein Mentoring-Programm und ein Polit-Coaching an. Was ist da genau geplant?
Mentoring-Programme bietet die Frauenzentrale seit 2005 an. Dabei geht es um Begleitung und Unterstützung. Es wird Einblick gegeben in die realpolitische Arbeit. Bei Coachings wird Frauen die Möglichkeit gegeben ,alle ihre Fragen zu stellen.
Wir sind hier, um sie zu beantworten. Im Rahmen der «Züri-Löwinnen»-Kampagne sind diverse Motivations- und Vernetzungsanlässe sowie digitale Stammtische geplant. Mit der Kantonsregierung sind wir zudem in den Gemeinden unterwegs, um Frauen vor Ort motivieren.
Was mir wichtig scheint ist, dass ein politisches Amt nichts mit Mut zu tun hat, sondern mit Interesse. Mut braucht man dann, wenn man Angst hat vor etwas. Vor politischem Engagement muss man keine Angst haben.
Erleben Sie oft, dass Frauen Angst vor politischem Engagement haben?
Nein. Hingegen glaube ich, dass es sich viele nicht zutrauen. Das liegt auch daran, dass sie niemanden kennen, der ein solches Amt ausübt. Dementsprechend können sie sich nicht austauschen oder Ratschläge einholen.
Vielen Dank. Nun würde ich gerne wissen: Wie haben Sie Ihre Aufgabe als Präsidentin der Frauenzentrale bisher erlebt und welche Ziele wollen Sie noch erreichen? Was sind andere thematische Schwerpunkte der Frauenzentrale?
Ich bin eine Herzblutpolitikerin. Die Frauenzentrale ist für mich politische Arbeit. Meine Zeit als Präsidentin war bisher sehr Corona-geprägt. In Zukunft will ich die Netzwerke, die ich habe, aber auch die Arbeit der Frauenzentrale stärken.
Ein zentrales Thema, welches uns stark beschäftigt, ist die aktuelle Situation der Prostitution. Weitere wichtige Punkte sind die Gleichberechtigung oder die Individualbesteuerung. Eigentlich haben wir zu wenig Mitarbeitende für alle Themen, die wir gerne anpacken würden.