Wahlgespräch: Marcel Lenggenhager will traditionelle Werte bewahren

Jede Woche befragen wir eine(n) der Neukandidierenden für den Regierungsrat  zu einer aktuellen Frage. Diese Woche den BDP-Kandidaten Marcel Lenggenhager zur Situation des Finanzplatzes in Zürich. 

 

Der starke Franken, die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative und ein in der letzten Woche wiederum bestätigter zweifelhafter Ruf von etlichen Banken erleichtern die Zukunft des für Zürich wichtigen Finanzplatzes keineswegs. Wo sähen Sie als Regierungsrat Handlungsbedarf?

Marcel Lenggenhager: Die direkten Einflussmöglichkeiten eines Regierungsrats sind hier wegen der Bundeskompetenz meines Erachtens eher beschränkt. Suchen würde ich das Gespräch mit den Unternehmen und mit Verbänden. Eventuell könnte man die Regierungsdirektorenkonferenz dazu bringen, deutlich zu sagen, was wir wollen und was nicht. Dabei finde ich es wichtig, dass wir keine Angst vor der Zukunft haben. Die immer wieder geäusserten Befürchtungen, beim Einfordern des Einhaltens der notwendigen Regeln würden wir durch den Wegzug von Banken und Kundengeldern viele Steuereinnahmen verlieren, sollten wir zwar ernst nehmen, aber ihnen auch mit einem gesunden Selbstvertrauen begegnen. Wir haben neben günstigen Steuern andere Trümpfe in der Hand: ein sehr gutes Bildungssystem, eine erträgliche Verteilung der Soziallasten, politische Stabilität, eine gute Infrastruktur und kurze Wege. Grundsätzlich sehe ich uns auf einem guten Weg. Wir schufen mit den neuen Regeln die Basis für die Zukunft. Im Falle der HSBC-Bank zeigt sich doch auch deutlich, dass einige wenige noch immer nicht begriffen haben, dass unsaubere Geschäfte nicht mehr opportun sind.

 

Verwundert Sie das?

Ja und nein. Einerseits staune ich, dass einige Grundsätzliches noch nicht realisierten: Was vor 10 Jahren den gängigen Regeln und Gesetzen entsprach, die auch von den USA und anderen zumindest stillschweigend geduldet wurden, geht heute nicht mehr und wird zurecht bestraft. Betrachte ich anderseits die grossen globalen Institutionen, erstaunt es mich weniger. Angelsächsische Manager, die unsere Schweizer Tugenden nicht verinnerlicht haben, führen sie. Mit ihnen ist eine ganz auf Profit getrimmte Generation von Bankern am Ruder. Hier benötigen wir einen Sinneswandel, der bei der Ausbildung beginnt. So galt noch während meiner Ausbildung: Kam in einer Arbeit das Wort «Shareholder Value» nicht mehrmals vor, erhielten wir keine gute Note. Heute gehört «Shareholder Value» beinahe zu den Schimpfwörtern. Diesen Wandel realisierte ein Teil der Manager-Generation bisher kaum.

 

Mit Geld aus Steuerflucht, aus dem Drogen- und Waffenhandel lässt sich sehr gutes Geld verdienen. Die Versuchung, sich davon, wenn nötig auch mit kriminellen Methoden, etwas zu sichern, dürfte für einen Teil der Bänker immer gross sein?

Das trifft wohl zu. Bei jedem neuen Gesetz zur Verhinderung von unsauberen Geschäften suchen einige zu ihrem Vorteil sofort die Umgehungslücken. Aber ich sehe, dass viele Banken viel unternehmen, um nicht in diese Falle zu geraten. Wobei auch sie Opfer von Kriminellen werden können. Bei der HSBC-Bank glaube ich allerdings nicht daran, dass ihre Verantwortlichen wirklich hinsahen. Ich wehre mich indes gegen die Tendenz, alle in einen Topf zu werfen, vor allem, wenn sie eine bestimmte Grösse haben. Mittelgrossen Banken gelingt es trotz Schwierigkeiten, neues sauberes Geld zur Verwaltung zu erhalten.

 

Ich bin für Regeln, die die Annahme von unsauberem oder nicht versteuertem Geld erschweren.

 

Woher wissen Sie, dass dieses Geld sauber erwirtschaftet wurde? Oder besser gefragt, wann werden Sie misstrauisch?

Wenn der Gewinn unerwartet und rasch kommt, ist ein genaues Hinschauen angebracht. Starke Ausschläge und heftige Bewegungen deuten oft auf Schwarzgeld hin. Das wissen die Banken selber. Ich hoffe und bin überzeugt, dass die meisten bei der Entgegennahme von Geld aufpassen. Einige werden der Gier nicht widerstehen, so wie andere immer auch wieder Einbrüche oder Gewalttaten begehen.

Ich bin für Regeln, die die Annahme von unsauberem oder nicht versteuertem Geld erschweren. Nur dürfen wir nicht Einzelfiguren zum Massstab nehmen. Ich vertraue, dass unsere Banken das Bestmögliche aus der Situation machen und dass die Politik die Regulierungen so gestaltet, dass die Systeme korrekt funktionieren und überprüft werden können.

 

Das Fehlen von Fachpersonal gehört zu den grossen Klagen. Die Beschränkung der Einwanderung vereinfacht dies nicht?

Ein Hauptproblem sehe ich darin, dass viele unserer grossen Betriebe auch im Personalbereich von ausländischen Managern geführt werden, die unser System nicht verstehen. Vor allem ist ihnen die Berufslehre fremd. Kommt man nicht von der Universität, ist man bei ihnen nichts wert.

Den Weg, den ich ging, von der abgeschlossenen Lehre und der Weiterbildung nach einigen Jahren der Praxis, kennen viele Unternehmen gar nicht mehr. Der Weg von unten, also von der Lehre an die Spitze, gehört nicht mehr zu den möglichen. Insofern verurteile ich in diesem Bereich das Bologna-System, weil es zum Beispiel für immer mehr Berufe eine Matura verlangt; nur damit wir europakompatibel sind. Ich vertrete die Meinung, dass wir unser Fachpersonal über die traditionelle Berufslehre eindeutig besser erhalten. Ins Gymnasium gehören nur die absolut Besten, der Durchschnitt sollte auch in Zukunft eine Berufslehre mit den Weiterbildungsmöglichkeiten absolvieren.

Wir müssen auch das Potenzial der älteren ArbeitnehmerInnen besser nutzen und bei der Zuwanderung gut zwischen notwendig und kurzfristig rentabel unterscheiden. Ich stellte auch fest, dass ich Deutsche zu einem um gut 1000 Franken tieferen Lohn einstellen könnte. Ich verzichtete: Auch weil bei meiner handwerklichen Kundschaft der ‹Dialekt› nicht unbedingt gut ankommt.

 

Damit wäre ich bei der Leserfrage. Einer fragt, ob Sie sich darüber ärgern, dass Silvia Steiner und nicht Sie im Fünferticket sind oder warum ein Sechserbündnis nie zur Diskussion stand?

Ich regte mich zuerst darüber auf, dass meine Unterstützung gar nicht ernsthaft diskutiert wurde, ungeprüft und mit Scheinargumenten nicht in Frage kam. In der Zwischenzeit und auch gemäss meinem Naturell, Fakten zu akzeptieren, bin ich froh, dass ich blockfrei kandidiere und so ohne Hemmungen sagen kann, was ich und meine BDP denken.

 

Frau Steiner fragt Sie, was sie konkret zur Senkung der Fallzahlen bei häuslicher Gewalt unternähmen?

Ich würde für diese Gesellschaftsfrage die Aufmerksamkeit der Umgebung stärken. Da bei häuslicher Gewalt die Symptome oft frühzeitig erkannt werden könnten, sehe ich eine Stelle, bei der etwa LehrerInnen Beobachtungen deponieren oder sie Rat holen könnten, als eine Möglichkeit. Allerdings ohne dass die Verhinderung von häuslicher Gewalt zu einer zentralen Aufgabe der Lehrerschaft wird. Zudem glaube ich, dass Familien und Nachbarschaften, die sich um einander kümmern, die Gefahr verkleinern und es sich somit lohnt, dafür gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Zuletzt bleibt halt nur noch das schärfere Strafrecht für die Täterschaft übrig.

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