Koloniale Wissenschaft: Fritz und Paul Sarasin forschen Ende des 19. Jahrhunderts in britischen und niederländischen Kolonien und gehen auch auf Grosswildjagd. Das Jungtier dieses erlegten Elefanten wird dem Basler Zoo überbracht. (Bild: ETH-Bibliothek Zürich)

Weitreichende Zusammenhänge

Von der globalen Zweiteilung der Machtbereiche 1494 bis zur jüngsten Debattenverfremdung, ohne Rassen kein Rassismus, fächert die Ausstellung «Kolonial. Globale Verflechtungen der Schweiz» die damit zusammenhängende Thematik klar fokussiert, vielschichtig und klug auf.

In der Wirkung bleibt zuletzt die persönliche Frage offen, wie viel und welcher Teil des eigenen Selbstverständnisses keiner weiteren Hinterfragung bedarf. Damit glückt es der multimedialen Ausstellung, insbesondere aber dem Katalog, die vielen ineinander verstrickten Zusammenhänge der Schweiz mit dem Kolonialismus und deren Wirkung ins Heute ungemein nahbar aufzuzeigen. Der Tonfall ist ausgesprochen sachlich gehalten, die Ambivalenzen werden offen präsentiert. Das Kuratorium Marina Amstad, Pascale Meyer, Raphael Schwere und Marilyn Umurungi unterlegt die Narration mit keiner einschlägigen Wertung. Die stellt fest. Zum Beispiel: Dass ein Schweizer Söldner im 17. Jahrhundert in den Kriegsdienst für fremde Mächte zog, um sich und den seinen überhaupt ein Überleben zu ermöglichen, ist genauso Tatsache, wie dass er während seines Dienstes in Übersee den europäischen Kolonialmächten aktiv geholfen hatte, die sich dort teils gewaltsam erhebenden versklavten Personen zu bekämpfen. Dass ihm dies darüber hinaus einfacher fiel, weil das – durchaus interessengesteuerte – damalige Weltbild Schwarze und Indigene Personen als im besten Falle «Wilde», im Schnitt aber als nicht dem Menschen ebenbürtige Wesen darstellte, ist wiederum genauso ein Fakt, den Abenteuerromane, Fotografien, Völkerschauen und die Werbebildsprache für Kolonialwaren wieder zurück hierhin spiegelten und  als zutreffend zementierten. Die damalige Wissenschaft legte grossen Eifer in das Ergründen respektive Beweisen einer vermeintlich verschiedenen Wertigkeit von Menschen. Wonach wiederum einfacher behauptet werden konnte, die eroberten Gebiete seien zuvor nicht (von Menschen) bewohnt gewesen und somit einer Infragestellung ihrer Vernichtung und der kompletten Ausbeutung von (Boden-)Schätzen, Flora und Fauna keine Priorität zugebilligt werden musste. Dargestellt und begreiflich gemacht wird hier ein in sich stimmiges System der Unterdrückung, das aus einer angeblichen Überlegenheit gerechtfertigt wird und das ausreichend Gewinn abwirft, inklusive Söldnerrenten, damit das bedenkenlose Inkaufnehmen der Begleiterscheinungen tief in ein Selbstverständnis eindringen kann. Von wo es nur mit Anstrengung wieder hinauskomplimentiert werden kann. Dass die damalige Grundannahme nicht mehr haltbar ist, steht ausser Frage. Inwiefern allerdings jegliches Handeln von dieser Erkenntnis durchdrungen und entsprechend angepasst worden ist oder erst noch werden muss, sind die Folgefragen der aktuellen Debatte.

«Kolonial. Globale Verflechtungen der Schweiz», bis 19.1.25, Landesmuseum, Zürich. Katalog.