- Im Kino
Willkür
Brady Corbets kolossaler Bilderrausch über die langjährig zähen Anstrengungen eines fiktiven jüdischen Holocaustüberlebenden, mitsamt seines ehedem gefeierten Kunstsinns in der Neuen Welt Fuss zu fassen und über das bare Vegetieren hinaus Selbstbestimmung und Lebensmut wiederzuerlangen, ist heftige Kost. Seinesgleichen wird nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA missmutig beäugt und höchstens geduldet. Sowohl von katholischer wie auch von protestantischer Seite wird der Jude Lászlo Tóth (Adrien Brody) als Person und in seiner Arbeit zugleich als Projektionsfläche für eine ihn latent exotisierende Bewunderung als auch einer daraus zeitgleich erwachsenden krankhaften Eifersucht regelrecht missbraucht. Sich mit im Scheinwerferlicht seiner avantgardistischen Exzellenz sonnen, ja, aber an ihm als Menschen, seinem Anspruch an Perfektion existiert überhaupt kein Interesse. Daraus erwächst der Figur des Bauhaus-Dozenten und Stararchitekten aber nicht etwa ein Heiligenschein. So führt ihn sein erster Gang ins Bordell, er entwickelt eine Morphiumabhängigkeit und seine Ungeduld gegenüber der kleinkrämerischen Kulturlosigkeit seiner mäzenatischen Auftraggeber wie Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce) treibt ihn zu einem nachgerade herrisch despektierlichen Habitus eines Eigengeniekults. Gegen oben tritt, spottet und provoziert er, während er sich bis zur Eigengefährdung vor den gleichfalls sozial marginalisierten Schwarzen Bauarbeiter Gordon (Isaach De Bankolé) stellt. Gegen die Macht der Konvention und gegen die Willkür der Finanzpotenz aber haben sie beide nie die geringste Aussicht auf Selbstdurchsetzung. Immerhin seine Gattin Erszébeth (Felicty Jones) und seine Nichte Zsófia (Raffey Cassidy) kann er nach Jahren wieder in die Arme schliessen. Aber mehr als dieses kleine Glück wird ihnen nicht beschieden, für ein solches Anrecht hätten sie sich fern einer Erfolgsgarantie bis zur Unkenntlichkeit assimilieren müssen.
«The Brutalist» spielt in den Kinos Corso, Frame, Movie, RiffRaff.