Widerstand gegen Rosengarten-Tunnel

Thomas Loosli

 

Am Dienstagabend informierte die SP Zürich über den Rosengartentunnel und dessen Auswirkungen auf die verschiedenen Stadtquartiere. Gemeinderätin Simone Brander hielt ein flammendes Plädoyer gegen das Projekt.

 

Der Blaue Saal im Volkshaus war gut gefüllt, das Thema Rosengartentunnel scheint die Menschen zu bewegen und doch ist wenigen ZürcherInnen bewusst, dass die Abstimmung über diesen massiven verkehrspolitischen Eingriff bereits am 9. Februar 2020 bevorsteht. Angekündigt war ein Fokus der Veranstaltung auf die verkehrspolitischen Auswirkungen für die andere Seite der Hardbrücke, sprich Albisrieden. Faktisch ging es aber vor allem um die Konsequenzen für das Quartier Wipkingen. SP-Co-Präsident Marco Denoth begrüsste das Publikum und SP-Kantonsrat Nicolas Siegrist moderierte den Abend mit Umsicht. Doch um was geht es bei diesem Projekt eigentlich? Folgende Zahlen und Fakten sind zum Projekt Rosengartentunnel bekannt:

• Der Rosengartentunnel soll vom Wipkinger- bis Bucheggplatz (1,4 Kilometer) aus zwei voneinander getrennten Röhren mit je zwei Spuren bestehen.

• Vom Bucheggplatz zum Irchel (0,9 Kilometer) wird der Tunnel in einer Röhre auf zwei Spuren (plus Sicherheitsspur) verlaufen.

• Die Gesamtkosten des Tunnelbaus belaufen sich auf 1,1 Milliarden Franken, wovon der Kanton rund eine Milliarde Franken berappen muss.

• Die zwei neuen Tramlinien (Rosengartentram) werden vom Albisriederplatz bis zum Milchbuck verlaufen.

• Heute verkehren auf der Verkehrsachse Rosengarten etwa 46 000 bis 56 000 Autos pro Tag (im Schnitt ca. 48 000 Autos).

 

Die BefürworterInnen des Tunnels machen geltend, dass der öffentliche Verkehr durch die neue Tramlinie gestärkt, die Lebensqualität der QuartierbewohnerInnen dank weniger Verkehrslärm gesteigert und dass dank der besseren verkehrstechnischen Verbindung zwischen Zürich-Nord und Zürich-West ein volkswirtschaftlicher Nutzen entstehen würde.

 

Verkehrspolitischer Alptraum

 

Gegen diese Darstellung hielt SP-Gemeinderätin Simone Brander ein flammendes Plädoyer. Drohender Mehrverkehr, diverse Häuserabbrüche, die Umgestaltung des Albisriederplatzes zu einem reinen Verkehrsknotenpunkt, die Verkleinerung des Irchelparks und eine gefällte Baumallee auf der Hardstrasse zwischen Hardplatz und Albisriederplatz waren nicht einmal alle Argumente, die sie gegen den Rosengartentunnel anführte. Ihre Powerpoint-Präsentation visualisierte die Häuser und Bäume, welche dem Tunnelprojekt geopfert werden müssten. Die Auflistung dieser Verluste klang wie ein Alptraum. Ausserdem zeigte Simone Brander auf, dass das Projekt zwar im Agglomerationsprogramm des Bundes angemeldet ist, welches ähnliche Verkehrsprojekte mit 30 bis 40 Prozent der kantonalen Kosten übernimmt, doch die Baupläne sind in ihrer derzeitigen Ausgestaltung laut Bund ungenügend.

Im alten, noch rechtsbürgerlich dominierten Kantonsrat wurde auch eine Plafonierung von 56 000 Fahrzeugen pro Tag abgelehnt. «Wir haben das Ziel, bis 2030 den CO2-Ausstoss auf Netto-Null herunterzubringen. Das können wir mit einem Tunnel, der auf den Autoverkehr ausgelegt ist, aber bestimmt nicht erreichen», sagte Simone Brander zum Abschluss ihres Vortrags.

 

Preisgünstiger Wohnraum gegen Bodenspekulation

 

Wirtschafts- und Sozialgeograph Philipp Klaus legte in seinem Vortrag die möglichen positiven und negativen Konsequenzen des Tunnels für das Quartier Wipkingen dar.

Die sozialräumliche Studie von der Firma Inura durchgeführt und von der Stadt Zürich in Auftrag gegeben, setzte sich mit der Frage auseinander: «Was passiert mit Wipkingen, wenn der Tunnel gebaut wird?» Die Analyse zeigte sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Die Studie sieht die Stärken des Rosengartenprojekts beispielsweise in der Anhebung der Wohnqualität. Die Schwäche eines möglichen Tunnelbaus sind die Miet- und Bodenpreissteigerungen und damit die Verdrängung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen. Chancen des Rosengartenprojekts werden in der Analyse bei der Schaffung von preisgünstigem Wohnraum identifiziert. Auch identitätsstiftende, verbindende Plätze wären möglich. Die Risiken sieht Philipp Klaus in der Bodenspekulation und in der Verdrängung von Nischengewerbe sowie im neuen zusätzlichen Verkehr auf der Achse Rosengarten-Buchegg. «Chancen und Risiken bedeuten aber nicht, dass es so kommen muss», meinte der Sozialgeograph. In der Studie von Inura wurde auch erörtert, welche Quartiere durch den Tunnelbau für MieterInnen besonders interessant werden könnten. Besonders das Quartier östlich der Rosengartenstrasse würde demnach aufgewertet und zu einem richtiggehenden Trendquartier werden.

 

«Zuerst Tunnel ablehnen, dann neu denken»

 

Nach den Vorträgen wurde die Veranstaltung für Fragen und Diskussion geöffnet. Eine kritische Zuhörerin aus dem Publikum wollte von Simone Brander wissen, was von linker Seite konkret geplant sei, um die Situation der verkehrsgeplagten Quartierbevölkerung zu verbessern, da bisher nicht viel passiert sei und das Rosengartentram in der letzten Abstimmung von der Stadtbevölkerung abgelehnt wurde. Die Gemeinderätin aus Wipkingen war der Auffassung, dass Verbesserungen erst nach einem Nein zum Rosengartentunnel möglich sind. Als Sofortmassnahmen sieht sie Tempo 30, die Reduktion von Spuren und einen Velostreifen auf der Rosengartenstrasse. «Ein Tram ist auch ohne den Tunnel möglich», meinte sie. Die ablehnende Haltung der Stadtbevölkerung zum Tram habe sich bei der Abstimmung im Jahr 2010 gegen die Finanzierung durch die Stadt gerichtet, es sei kein grundsätzliches Votum gegen eine neue Tramlinie gewesen. SP-Kantonsrätin Sibylle Marti war der Meinung, dass die neue Mehrheit im Kantonsrat (was ökologische Fragen angeht) das derzeitige Projekt ablehnen würde. «Um etwas im Quartier zu verändern, müssen wir das Rosengartenprojekt versenken, erst dann kann neu gedacht werden», meinte sie.

Der Rosengartentunnel könnte zu einem heissen Abstimmungskampf führen. Die neue links-grüne Mehrheit im Kantonsrat spricht für eine Ablehnung, der links-dominierte Zürcher Stadtrat steht aber immer noch (wenn auch nicht mit voller Überzeugung) hinter dem Rosengartenprojekt. Was die Basis von SVP und SP stimmt, steht noch in den Sternen. Es braucht wohl noch ein paar Veranstaltungen wie diejenige vom letzten Mittwoch, um die Fragen rund um den Verkehr in Zürich zu klären. Am Mittwochabend konnten nicht alle Fragen aus dem Publikum beantwortet werden – aus Zeitgründen.

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