Weniger Mitglieder, mehr Effizienz?

Die Initiative «7 statt 9» will durch die Reduktion der Stadtratsmitglieder zu einer effizienteren Verwaltung gelangen. Damit soll kein Leistungsabbau verbunden sein, sondern im Idealfall sollen Mittel für weitere städtische Dienstleistungen frei werden. Doch führt eine Reduktion tatsächlich zu mehr Mitteln und mehr Effizienz?

 

Stefan Mühlemann, Initiant von «7 statt 9», betont stets, dass seine Initiative keine Sparübung ist. «Mir liegt es am Herzen, dass die Stadt Zürich weiter investieren kann – und nicht plötzlich planlos sparen muss», so Mühlemann in einem Interview mit der NZZ. Die Stadtratsverkleinerung soll nach seiner Vorstellung eine Verwaltungsreform auslösen, welche die Verwaltung effizienter macht und dadurch Mittel freispielt, die zum Wohl der Allgemeinheit eingesetzt werden können. Hält aber die Initiative, was sie verspricht?

 

2003 reichten die Berner Jungfreisinnigen eine Initiative ein, die die Verkleinerung des Berner Gemeinderats (in Bern die Exekutive) forderte. Sie war eine Reaktion auf die Entmachtung des damaligen freisinnigen Gemeinderats Kurt Wasserfallen. Das Hauptargument war aber, dass eine Reduktion mehr Effizienz bringe. Soweit so ähnlich. Die damalige Stadtregierung unterstützte aber – im Gegensatz zum Zürcher Stadtrat – das Anliegen. Sie begründete dies mit der Kantonalisierung von etlichen Aufgaben, welche dazu führte, dass die Stadtverwaltung von rund 4500 auf 2900 Stellen reduzierte. Zudem versprach man sich Einspareffekte von bis zu fünf Millionen Franken. 2004 wurde die Reduktion bereits umgesetzt. Ob die Spareffekte wirklich eingetroffen sind, weiss man hingegen nicht, da nie eine Evaluation durchgeführt wurde, wie die NZZ berichtete. Die Reform fand zügig statt. Die ‹Berner Zeitung› kommentierte aber kritisch: «Neu gibt es vier verwaltende Direktionen und eine gestaltende. Das Stadtpräsidium wird durch die Bereiche Stadtentwicklung und Stadtplanung verstärkt. Mit dem Wirtschaftsamt entsteht so ein Superministerium. Dieses Superministerium ist auf den heutigen Planungsdirektor Alexander Tschäppät zugeschnitten.» Erwartungsgemäss war nur die SP mit dieser Lösung wirklich zufrieden. Mittlerweile plagen die ursprünglichen Initianten andere Probleme: Durch die Reduktion sind mittlerweile die rot-grünen Parteien in der Exekutive übervertreten. FDP-Mann Alexandre Schmidt wurde bei den letzten Wahlen abgewählt. Polizeivorsteher Reto Nause (CVP) ist der einzige verbleibende Bürgerliche im Berner Gemeinderat. Hätte es im Zürcher Stadtrat schon bei den letzten Wahlen nur sieben Sitze gegeben, wären Andreas Hauri (GLP) und Michael Baumer (FDP) nicht gewählt worden. Bei der Reduktion des Stadtrates von neun auf sieben Sitze in Illnau-Effretikon flog die SVP aus dem Stadtrat. FDP-Stadträtin (in Bern das Parlament) Claudine Esseiva meint zur NZZ: «60 Prozent der Stimmenden stellen in Bern vier von fünf Regierungssitzen – mit diesem Demokratieverständnis habe ich Mühe». Esseiva setzt sich daher für die Eingemeindung von Aussengemeinden ein. Dann könnte der Gemeinderat wieder vergrössert werden.

 

Ungewisse ökonomische Nettoeinsparung 

Winterthur prüfte gleich zwei Mal, die Stadtregierung zu verkleinern. Bei der ersten Prüfung war allerdings das Fazit ernüchternd: «Ein Vergleich mit anderen Städten und Kantonen, die eine Verkleinerung der Exekutive geprüft oder umgesetzt haben, zeigt, dass die ökonomische Nettoeinsparung ungewiss ist. Die Spanne der Angaben reicht von Einsparungen in Höhe von 0,29 Prozent bis zu Mehrkosten in Höhe von 0,07 Prozent des Haushaltsbudgets.» Im Weiteren,  so der «Schlussbericht zur Haushaltssanierung 2007», wäre die Reduktion sogar mit finanziellen Risiken verbunden. Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage der Stadt sei es wichtig, dass die Stadt Winterthur ihre Interessen genügend in übergeordneten Gremien einbringen könne. Daher kommt der Bericht zum Schluss: «Eine Abwägung der (geringen) finanziellen Ersparnisse mit den nicht unbedeutenden finanziellen Risiken ungenügender Interessenvertretung in übergeordneten Gremien spricht somit klar gegen eine Verkleinerung der Exekutive in der Stadt Winterthur.»

 

2013 war es wieder soweit. Der Winterthurer Stadtrat kündigte erneut eine Verkleinerung des Stadtrates auf fünf Mitglieder an. 2018 hätte die Verkleinerung vollbracht sein sollen. Doch dazu kam es nicht. 2016 fragte der ‹Landbote› bei Stadtpräsident Mike Künzle nach. Dieser gab Auskunft: «Das Projekt 5 statt 7 wurde – mit Ausnahme einiger Gespräche – nicht weiter vertieft». Das Projekt würde noch einmal angeschaut, es sei aber klar, dass eine solche Verwaltungsreform auf das Jahr 2018 hin nicht realistisch sei. Eine Umfrage bei den Fraktionen im Winterthurer Gemeinderat zeigte, dass sich dort die Begeisterung für das Projekt in Grenzen hielt. ««Der Stadtrat hat die Prioritäten richtig gesetzt, indem er die Reform nicht vorangetrieben hat», meinte beispielsweise Stefan Feer, Fraktionspräsident der FDP. Einzig Michael Zeugin von der GLP schien sich noch dafür zu erwärmen. Mittlerweile ist von der Stadtratsverkleinerung nichts mehr zu hören. «Das Problem»», meint SP-Stadtrat Nicolas Galladé, «ist der Widerspruch zwischen dem Anspruch an den Stadtrat, dass er strategisch führen soll, und dem Anspruch, dass StadträtInnen viele Repräsentationsaufgaben übernehmen und auch in einer Detailtiefe über alle Vorgänge in ihrem Departement Bescheid wissen sollen.» Er fände es grundsätzlich durchaus sinnvoll, dass man sich darüber Gedanken mache, welche Aufgaben ein Stadtrat übernehmen soll. Dabei stehe aber nicht die Zahl im Vordergrund beim Einstieg in die Diskussion, sondern aufgrund geklärter Erwartungen und inhaltlicher Ansprüche am Ende einer derartigen Debatte.

 

Das Problem bei den Verkleinerungen bleibt, dass die Ausgangslage in den Städten und Kantonen unterschiedlich ist. In kleineren Städten können mit einer Verkleinerung des Stadtrats die Stadtratsämter attraktiver gemacht werden. Dies könnte laut Reto Steiner, Direktor der Zhaw School of Management and Law, auch für die Stadt Zürich gelten, wie er in einem Interview mit der NZZ ausführte. Andreas Ladner, Professor für Schweizer Verwaltung und institutionelle Politik an der Universität Lausanne, ist anderer Meinung: «Es fehlt mir die Evidenz, dass es so viel besser und günstiger wird», meinte er gegenüber der ‹NZZ am Sonntag›. Dies bestätigt die Befunde des Winterthurer Berichts.

 

Die Forderung nach Exekutiv-Verkleinerung entspricht durchaus einem Trend. Doch es gibt auch umgekehrte Ideen. So forderte der Berner GLP-Grossrat Thomas Brönnimann zu Beginn des Jahres eine Vergrösserung des Berner Regierungsrats von sieben auf neun Mitglieder. «Unser System ist zwar stabil, aber weder dynamisch noch innovativ», meint Brönnimann zum ‹Bund›. Er erhofft sich von einer Vergrösserung, dass dadurch ein Präsidialamt geschaffen wird, mit mehr Kapazitäten für Repräsentation und strategische Projekte. Zudem täte dem Regierungsrat auch ein Mitglied aus der Mitte einmal gut.

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