Wieder mal Kultursparen in Winterthur?

Am kommenden Montag berät das Winterthurer Stadtparlament die Vorlage für befristete Kulturförderungsbeiträge an Institutionen. Der Stadtrat wollte diese gegenüber der auslaufenden Vertragsperiode um rund eine Million Franken erhöhen, nicht zuletzt, um die aufgelaufende Teuerung auszugleichen. Die vorberatende Kommission beantragt jedoch Rückweisung mit dem Auftrag, die Vorlage zu reduzieren.
Kurzfilmtage, Musikfestwochen, Clubs und Theater: Die Kulturinstitutionen schaffen vor allem für Gastrounternehmen einen Mehrwert, der deutlich über den städtischen Subventionen liegen dürfte. Das Geld kassieren die Unternehmen ein, ihre Vertreter:innen im Parlament wollen dafür jedoch keine angemessenen Subventionen beschliessen. (Bild: Simon Aughton / Wikimedia Commons)
Am kommenden Montag berät das Winterthurer Stadtparlament die Vorlage für befristete Kulturförderungsbeiträge an Institutionen. Der Stadtrat wollte diese gegenüber der auslaufenden Vertragsperiode um rund eine Million Franken erhöhen, nicht zuletzt, um die aufgelaufende Teuerung auszugleichen. Die vorberatende Kommission beantragt jedoch Rückweisung mit dem Auftrag, die Vorlage zu reduzieren.

Es dürfte eine Zitterpartie werden am kommenden Montag: Das Winterthurer Stadtparlament diskutiert die Verlängerung der befristeten Kultur-Subventionsverträge. Die vorberatende Kommission beantragt mehrheitlich Rückweisung und eine Kürzung um rund 500 000 Franken sowie die Streichung des automatischen Teuerungsausgleichs. Kommissionspräsident Martin Zehnder (GLP) legt Wert auf die Feststellung, dass er nicht seine persönliche Meinung äussere, sondern die Rückweisung aufgrund der klaren Mehrheit in der Kommission begründet habe. Diese habe vor allem finanzpolitisch argumentiert, u.a. mit dem Investitionsbedarf bezüglich Schulbauten. Über das Stimmenverhältnis in der Kommission wird geschwiegen, auch Kommissionsmitglieder, zum Beispiel Nicole Holderegger von der GLP, wollen sich nicht äussern. Enttäuscht vom Entscheid ist Gabi Stritt von der SP.

Kulturförderung sinkt im Verhältnis zur Bevölkerung

Die laufenden Verträge gelten seit 2016 und wurden 2020 ohne Anpassung verlängert. Dies bedeutet, dass wegen des fehlenden Teuerungsausglichs die Institutionen über real etwa zehn Prozent weniger Mittel verfügen. Gleichzeitig ist die Bevölkerung in diesen acht Jahren ebenfalls deutlich gewachsen, so dass die Kulturausgaben pro Kopf der Bevölkerung erneut gesunken sind. «Winterthur brüstet sich gerne als Kulturstadt», sagt Nicole Meier, Co-Präsidentin der Kulturlobby. «Aber wenn es darum geht, dass die Kulturschaffenden einigermassen anständig entschädigt werden, wollen die bürgerlichen Parlamentarier:innen bis hin zur GLP dafür nichts bezahlen.» Bis zur letzten Minute versucht die Kulturlobby, die Stadtparlamentarier:innen von der Notwendigkeit der Erhöhung zu überzeugen. «Wir setzen vor allem auf die Parlamentarier:innen, welche sich vor einem Jahr mit der Verabschiedung der Kulturförderungsverordnung gebrüstet haben.» Diese gelte es jetzt auf ihr Bekenntnis zur Kulturförderung zu behaften. In einem Brief an die Mitglieder des Stadtparlamentes halten die beiden Präsidentinnen der Kulturlobby auch fest, dass die Rückweisung in dieser Art gegenüber der Stadtverwaltung und den Kulturinstitutionen «respektlos» sei. Es zeuge von wenig Wertschätzung der fachlichen Kompetenz. Eine Neuverhandlung der Verträge sei aufwendig und ineffizient. Demgegenüber sei der Spareffekt im Verhältnis zum Gesamtbudget verschwindend klein. Auch Gabi Stritt, Stadtparlamentarierin der SP, weist in ihrem Blog darauf hin, dass die Ausgaben für die befristeten Subventionsverträge lediglich 0,25 Prozent der Gesamtausgaben betragen. «Mit dieser Einsparung verändert sich an der finanziellen Gesamtlage der Stadt Winterthur überhaupt nichts – für die Kulturschaffenden sind sie aber existenziell.»

Rückweisung wahrscheinlich

Im Stadtparlament wird am Montag eventuell ein Kompromissantrag gestellt, der eine weniger weitgehende Kürzung der Vorlage vorsieht. Allerdings würde auch dies eine Rückweisung zur Folge haben. Wie schnell eine neue Vorlage durch den Stadtrat verabschiedet werden kann, ist schwer vorauszusagen. Immerhin müssen zwölf Verträge neu ausgehandelt werden. Unklar ist, was passiert, wenn bis Ende Jahr keine definitive Verlängerung erfolgt ist. Gemäss den geltenden Verträgen verlängern sich diese automatisch um ein Jahr, falls ein Jahr vor Ablauf keine Stadtratsvorlage vorliegt. Das Amt für Kultur, die geförderten Institutionen sowie der Stadtrat haben aber ihren Job gemacht und rechtzeitig geliefert. Nicht so das Stadtparlament. Die vorberatende Kommission hat im Wissen darüber, dass ein vertragsloser Zustand droht, fast ein halbes Jahr benötigt, um ihre Rückweisung zu beschliessen. Die Planungsunsicherheit bei den Institutionen ist daher gross. Vermutlich wird der Stadtrat eine erneute Übergangslösung vorschlagen müssen. 

Klar für die Vorlage eintreten werden SP, Grüne und AL mit zusammen 25 Stimmen. Eventuell könnten auch aus der EVP und vielleicht den Grünliberalen ein oder zwei Stimmen dazukommen. Gibt es auf der Seite der Spar-Fraktionen ein oder zwei Absenzen, könnte es ganz knapp für eine Verabschiedung reichen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Vorlage zurückgewiesen wird und das Amt für Kultur sie grundsätzlich überarbeiten muss. Ein Teil der Verträge kann durch den Stadtrat in eigener Kompetenz erneuert werden. Wenn aber die Parlamentsvorlage scheitert, wird er unter Druck geraten, auch diese neu zu verhandeln. Das Winterthurer Kulturspardebakel geht in die nächste Runde.

Kulturförderin wechselt nach Basel

Sabine Brocal, die als stellvertretende Leiterin des Amtes für Kultur dieses im vergangenen Jahr interimistisch von April bis September geleitet hatte, verlässt Winterthur und wird Chefin der Kulturförderung Basel und Mitglied der Geschäftsleitung des Amtes für Kultur der Stadt Basel. Brocal war in ihrer Funktion wesentlich an der Ausarbeitung der nun im Parlament zur Diskussion stehenden Vorlage beteiligt.