Die Vorbereiche der Liegenschaften, die heute als Vorgärten oder für Gewerbebetriebe genutzt werden, sollen auf beiden Seiten wegrasiert werden, die Bäume entlang der Wehntalerstrasse ebenfalls, wobei die Bäume ersetzt werden – doch wie lange dauert es wohl, bis sie Schatten spenden? (Bilder: VCS Zürich)

Wenn aus einem Tram- ein Strassenausbauprojekt wird

Wenn ein Tram zur Diskussion steht, dann denkt man zuerst einmal an die Förderung des öffentlichen Verkehrs. Leute steigen auf den umweltgerechten öffentlichen Verkehr um, weil ein Tram das Auto überflüssig macht. Dass Erwartung und Realität aber nicht deckungsgleich sind, zeigt nach dem Rosengarten-Unsinn ein neues Projekt an der Wehntalerstrasse.

Seit einigen Jahren wird die Wehntalerstrasse beplant. Dabei soll es mit Kosten von 450 Millionen Franken auch ein Tram geben. Die Planung, die noch aus der Küche von Filippo Leutenegger stammt, wurde letzthin öffentlich aufgelegt, so dass sich die Öffentlichkeit über den Stand der Planungen ein Bild machen konnte.Was zuerst auffällt: Offenbar stand nicht das Tram im Vordergrund, sondern die Frage, wie können wir trotz Tram den Autoverkehr leistungsfähiger machen. Mit einem Tram können die heute von den Planern offenbar als störend empfundenen Busse auf ein Separattrassee verlagert werden. Das bedingt, dass auf der ganzen Länge der Strassenraum um rund sechs Meter verbreitert wird. Und wenn man schon dran ist, werden auch die wichtigsten Kreuzungen für die Leistungsfähigkeit des Autoverkehrs optimiert. Am deutlichsten zeigt sich das am Zehntenhausplatz: Weil stadtauswärts eine direkte Linksabbiegespur von der Wehntalerstrasse in die Schauenbergstrasse für die Verkehrsleistung hinderlich sein könnte, wird der Autoverkehr neu mitten durch ein Wohngebiet geführt, um anschliessend geradeaus über die Wehntalerstrasse fahren zu können. Hauptsache, alle drei Fahrspuren für die Autos können leistungssteigernd weiterbetrieben werden.

682 Bäume müssen gefällt werden

Die Verbreiterung des Strassenraums hat aber gravierende Konsequenzen für Bäume und Vorbereiche von Liegenschaften. Ganze 682 Bäume müssen gefällt werden, und es wird Jahrzehnte dauern, bis sie wieder diesselbe hitzemindernde Wirkung erzielen. Die Vorbereiche der Liegenschaften, die heute entweder als Vorgärten oder für Gewerbebetriebe genutzt werden, werden auf beiden Seiten wegrasiert. Meist reicht der Strassenraum dann bis an die Häuserfassaden heran. Die Wohnqualität der Gebäude wird massiv eingeschränkt und viele Gewerbebetriebe, die auf einen Vorplatz angewiesen sind, werden das Quartier wohl verlassen müssen. So verwundert es nicht, dass beinahe 100 Liegenschaftenbesitzer:innen Einsprache eingereicht haben.

Kein Lärmschutz für die Bevölkerung

Wie sagte doch der Zürcher Stadtrat letzthin: «Die Bevölkerung vor übermässigem Lärm zu schützen, ist nicht bloss ein gesetzlicher Auftrag. Das Thema ist dem Stadtrat auch ein wichtiges Anliegen, das er mit hoher Priorität vorantreibt.» Das gilt dann aber an der Wehntalerstrasse nicht mehr. Trotz einer seit 1985 bestehenden Verpflichtung, die Bevölkerung vor übermässigem Lärm zu schützen, sollen an der Wehntalerstrasse tausende von Menschen für die nächsten Jahrzehnte mit zu viele Lärm leben müssen. Wenn aber die Strasse derart verbreitet wird, wird es wenigstens für die Velofahrenden besser? Auch hier Fehlanzeige. Statt der nötigen Mindestbreite von 2,20 m an einer solchen Strasse mit bis zu 20 000 Autos sind über weite Strecken lediglich Velostreifen mit einer Breite von 1,50 m geplant.

Der VCS Zürich hat eine Einsprache eingereicht, um die Bevölkerung auf diese Fehlplanung aufmerksam zu machen und verlangt, dass die neue Tramlinie, wenn es sie denn überhaupt braucht, innerhalb des bestehenden Strassenraums realisiert wird.

Der öffentliche Verkehr und die VBZ geniessen in der Stadt zu Recht ein hohes Ansehen. Mit einem solchen Projekt, das allen Grundsätzen einer sorgfältigen und stadträumlich angepassten Planung widerspricht, das baulich die Hitzeentwicklung massiv fördert und das nicht einmal den Lärmschutz gewährleistet, gefährdet die VBZ mutwillig ihren guten Ruf. Es ist Zeit, umzudenken.

Markus Knauss, Gabi Petri,
Geschäftsleitung VCS Zürich

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