- Im Gespräch
«Was hat die Stadt Zürich denn bisher mit ihrer Beteiligung erreicht?» – «Wenn die Stadt die Aktien verkauft, startet kein einziger Flieger weniger»
Die Stadt Zürich will ihre Flughafenaktien vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen übertragen. Was stört Sie daran, Felix Moser?
Felix Moser (Grüne): Im Verwaltungsvermögen sind Aktien, Gegenstände, Häuser und Strassen, die die Gemeinde braucht, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Betrieb des Flughafens ist aus unserer Sicht keine städtische Aufgabe. Darum gehören die Aktien auch nicht ins Verwaltungsvermögen.
Ihnen geht es aber nicht nur um die Verschiebung der Aktien. Sie wünschen sich, dass die Stadt die Flughafenaktien verkauft.
F.M.: Genau, das haben wir vor sieben Jahren bereits gefordert, sind damit aber im Gemeinderat nicht durchgekommen. Die Stadt hat nirgendwo festgelegt, dass der Betrieb eines Flughafens zu ihren Aufgaben gehört. In der Gemeindeordnung sind zum Beispiel Fahrradwege aufgeführt, Netto-Null-Ziele sind aufgeführt, Wohnungen sind aufgeführt. Und zum Flughafen steht da nichts. Der Flughafen widerspricht sogar den meisten der Punkte, die aufgeführt sind. Falls sich die Stadt dann einmal dazu entscheidet, die Aktien in Zukunft zu verkaufen, ginge das nur aus dem Finanzvermögen. Im Verwaltungsvermögen sind sie definitiv am falschen Ort.
Sie sehen das anders, Florian Blättler.
Florian Blättler (SP): Unserer Meinung nach gehört der Flughafen zum Aufgabengebiet der Stadt. Es geht hier um wichtige Punkte für die Bevölkerung. Zum Beispiel für die Menschen in Zürich-Nord, die sehr stark vom Fluglärm betroffen sind, soll sich die Stadt einsetzen. Man kann sich nicht nur vom Kanton vertreten lassen, der politisch anders als die Stadt steht. Zudem hat der Kanton mehrmals bewiesen, dass er wenig Probleme damit hat, verkehrspolitisch der Stadt auf die Füsse zu stehen. Die Aktie weiterhin im Finanzvermögen zu verbuchen ist zudem rechtlich nicht haltbar.
Warum?
F.B.: Im Finanzvermögen sind sie am falschen Ort. Das zeigt sich auch immer wieder im Rechnungsabschluss der Stadt. Die Aktien sind grossen Schwankungen ausgesetzt, die im Finanzvermögen immer sofort widergespiegelt werden. Wenn die Aktien also in einem Jahr um 60 Millionen Franken an Wert gewinnen, macht die Stadt ein positives Resultat, verlieren sie, wird es negativ. In das Finanzvermögen gehören Vermögenswerte hin, die die Stadt verkaufen will, und Investitionen, die liquide sind, aber doch nicht eine solch grosse Beteiligung am Flughafen. Sie könnte vielleicht vorübergehend im Finanzvermögen bleiben, bis sie in das Verwaltungsvermögen kommt, aber jetzt sind die Aktien schon seit dreissig Jahren dort. Das ist eigentlich widerrechtlich.
F.M.: Es ist rechtlich schon haltbar, die Aktien im Finanzvermögen zu verbuchen. Sie müssen einfach immer wieder neu bewertet werden. Es ist natürlich auch ein naheliegendes Ziel, dass man die Aktien irgendwann verkauft. Übrigens wurden die Aktien vor dreissig Jahren in das Finanzvermögen verschoben, weil sie verkauft werden sollten.
F.B.: Das war eine ganz andere Situation. Vor 30 Jahren stand die Stadt finanziell schlecht da. Sie hätte fast alles verkauft, um sich zu sanieren. Die Stadt hatte damals ein negatives Eigenkapital und war völlig überschuldet, jetzt ist die Situation eine andere. Der Stadt fehlt es heute nicht an Eigenkapital.
Verwaltungs- und Finanzvermögen
In der Jahresrechnung teilt die Stadt Zürich ihre Vermögenswerte in Verwaltungs- und Finanzvermögen. Die beiden Kategorien unterscheidet, dass im Verwaltungsvermögen die Werte verbucht sind, die die Stadt für ihre öffentlichen Aufgaben braucht. Das beinhaltet beispielsweise Verwaltungsgebäude oder Strassen. Im Finanzvermögen hingegen sind Investitionen und liquide Mittel verbucht, die verkauft werden können und aus denen die Stadt einzig einen finanziellen Nutzen zieht. Die Stadt will die Beteiligung am Flughafen also nicht mehr als Investition verbuchen, sondern als Vermögen, das sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben braucht. Wo ein Vermögenswert eingeteilt wird, schlägt sich auch auf die Buchhaltung nieder. Das Finanzvermögen wird zum Marktwert verbucht. Ende 2023 waren die Flughafenaktien noch knapp 300 Millionen Franken wert, Ende 2024 waren es 334 Millionen, was im Finanzvermögen auch dementsprechend verbucht wird. Diese Schwankung würde sich im Verwaltungsvermögen nicht zeigen, da die Vermögenswerte dort zum Anschaffungswert verbucht und dann gegebenenfalls wertberichtigt werden. Somit hätte der Marktwert der Flughafenaktie keinen Einfluss mehr auf die Jahresrechnung der Stadt. (gh.)
Die Beteiligung von fünf Prozent am Flughafen ist 330 Millionen Franken wert. Das wäre doch auch für die öffentliche Hand trotzdem ein schöner Betrag. Was spricht denn für Sie gegen einen Verkauf, Florian Blättler?
F.B.: Infrastruktur gehört für mich in die öffentliche Hand. Das ist beim Flughafen leider nicht so, sondern er ist als Aktiengesellschaft organisiert. Der Kanton und die Stadt haben eine Minderheitsbeteiligung. Diese Situation finde ich nicht optimal, aber man kann doch jetzt die Situation nicht noch einmal verschlechtern, indem sich die Stadt auch noch zurückzieht. Wir können schon sagen, ein Wunschszenario wäre, Zürich hätte jetzt keinen Flughafen mehr und wir hätten jetzt keine Flugbewegungen mehr, und jetzt ist alles schön und gut. Dadurch, dass die Stadt Zürich die Flughafenaktien abstossen würde, startet aber nicht ein einziger Flieger weniger, im Gegenteil. Wir dürfen den kleinen Hebel, den die Stadt durch die Aktien hat, nicht auch noch aus der Hand geben.
F.M.: Was hat denn dieser Hebel bis jetzt erreicht? Am Flughafen werden die Nachtflüge jeden Tag komplett ausgereizt und ich sehe in keinem einzigen Punkt eine Verbesserung.
F.B.: Es ist schwierig zu sagen, was Corine Mauch als Vertreterin von Zürich im Verwaltungsrat der Flughafen AG genau erreicht. Entscheidungen im Verwaltungsrat sind geheim und für uns in der Rechnungsprüfungskommission ist es selbst bei AGs, die vollständig der Stadt gehören, nicht möglich herauszufinden, wie Entscheidungen im Verwaltungsrat zustande kommen. Ich bin mir aber sicher, dass es besser ist, mitzureden, als nicht mitzureden. Wir kennen das ja aus dem Gemeinderat: Dort sind die Bürgerlichen auch in der Minderheit, aber trotzdem schaffen sie es manchmal, etwas durchzubringen. Corine Mauch kann also durchaus bei einer Entscheidung des Verwaltungsrats das Zünglein an der Waage sein.
Trotzdem: Die grossen Erfolge im Bevölkerungsschutz gab es in den letzten Jahren nicht.
F.B.: Ich will aber auch nicht wissen, was der Verwaltungsrat ohne Korrektiv von Corine Mauch entschieden hätte. Und wer ist denn die Alternative? Für ein Aktienpaket von dieser Summe kommen nur ganz wenige Käufer überhaupt infrage. Soll Blackrock die Anteile übernehmen? Oder China, das überaus interessiert ist, auf der ganzen Welt in Infrastruktur zu investieren? Das wäre doch sicher keine Verbesserung.
F.M.: Das ist jetzt ein Schreckgespenst, das du hier zeichnest. Wenn du die Statuten des Flughafens liest, siehst du, dass China nicht einfach diese Anteile kaufen könnte.
Die Frage stellt sich trotzdem. An wen soll die Stadt ihre Anteile denn verkaufen, Felix Moser?
F.M.: An den Kanton beispielsweise. Oder an verschiedenste Kleinanleger:innen. Das müsste man genauer prüfen, wenn die Vorlage abgelehnt wird.
F.B.: Der Kanton investiert schon jetzt viel zu wenig in die Infrastruktur, der kauft doch jetzt nicht der Stadt noch die Flughafenanteile ab. Und Kleinanleger:innen schützen die Bevölkerung der Stadt Zürich bestimmt nicht vor Emissionen.
Die Grünen, die AL, der VCS und umverkehR, die sich gegen die Vorlage einsetzen, schreiben in einer gemeinsamen Medienmitteilung, die Stadt würde vom Flughafen profitieren, der für zehntausende Menschen in der Region Zürich Lärmbelastung und gesundheitliche Belastungen zur Folge habe.
F.B.: Sorry, aber das kann ich nicht ganz ernst nehmen. Wenn die Stadt eine Dividende von zehn Millionen Franken aus den Flughafenaktien bekommt, dann ist das für die Stadt zwar vielleicht ganz nett, aber das ist nicht entscheidend für die Finanzen der Stadt. Es ist ja nicht so, als würde sich deswegen irgendjemand in dieser Stadt mit Kritik am Flughafen zurückhalten oder der Gemeinderat eine flughafenfreundliche Politik betreiben.
F.M.: Es bleibt aber ein Zielkonflikt. Vor sieben Jahren hat der Stadtrat in der Antwort auf unsere Motion zum Verkauf geschrieben, dass die Flughafen AG einerseits den Zweck hat, die Konzession des Bundes zu erfüllen, und andererseits den Wert für ihre Aktionäre zu steigern. Das bedeutet letztlich die Förderung des Flugverkehrs. Das widerspricht diametral den Zielen der Stadt.
Bei der letzten Abstimmung, bei der es um den Flughafen ging, nahm die Stadt Zürich die Pistenverlängerung mit 56 Prozent Ja-Stimmen an. Glauben Sie jetzt trotzdem an Ihre Chance, Felix Moser?
F.M.: Ich denke, es wird schwierig werden, dass die Vorlage abgelehnt wird. Nur schon, wenn man schaut, welche Parteien dafür und dagegen sind. Aber wir werden sehen, was die Bevölkerung meint. Es ist natürlich eine sehr technische Frage. Es gibt viele Inhalte dahinter, aber das ist in einem, zwei Sätzen schwierig zu erklären. Die Pistenverlängerung war eine andere Frage. Dort wurde auch mit der zusätzlichen Sicherheit argumentiert, was wohl viele überzeugt hat. Auch wenn ich das bis heute anders sehe.
F.B.: Da sind wir uns wieder einig.
Die SP spannt dafür mit Mitte-Rechts zusammen. Wie geht es Ihnen damit, Florian Blättler?
F.B.: Für mich ist wichtig, ob wir eine vernünftige Lösung haben oder nicht. Es geht nicht darum, dass wir die SVP mit ins Boot holen, sondern wir schauen, dass wir eine Meinung haben und dann möglichst breite Mehrheiten dafür holen.