Waldgesetz als Vorbild
Wie bereits seit 1876 der Wald, soll nun auch das Land geschützt werden – jedenfalls, wenn es nach dem Stadtwanderer Benedikt Loderer und dem Verein Nachhaltige Siedlungsentwicklung geht: Sie haben der Zersiedelung den Kampf angesagt.
Am 3. März 2013 wurde die Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) angenommen. Diese eidgenössische Vorlage war ein indirekter Gegenvorschlag zur Landschaftsinitiative, die allerdings mehr als eine «haushälterische Nutzung des Bodens» verlangt hatte: Ihr Herzstück war die Forderung, dass die Gesamtfläche der Bauzonen in der Schweiz während 20 Jahren nicht vergrössert werden dürfe. Sie wurde nur zurückgezogen, weil die RPG-Revision durchkam. Diese trat am vergangenen 1. Mai in Kraft.
Hier Landgesetz…
Der Gründer und ehemalige Chefredaktor der Zeitschrift ‘Hochparterre’, Stadtwanderer Benedikt Loderer, fordert nichtsdestotrotz bereits ein neues Landgesetz, und er sieht eine Menge guter Gründe dafür. Nachzulesen sind sie in seinem Buch «Landesverteidigung», das soeben in einer überarbeiteten Neuauflage erschienen ist: «Schliessen der Bauzonen, Realersatz, Bundeskompetenz – ist das zu radikal? Betrachtet man die Ergebnisse der bisherigen Raumplanung, so sind diese Forderungen bitter nötig. Man muss die Bodenverschwendung beenden.» Und weiter: «Baut man eine Autobahn durch einen Wald, so muss die gerodete Fläche anderswo aufgeforstet werden. Warum soll, was beim Wald selbstverständlich ist, beim Land unmöglich sein? Erst der Realersatz zwingt zum haushälterischen Umgang mit dem Boden, den das Raumplanungsgesetz verlangt.»
Dass das kein einfach zu erfüllender Wunsch sein dürfte, weiss er natürlich auch: «Selbstverständlich» seien die «Talfürsten und Dorfkönige in der Wolle gefärbte Föderalisten», und sie wehrten sich gegen jede Erweiterung der Bundeskompetenz – was man ihren Tälern und Dörfern auch ansehe: «Die Féderation des Profiteurs hat dort für die Herstellung von Agglomeration gesorgt.» Nichtsdestotrotz pocht er weiter auf seiner Forderung, denn das Land sei «zu wichtig, als dass man es den Kantonen und Gemeinden überlassen kann. Aus dem eidgenössischen Sollen muss ein Wollen werden, das zu einem Müssen führt. Ein Raumkonzept Schweiz ist heute eine freundeidgenössische Empfehlung, es muss zur verbindlichen Richtlinie werden, genauer: Es muss zum Sachplan Landesverteidigung ausgebaut werden». Oder, kurz zusammengefasst: «Wer die Verdichtung fördern will, muss die Zersiedelung stoppen.»
…da Zersiedelungs-Stopp-Initiative
Die Initiative für ein eidgenössisches Landgesetz stand auch am ‘Hochparterre’-Städtebaustammtisch von gestern Mittwochabend im Mittelpunkt. Doch Benedikt Loderer ist nicht der Einzige, dem die jüngste Revision des RPG nicht genügt: Am vergangenen 6. Dezember beschlossen die Jungen Grünen Schweiz an ihrer Mitgliederversammlung in Zug einstimmig, eine nationale Zersiedelungs-Stopp-Initiative zu lancieren. Die Unterschriftensammlung beginnt diesen Frühling. Bereits haben junge Leute aus ihrem Umfeld einen neuen Verein namens «Nachhaltige Siedlungsentwicklung» gegründet, der gemäss seiner Website «die Eindämmung der Zersiedelung und das Fördern von nachhaltigen Wohnformen» bezweckt. Er soll zudem «als Dachorganisation für Privatpersonen und andere Organisationen und Vereine dienen». Präsident ist Andreas Lustenberger, CoPräsident der Jungen Grünen Schweiz, und auch deren Co-Präsidentin Lena Frank ist im Vorstand des neuen Vereins.
Die Jungen Grünen wollen mit ihrer Initiative aber nicht nur der «ökologisch gesehen katastrophalen Zersiedelung» an den Kragen, sondern auch dem «absurden Individualismus», der sich im «Traum vom Einfamilienhaus» manifestiere. Denn dieser führe dazu, «dass die Menschen auf immer mehr Quadratmetern wohnen, aber praktisch nur nachts und am Wochenende», erklärt Andreas Lustenberger. Und das bringe uns nicht nur noch mehr der «ökologisch gesehen katastrophalen Zersiedelung», sondern sei auch insofern schädlich, als uns dabei «das Gemeinschaftliche völlig abhanden kommt».
Die Jungen haben Vortritt
Weil es keinen Sinn macht, für zwei sehr ähnliche Initiativen gleichzeitig Unterschriften zu sammeln, steigen nun erst mal die Jungen Grünen in die Hosen. Zurzeit sind die InitiantInnen mit dem letzten Schliff am Initiativtext beschäftigt; im kommenden April sollen die Unterschriftenbögen parat sein, wie Andreas Lustenberger erklärt. Damit ist noch offen, inwiefern der Text mit jenem von Benedikt Loderers Landgesetz-Initiative übereinstimmen wird, den der Rechtsprofessor Enrico Riva formuliert hat. Letzterer hat seinerzeit auch bei der zurückgezogenen Landschaftsinitiative mitgewirkt. Halten wir uns also ans bereits Bekannte: Der Text der Landgesetz-Initiative verlangt im Rahmen einer Änderung von Art. 75 (Raumplanung, neu), dass die Bauzonen geschlossen werden und dass innerhalb der Bauzonen realersatzpflichtig wird, wer ausserhalb der Bauzonen Land neu überbaut. Weiter wird präzisiert, dass mit der «Gesamtfläche der bestehenden Bauzonen» die Fläche des Bodens gemeint ist, der im Zeitpunkt der amtlichen Veröffentlichung der Landgesetz-Initiative als Bauzone ausgeschieden war. Und auch was mit «Realersatz» genau gemeint ist, wird definiert: «Bauten und Anlagen auf einer unüberbauten Fläche ausserhalb der Bauzone können nur bewilligt werden, wenn eine Fläche von gleicher Grösse aus einer bestehenden Bauzone in eine Nichtbauzone umgezont wird.»
Bleibt zum Schluss noch die Frage nach dem Sinn einer neuen Initiative so kurz nach dem Inkrafttreten der RGP-Revision: «Der Entscheid, die Landschaftsinitiative zugunsten der Revision des RPG zurückzuziehen, war bei den beteiligten Umweltverbänden und Parteien umstritten. Entsprechend schauen wir nun genau hin, wie streng beziehungsweise locker die Kantone mit den Vorgaben gemäss Raumplanungsgesetz umgehen. Wir mussten bereits in einigen Kantonen konstatieren, dass die Vorgaben noch mehr verwässert werden. Das können wir nicht einfach so hinnehmen», sagt Andreas Lustenberger. Und über die Vorschläge der InitiantInnen für neue Wohnformen, die in Zusammenarbeit mit befreundeten Vereinen wie «Neustart Schweiz» entstanden seien und etwa in der Kalkbreite in Zürich oder der Giesserei in Winterthur bereits gelebt würden, sei anlässlich der RPVRevision gar nicht abgestimmt worden.
Benedikt Loderer, Stadtwanderer: Die Landesverteidigung. Eine Beschreibung des Schweizerzustands, erweiterte und aktualisierte Ausgabe, Edition Hochparterre, Zürich 2015, 208 Seiten, 28 Franken. www.zersiedelung-stoppen.ch