Wahlgespräch: Nik Gugger über Atommüll als Realität

 

Jede Woche befragen wir eine(n) der Neukandidierenden für den Regierungsrat  zu aktuellen Fragen. Diese Woche den EVP-Kandidaten Nik Gugger zur Situation  der Atommüllagerung und die Zukunftsaussichten seiner Partei. 

 

Der Entscheid der Nagra, derzeit nur noch zwei Standorte für die Lagerung des Atommülls zu berücksichtigen, ist zwar schon gut zwei Wochen her. Im sehr möglichen Standort Benken im Weinland und in Winterthur hat das Thema kaum von seiner Brisanz eingebüsst. Waren Sie überrascht über den Reduktionsentscheid?

Nik Gugger: Wirklich überrascht war ich nicht. Oder um es richtiger zu sagen: Ich war nicht überrascht, dass Benken für die Nagra nach wie vor einer der erwünschten Standorte ist. Mit der Reduktion auf nur noch zwei Standorte wurde möglicherweise versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen. Es handelt sich bei der Lagerung des Atommülls im wahrsten Sinne des Wortes um ein hochexplosives Thema. Ich finde – wie die Regierung –  dass diese Einengung im Moment zu weit geht. Der Regierungsrat hat sich klar gegen den Standort im Kanton Zürich gewehrt.

 

Das tönt ein bisschen so, als ob Sie den Entscheid sehr gelassen hinnähmen.

So würde ich es nicht sehen. Ich bin ganz klar für den dosierten Ausstieg aus der Atomenergie, unter anderem auch, weil die definitive Lagerung ein ungelöstes Problem ist. Ich verschliesse aber die Augen nicht davor, dass wir in der Schweiz bereits viel Atommüll produzierten und weiterhin produzieren. Selbst wenn die kürzesten Fristen des Ausstiegs umgesetzt werden, was ich bezweifle, dauert die Atomstromproduktion noch mindestens zehn Jahre, und in dieser Zeit fällt noch einiges an Müll an, der uns noch einige Zeit beschäftigen wird. Sogar dann, wenn wir davon ausgehen, dass mit einer neuen Technik ein Teil des Atomabfalls nochmals benutzt werden könnte, bleiben Reste zur sicheren Versorgung. Das sind Fakten, an denen man nicht vorbeikommt, ob es einem nun passt oder nicht.

 

Es gäbe ja auch die Möglichkeit, den Atomabfall im Ausland zu lagern.

Das kommt für mich nicht in Frage. Ich finde es unverantwortlich, wenn die reiche Schweiz ihren Abfall auf arme Länder abschiebt. Wir wollten mehrheitlich die Atomenergie, wir wünschen uns derzeit einen Ausstieg, aber wie bereits gesagt, wir produzieren und konsumieren täglich und real auch noch für eine beachtlich lange Zeit Atomstrom, und so stehen wir in der Verantwortung, ihn auch bei uns sicher zu versorgen.

Damit ich hier richtig verstanden werde: Ich finde es falsch, dass der Kanton Zürich und Benken als Standort so sehr im Vordergrund stehen und ich hoffe, dass Regierungsrat Markus Kägi auch weiterhin deutlich signalisiert, dass der Kanton darauf beharrt, dass der sicherste Standort ausgewählt wird und dass dafür überall die nötigen Abklärungen getroffen wurden, auch wenn dies einiges an Geld kostet.

 

In der Stadt Winterhur wehren sich die Behörden sehr vehement gegen das Endlager Benken.

Bevor der Atommüll gelagert werden kann, muss er im Endlager ankommen. Zwar existieren mehrere Wege von den Atomkraftwerken nach Benken, aber der kürzeste auf der Schiene führt mitten durch die Stadt Winterthur.

Der Transport ist mindestens so gefahrenanfällig wie die Lagerung. Sei es durch ein Unglück wegen einer unvorhergesehenen Sicherheitslücke, sei es durch Anschläge. Die Vorstellung eines Atomzuges mitten durch die Stadt ängstigt mit guten Gründen. Eine Umfahrung Winterthurs ist ein klarer Umweg, und lange Wege sind bei heiklen Transporten auch nicht gerade ein Hit. Die Gefahren mit den Transporten sind nicht nur meiner Meinung nach zu wenig berücksichtigt worden. Allerdings ist der Transport bei allen Zwischen- und Tiefenlagern notwendig und muss deshalb sicherheitstechnisch gelöst werden.

 

Fragt man Sie normalerweise etwas, sprudelt es mitunter nur so heraus, präsentieren Sie viele Vorschläge. In Sachen Atomenergie sind Sie eher zurückhaltend. Liegt das daran, dass mit Peter Reinhard in ihrer Fraktion ein führendes Mitglied als Axpo-Verwaltungsrat amtet oder liegt es daran, dass Energie- und Atompolitik nicht zu ihren persönlichen Kernthemen gehören?

In unserer Fraktion existieren mit dem bereits erwähnten Verwaltungsrat Peter Reinhard und mit dem Biobauern Gerhard Fischer zwei Pole mit sehr unterschiedlichen Prioritäten. Ich sehe meine Rolle in dieser Frage in der Fraktion eher als Brückenbauer. Es ist eine Stärke, dass die EVP mit zwei Ansichten lebt, die in der Bevölkerung real vorkommen und dass wir damit gut umgehen können. Die Energieversorgung muss weiterhin gewährleistet sein und die Energieplanung 2050 umgesetzt werden. Altes durch Neues ersetzen dort, wo es technisch machbar ist. Ausstieg und dafür Kohlekraft oder Kernenergie aus dem Ausland zu nehmen ist für mich aber ein No-go.

 

Was ist Ihre persönliche Kernkompetenz?

Von der Fähigkeit, Brücken zu bauen abgesehen, trieb mich in meiner beruflichen und politischen Arbeit das an, was sich mit dem Begriff Sozialunternehmertum zusammenfassen lässt. Mir geht es darum, Soziales, Bildung, Ökonomie und Ökologie miteinander zu verbinden: Praxis und Theorie gehören zusammen, Bildung und Wirtschaft auch, wie es ja in der dualen Ausbildung angewandt wird. Mir gelang es, dies ganz praktisch miteinander zu verbinden, und hier noch weitere Impulse zu setzen, ist mein grösster Antrieb, beruflich und politisch.

 

Kommen wir zur Leserfrage: Mehrere LeserInnen fragen zusammengefasst, wie Sie die Entwicklung der EVP sehen?

Die Partei ist eine vitale alte Dame, die seit knapp 100 Jahren konstant und meist gut lebt und für sich eine gute Zukunft sieht. Das Wertkonservative verhilft der EVP nicht nur im Kantonsrat zu Wertschätzung. Wir sind als Fraktion beliebt, man hört uns zu, und wir haben auch eine stabile Wählerschaft. Auch wenn es im Kantonsrat in der Fraktion derzeit anders aussieht, besitzen wir an anderen Orten (in Winterthur 80, im Nationalrat 100 Prozent) einen hohen Frauenanteil in den Parlamenten. Auch im Kantonsrat hatte die EVP schon 50 Prozent Frauenanteil. Das ändert eben immer wieder mal. Der doppelte Pukelsheim mit der 5-Prozent-Klausel verursacht uns zwar in der Stadt Zürich Kopfweh, aber bei den Kantonsratswahlen sehe ich weniger Probleme. In mindestens fünf Wahlkreisen erhalten wir mehr als die nötigen 5 Prozente, und ich bin überzeugt, dass wir eher gestärkt als geschwächt aus den Wahlen hervorgehen. Damit nicht alles nach Sonnenschein aussieht: In der mittleren Alterskategorie sind wir derzeit eher schwach besetzt. Aber es kommen Junge nach.

 

Marcel Lenggenhager möchte von Ihnen Folgendes wissen: In den letzten Jahren ist die Zahl der kantonalen Angestellten und somit auch die der Personalkosten sehr stark angewachsen. Muss das personelle Wachstum in der Verwaltung gebremst werden? Wenn Ja, warum und wie, und wenn Nein, warum nicht, und wie sollen die steigenden Kosten bezahlt werden?

Ich finde die Frage so falsch gestellt. Entscheidend ist, was wir vom Staat für Leistungen fordern und in welchem Standard. Dieser Leistungskatalog führt unter anderem zu Personalkosten, die logischerweise dann bezahlt werden müssen. Selbstverständlich bin ich für eine effiziente Verwaltung, aber wenn wir sparen wollen oder müssen, geht dies über die Definition der Leistungen und nicht über das Personalbudget.

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