Welcome to Little Alcatraz

Auf dem Güterbahnhofareal kann man künftig trotz PJZ auch wohnen – sofern man übers nötige Kleingeld verfügt.

 

Für den Bau des neuen Polizei- und Justizzentrums (PJZ) auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs im Zürcher Kreis 4 läuft zurzeit das Submissionsverfahren für die Generalunternehmung. Die Pläne des Vereins Güterbahnhof, der für zahlbaren Wohnraum auf dem Areal gekämpft hatte, wurden mit der Abstimmung vom 4. September 2011 obsolet, als sich die Mehrheit der Stimmberechtigten dagegen wandte, das PJZ-Gesetz aufzuheben.

Der Güterbahnhof ist unterdessen längst abgebrochen, die Altlastensanierung ist abgeschlossen, die Aushubarbeiten begannen ebenfalls bereits im Juni 2014. Die Bewilligung fürs provisorische Polizeigefängnis auf dem Kasernenareal, das erst aufgehoben werden kann, wenn das PJZ bezugsbereit ist, läuft zwar Ende dieses Jahres aus. Die neuerliche Verlängerung war jedoch kürzlich im ‹Tagblatt der Stadt Zürich› ausgeschrieben – das PJZ soll gemäss aktueller Planung ab 2020 bezogen werden.

 

Visionäre Pläne

Ob sich dieser Zeitplan tatsächlich einhalten lässt, steht nun allerdings in den Sternen. Wie einigen QuartierbewohnerInnen zu Ohren gekommen ist, hegt offenbar ein chinesischer Investor einen kühnen Plan: Er möchte auf dem Dach des PJZ Luxus-Eigentumslofts «für urbane Geniesserinnen und Geniesser» errichten. Die grosszügigen und luxuriös ausgestatteten Wohnungen wären auf einen in luftiger Höhe erstellten Innenhof ausgerichtet, der begrünt werden und in dessen Mitte ein grosser Pool zum Bade laden soll.

Dem Investor schwebe vor, den Gebäudekomplex in Anlehnung an das Gefängnis, das sich dank des Pools zwar nicht im, sondern gewissermassen unter Wasser befinden würde, «Little Alcatraz» zu nennen: Das erklärt ein ungenannt sein wollender Quartierbewohner gegenüber P.S. Dass dies die kaufkräftige Kundschaft, die der Investor mit dem Projekt im Visier habe, abschrecken könne, glaube dieser nicht; vielmehr scheine er im Gegenteil davon auszugehen, dass der Name dem Ganzen einen «zusätzlichen Kick» geben könnte.

 

Viel Geld für viel Dach?

So weit, so extravagant – doch da das PJZ die auf dem Areal zulässige Höhe von fünf Stockwerken bereits ausnutzt, dürfte eine Aufstockung im grossen Stil kaum bewilligungsfähig sein. Der Investor nehme es allerdings gelassen, sagt der Quartierbewohner. Er sei offensichtlich gut über die Schweiz und insbesondere Kanton und Stadt Zürich informiert und scheine davon auszugehen, dass der Kanton angesichts der bereits knappen Finanzen und der wegen der Unternehmenssteuerreform III zu erwartenden zusätzlichen finanziellen Einbussen sosehr auf kaufkräftige InvestorInnen angewiesen sei, dass er sicher bereit sei, diesen auch «über das ansonsten übliche Mass hinaus» entgegenzukommen.

Der Einwand, solche Deals dürften im kommunistischen China einiges einfacher einzufädeln sein als in der schweizerischen Demokratie, habe den Investor jedenfalls unbeeindruckt gelassen: «Aus dem Quartier kam erstens der Wunsch nach Wohnraum auf diesem Areal, den mein Projekt befriedigt, und zweitens wird sich der klamme Kanton die Gelegenheit kaum entgehen lassen, einen Teil des Landes an dieser super Lage zu Geld zu machen.» Wieviel er für den Quadratmeter Dach zahlen würde, wolle der Investor zwar nicht preisgeben, aber er lasse durchblicken, dass er wisse, was der Zürcher Boden wert sei.

 

Widerstand programmiert

Unabhängig vom allfälligen Gewinn für den Kanton und der Frage danach, ob und wie eine solche Projektänderung angesichts des fortgeschrittenen Standes der Dinge überhaupt innert nützlicher Frist durch Kantonsrat und Volksabstimmung zu bringen wäre, ist offen, warum der Kanton einem Privaten eine Aufstockung gewähren sollte, wo er doch selbst mehr Platz gebrauchen könnte: Im Juni 2014 teilte der Regierungsrat in seinem Beschluss Nr. 645 bekanntlich mit, dass der Raumbedarf höher sei als geplant, weshalb «jene Führungsbereiche der Kantonspolizei, die nicht in einem direkten Zusammenhang mit kriminalpolizeilichen Aufgabenbereichen stehen, (…) bis auf Weiteres am bisherigen Standort in der Polizeikaserne an der Kasernenstrasse 29 in Zürich» bleiben.

Dass damit das Kasernenareal nicht, wie vor der Abstimmung versprochen, ganz für andere Zwecke frei wird, sorgte für grossen Ärger, nicht zuletzt bei der SP. Ob sich der nach wie vor schwelende Widerstand gegen das PJZ auflösen lässt, indem nun trotz allem noch Wohnungen gebaut werden, ist denn auch angesichts deren Preiskategorie unwahrscheinlich. Marco Denoth, Co-Präsident der SP Stadt Zürich, führt dazu auf Anfrage aus, ob das PJZ tatsächlich gebaut werde, stehe auch heute noch in den Sternen, und Wohnen wäre auf diesem Areal auf jeden Fall eine gute Alternative – unter einer Bedingung allerdings: «Es müsste gemeinnütziger Wohnraum erstellt werden.»

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