Kaspar Bopp: «Positiv ist sicher die Entwicklung der Steuereinnahmen.» (Bild: zVg.)

Wer bedroht die Zukunft der Winterthurer Finanzen?

Ein deutlich besseres Rechnungsergebnis als budgetiert, deutlich mehr Steuereinnahmen von natürlichen Personen – der Winterthurer Finanzvorstand Kaspar Bopp konnte diese Woche den Rechnungsabschluss für das letzte Jahr in einem positiven Gesamtrahmen präsentieren. Trotzdem gibt es Faktoren, welche den finanziellen Spielraum Winterthurs einzuschränken drohen. Im Gespräch mit Matthias Erzinger geht Bopp auf die Entwicklung der Winterthurer Finanzen ein und nennt die negativen Faktoren in der Zukunft.

Kaspar Bopp, erneut ist es ein sogenannter Einmal-Effekt, dank dem die Rechnung der Stadt deutlich besser ausfällt als budgetiert: War die Werte­bereinigung bei der Pensionskasse nicht absehbar und somit budgetierbar? 

Die angesprochene Regelung der Pensionskassen wurde im Herbst 2023 nach Abschluss des Budgetprozesses für 2024 im Parlament beraten und erst letztes Jahr in der Volksabstimmung definitiv beschlossen. Somit konnten wir diese Regelung noch nicht ins Budget 2024 einbeziehen.

Winterthur ist kein Verein, bei dem der Kassier an der GV einen Gewinn vermelden möchte, sondern ein komplexes Gebilde im Dienste der Bevölkerung. Ist der Kassier Winterthurs jetzt eher glücklich über den positiven Abschluss oder ärgert er sich, dass man auch mehr hätte ausgeben können?

Unsere Aufgabe ist es, für die Bevölkerung eine optimale Infrastruktur und eine funktionierende Verwaltung bereitzustellen. Wenn wir dabei für einmal einen auf das ganze Volumen gesehen kleinen Überschuss verbuchen, ist das auch in Ordnung, da Winterthur noch immer eine relativ dünne Eigenkapitalbasis hat und der finanzielle Spielraum sehr beschränkt ist. Daher ist dieser Überschuss hilfreich.

Die Steuereinnahmen der natürlichen Personen sind erneut höher als budgetiert, während diejenigen der Unternehmen erneut weniger stark als erwartet angestiegen sind. Was steckt hinter dieser Entwicklung? Immerhin ist die Zahl der Arbeitsplätze in Winterthur in den letzten zehn Jahren um mehr als 15 Prozent angestiegen.

Wie hoch die Gewinnsteuereinnahmen ausfallen hängt im Wesentlichen vom Geschäftsgang einiger weniger Unternehmen ab. Somit gibt es keinen direkten Zusammenhang zwischen den Steuereinnahmen und den Arbeitsplätzen.

Die konservative Mitte fordert eine weitere Senkung der Unternehmenssteuern, um weitere Firmen in Winterthur anzusiedeln.

Aus unserer Sicht sind Standortfaktoren wie die Infrastruktur, Betreuungsangebote und die generelle Lebensqualität entscheidender. Genau diese Faktoren kämen bei einer weiteren Senkung der Unternehmenssteuern aber unter Druck, weshalb wir sie klar ablehnen.

Winterthur wächst, die Bevölkerung nimmt zu, und so steigen entsprechend auch die Kosten für die Kinder: für Schule, Betreuung etc. Warum wird diese Kostensteigerung als «Problem» bezeichnet?

Die Kosten in diesem Bereich sind deutlich stärker angestiegen als das Bevölkerungswachstum. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass in diesem Bereich vor allem der Kanton bestimmt, und die Stadt Winterthur bezahlt. So ist dieser Bereich sicher wenn nicht ein Problem, so doch eine Herausforderung…

«Schwarze Wolken», «düstere Zukunftsaussichten»: Medien und bürgerliche Parteien haben seit Jahren das ewiggleiche Vokabular zur Hand, wenn es um die Kommentierung der Rechnung geht. Wie sieht die Zukunft aus Ihrer Sicht aus?

Positiv ist sicher die Entwicklung der Steuereinnahmen. Was mir Sorgen macht, und was wirklich eine Herausforderung sein wird, sind verschiedene Bestrebungen auf Ebene Kanton und Bund, die bei Gemeinden und Städten zu Mindereinnahmen respektive Mehrausgaben führen könnten. 

Bürgerliche Politiker (u.a. auch ein Winterthurer Kantonsrat) wollen im Kanton Zürich den Finanzausgleich zulasten der Städte Winterthur und Zürich neu regeln. Sind die beiden Städte tatsächlich Schmarotzer auf Kosten der Landgemeinden? 

Als Zentrum erbringen wir viele Leistungen für die ganze Region. Wenn ich mich mit den Menschen und Gemeindevertreter:innen unserer Region austausche, dann stelle ich fest, dass das auch gesehen und geschätzt wird. Es ist aber klar, dass wir diese Lasten nicht komplett alleine tragen können. Der Finanzausgleich war und ist entscheidend für die Entwicklung der ganzen Region und kommt damit auch den Landgemeinden zugute.

Der kantonale Finanzdirektor möchte in Zukunft einen Teil der Grundstückgewinnsteuern für den Kanton beanspruchen, zudem drohen weitere Mindereinnahmen oder Mehrausgaben. Können Sie eine Grössenordnung sagen, was das für die Winterthurer Finanzen bedeuten würde?

Bei den Grundstücksgewinnsteuern gehen wir von rund 16 Millionen Franken jährlich aus, bei den Unternehmenssteuern von weiteren 10 Millionen, die Lastenverschiebung im Rahmen des neuen Volksschulgesetzes dürften sich im Bereich von 9 Millionen bewegen, zudem drohen durch Sparmassnahmen beim Bund weitere Mittel wegzufallen. Aus meiner Sicht ist es daher entscheidend, dass sich Stadtrat, Parlament und Bevölkerung gemeinsam für Winterthur einsetzen und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Nur so lassen sich diese Herausforderungen lösen.

42 Millionen Franken Gewinn statt minimaler Verlust

Am Dienstag hat der Winterthurer Finanzvorstand Kaspar Bopp (SP) den Rechnungsabschluss für das Jahr 2024 bekannt gegeben. Statt einem minimalen Defizit resultierte ein Gewinn von rund 42 Millionen Franken. Zurückzuführen ist dies im Wesentlichen auf einen buchhalterischen Effekt durch die Auflösung von Rückstellungen, aber auch ein deutliches Plus bei den Steuereinnahmen der natürlichen Personen. Die grössten negativen Abweichungen sind in der Schule und ihrem Umfeld zu finden sowie bei den Unternehmenssteuern.
Bei den Investitionen wurde zwar ein rekordhohes Volumen von rund 167 MIllionen ausgelöst, aber auch hier blieben die Ausgaben unter den Erwartungen und es wurden nur 78 Prozent der geplanten Investitionen umgesetzt. Detaillierte Angaben sind hier zu finden.