Wen wählen?

Bei den Regierungsratswahlen vom 12. April stellen lediglich die Grünliberalen keine eigene Kandidatur. Sie können sich den Wahlzirkus unbefangen anschauen; für P.S. hat GLP-Gemeinderat Samuel Dubno ein Auge voll genommen. 

 

Zürich spielt gegen GC um den Einzug in den Cup-Halbfinal, und ich sollte im Foyer der NZZ sitzen. Dort kämpfen elf Regierungsratskandidierende um den Einzug in die Zürcher Regierung. 

Aktuell bin ich noch im Gemeinderat. Das Geschäft «Pilotprojekt Tagesschule» dauert länger als geplant. Ich folge der Debatte an der Falkenstrasse (Ton) und dem Match im Livestream (Bild), während ich im Rathaus noch ein paar Mal den Abstimmungsknopf drücken muss.

 

Erste Halbzeit

Das Podium wird in zwei Runden geteilt. In der ersten diskutieren Jacqueline Fehr, Silvia Steiner und Carmen Walker Späh mit den Bisherigen Martin Graf und Ernst Stocker. Weshalb alle Frauen in der ersten Runde platziert wurden, ist mir schleierhaft. Zum Einstieg dürfen alle den grössten Pluspunkt des Kantons und die grösste Herausforderung schildern. Neben einigen Plattitüden, beispielsweise Silvia Steiner: «einer der schönsten Kantone, äh der schönste Kanton…» und bekannten Fakten erfahre ich auch ein paar Details, die mir nicht bekannt waren, beispielsweise dass Zürich am meisten Gemüse von allen Kantonen produziert.

Obwohl alle Kandidierenden des Lobes voll sind für den Kanton, sehen sie auch dunkle Wolken am Horizont. Vor allem am wirtschaftlichen: Euro, Investitionsstau, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze sind die Stichworte.

 

Themenwechsel. Justiz und Strafvollzug. Aufhänger ist der Fall Carlos. Martin Graf findet, sein Fehler in der Geschichte habe darin gelegen, dass eine Reaktion von seiner Seite zu lange ausblieb. Na ja. Mir passte auch sein Justizbashing nicht. Ernst Stocker betont, im Kontrast zum eigenen Parteiprogramm, dass wir an einem der sichersten Orte der Welt leben. Es scheinen sich kaum fundamentale Gräben aufzutun. Der Justizdirektor, die Staatsanwältin, die Rechtsanwältin und alle anderen sind mit unserem Justizsystem und namentlich dem Jugendstrafrecht zufrieden.

Der Gemeinderat, die erste Halbzeit im Cupspiel und die erste Podiumsrunde sind vorbei. Im Spiel steht es 0:0, und etwa so fühlt sich auch der Ausgang der ersten Diskussionsrunde an. Ich fahre jetzt mit dem Tram an die Falkenstrasse statt in den Letzigrund und stelle mir vor, wie Nicole Soland jetzt gerade in der Südkurve steht, froh darüber, dass ihre Chefin einen Ersatz für sie gefunden hat.

 

Zweite Halbzeit

Ich treffe kurz nach dem Beginn der zweiten Runde und der zweiten Halbzeit ein. Nun treffen Markus Bischoff, Mario Fehr, Nik Gugger, Thomas Heiniger, Markus Kägi und Marcel Lenggenhager aufeinander; sie sehen ein wenig uniformiert aus, mit ihren grauen Kitteln und weissen Hemden. Zu Beginn dürfen alle wieder den Kanton loben und ein wenig schwarzmalen. Bischoff (Wohnen) und Gugger (Familien) bringen noch weitere Themen ein, denen sie künftig verstärkt Aufmerksamkeit schenken wollen.

 

Zu den Finanzen. Einigkeit besteht, dass viele Investitionen anstehen, die Finanzlage aber noch stabil und eine ruhige Hand in Finanzfragen wesentlich sei. Heiniger, der soeben, wie alle anderen, möglichen Steuererhöhungen eine Absage erteilte, wird von Lenggenhager freundlich darauf hingewiesen, dass der bürgerlich dominierte Regierungsrat erst kürzlich eine 7-Prozent-Steuererhöhung beantragt hatte.

Sparmöglichkeiten erkennen fast alle in der Beschaffung und im Immobilienmanagement. Nik Guger schlägt den Einsatz von LED-Lampen vor, und Mario Fehr freut sich über einen Wechselkursgewinn bei der Beschaffung von neuen Polizeiautos. Ironischerweise wird jetzt der Fussball auch Thema der Debatte. Mario Fehr geht es wie mir. Wären wir nicht hier, dann am Spiel. Die Diskussion dreht sich um Gewalt und Ausschreitungen und wie der Staat darauf reagieren kann.

 

Ob das Hooligankonkordat wirklich etwas gebracht habe, will Thomas Ribi von der NZZ wissen. «Nein!», möchte ich dazwischen rufen. «Ja», findet Mario Fehr. Da werden wir uns nie einig. Thomas Heiniger fragt immerhin noch, ob die Einkesselung von 800 Personen wirklich notwendig war, und Markus Bischoff scheitert zu meinem Bedauern mit dem Versuch, grundrechtliche Probleme zu thematisieren. Keiner überzeugt.

 

Verlängerung

In beiden Runden erhielten die Kandiderenden zwanzig Sekunden, um sich anzupreisen. Die meisten gaben ihre Slogans zum Besten. Die beiden SVP-Kandidaten ziehen mit «Stabilität & Sicherheit» ins Feld. Das ist solide und passt. Markus Kägi verspricht zudem, dass er sich «für die Menschen im Kanton Zürich» einsetzen will. Auch für die Mehrheit im Kanton, die für Kulturlandinitative gestimmt hatten oder die vielen, die eine Energiewende wünschten?

Mario Fehr wirbt «für einen sicheren und sozialen Kanton Zürich». Mit der Sicherheit übertreibt er es zwar manchmal ein wenig, aber seine Wiederwahl, wie die der meisten Bisherigen, ist wohl reine Formsache. Jacqueline Fehrs Slogan überzeugt. «Zürich kann mehr» gefällt mir sehr gut. Hat etwas von «Yes, we can». Ich gebe zu, den hätte ich vielleicht auch verwendet, wenn ich darauf gekommen wäre. Das ist allerdings auch ein Nachteil. Der Spruch lässt keine parteipolitische Rückschlüsse zu.

 

Das gilt allerdings auch für Thomas Heiniger und Carmen Walker Späh: «Mit Herzblut und Weitblick». Irgendwie finde ich «Herzblut» nicht so passend für den obersten Spitalverantwortlichen im Kanton. Ein Slogan von Martin Graf ist mir nicht bekannt (und meine Anfrage ans Parteisekretariat blieb unbeantwortet, tststs), obwohl er ja immer wieder markige Worte findet.

Recht pragmatisch geht die CVP ans Werk. Silvia Steiner wird in der ersten Phase des Wahlkampfs einfach vorgestellt: «Staatsanwältin, Mutter, Politikerin» – interessante Reihenfolge – und in der zweiten zur Wahl empfohlen mit «Silvia Steiner in den Regierungsrat». Daran ist nichts falsch. Ein Wahlkampfmotto von Nik Gugger ist mir nicht bekannt. Am Podium hat er jedenfalls immer wieder das Thema «Familien» betont. Marcel Lenggenhager will «liefere statt lafere» – und der Brückenbauer zwischen Blöcken sein. Damit bin ich auch gescheitert. Und damit es nicht langweilig wird, verspricht der AL-Kandidat «Mehr Pfupf mit Bischoff». Einmal war’s ja lustig, liebe AL, aber der wirkt jetzt schon etwas gesucht. Dass ein Wolf beisst, o.k., aber ein «Bischoff» «Pfupf»…?

 

Mein Fazit: Erstens ist es für die HerausforderInnen nicht einfach, den Kanton über den grünen Klee zu loben und gleichzeitig die Notwendigkeit ihrer Person zu betonen. Zweitens stehen sich in diesem Wahlkampf neben den beiden offiziellen Blöcken noch zwei inoffizielle gegenüber, nämlich die bisherigen Regierungsräte und die, die es gerne werden würden.

Während es in den offiziellen Blöcken immer wieder einmal rumort, scheint der informelle Bisherigenblock zusammen zu halten wie Pech und Schwefel. Das könnte ein Pluspunkt für Graf werden, der wohl als einziger um seine Wiederwahl zittern muss. Drittens sind Podien für eine abschliessende Meinungsbildung nicht unbedingt das richtige Mittel.

Immerhin endet der Abend erfreulich: Zürich schiesst in der Verlängerung das 1:0. Einen klaren Sieger in der Politarena kann ich nicht erkennen. Also doch Smartvote.

 

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