(Bild: Milad Ahmadvand)

Wandel

Aus einer höfischen Ehrfurcht entwickelt «Apotheose» eine himmlische Andacht.

Das Rom-Bild der musealen Parallelität von nachgerade obszönem Reichtum der Adelspaläste und einem regelrecht ätherischen Ästhetizismus der vatikanischen Gemäldegalerie will als ungelenker Vergleich einfach nicht mehr aus dem Kopf. Das Winterthurer Aelia Art Kollektiv huldigt mit «Apotheose» dem Französischen Organisten François Couperin, der vor dreihundert Jahren die musikalische Vollkommenheit durch die Vermengung des italienischen mit dem französischen Stils anstrebte. Mit den alten Instrumenten Viola da Gamba (Alex Jellici), Barockfagott (Claudus Kamp) und Violine (Dora Alexiadou) wirkt die Transformation der anfänglich höfischen Ballchoreographie aus dem Historienfilm von Simon Wehrli mit dem tragenden Bariton von Michael Mogl in einen von allen getragenen mönchisch-chorischen aber zugleich dem Beatboxing nicht unähnlichen Singsang natürlich wie nicht ganz von dieser Welt. Respektive dieser Zeit. Aber ungewohnt meint nicht ungekonnt. Die Absicht, ein Publikum mit Ergriffenheit zu beseelen, ist auf zeitgenössischen Bühnen einfach kaum je zu erleben. Hier wird sie unterstützt durch die Lichtinstallation von Raphael Vuilleumier, der mithilfe von Spiegelungen und Nebel den ganzen Raum in eine Art heiligenscheinumrankten Olymp verwandelt. Aus den erwähnten Altmeistergemälden werden bewegte Tableaus, die die Instrumente wie einen Gral hochhalten. Während Publikum und Ensemble sanft fliessend den Platz tauschen – Künstler:innen oben, wir unten – präsentieren sie sich in einer komplett verändert wirkenden Formation neu, als stellten sie zuletzt das Anbetungswürdige per se, den Altar, dar. Was uns kleine Sünder genauso auf unseren Platz verweist, wie bereits der stilisiert dargestellte Prunk suggerierte. So bewirkt diese bühnenseitige Bemühung um Vollkommenheit publikumsseitig sowohl eine Zeitreise als auch ein Gewahrwerden der immensen Kleinräumigkeit der eigenen Wirkmacht.

«Apotheose», 12.1., Theater am Gleis, Winterthur.