Wärmepumpe leasen statt Ölheizung kaufen

Letzte Woche stellte Baudirektor Martin Neukom (Grüne) an einer Medienkonferenz seinen «Klima-Deal» vor. Wie der Kanton damit seinem neuen Ziel von Netto Null CO2-Emissionen bis 2050 einen grossen Schritt näher kommt, erklärt Martin Neukom im Gespräch mit Nicole Soland.

 

Am 8. Mai, als Sie den Medien Ihr neues Energiegesetz präsentierten, waren Sie genau ein Jahr und zwei Tage im Amt: Absicht oder Zufall?

Martin Neukom: Zufall – aber ein schöner, finde ich. Denn auch wenn zurzeit das Corona-Virus für Schlagzeilen sorgt, und obwohl es einige Zeit dauern wird, bis wir uns von den wirtschaftlichen Konsequenzen erholt haben, dürfen wir eines nicht vergessen: Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen werden wir irgendwann hinter uns lassen, der Klimawandel aber bleibt. Wir müssen dem Klimaschutz deshalb auch in diesen besonderen Zeiten die volle Aufmerksamkeit schenken. Ich hätte das Gesetz am liebsten schon früher gebracht, doch das war leider nicht möglich.

 

Weshalb?

Der ganze Prozess, vom Ideen sammeln übers Konzepte schreiben bis zum Führen von Gesprächen mit WissenschaftlerInnen, Parteien, Verbänden wie dem Hauseigentümerverband etc. dauerte seine Zeit. Danach folgte die Arbeit in und mit der Verwaltung, das Ausloten, was möglich ist und was nicht. In der Verordnung, die das Gesetz begleitet, musste ebenfalls alles sorgfältig ausformuliert sein, damit es schliesslich so herauskommt, wie wir es uns gedacht haben. Nach dem Abschluss dieser Arbeiten musste der Text noch an die Redaktionskommission und an den Gesetzesdienst. Weil das Gesetz sodann in den Kantonsrat und an die Öffentlichkeit kommt, habe ich mir aber die nötige Zeit auch bewusst genommen: Im Nachhinein zurückkrebsen oder etwas ändern zu müssen, weil man etwas übersehen oder eine Überlegung nicht zu Ende gedacht hat, wäre nicht nur peinlich, sondern möglicherweise gar kontraproduktiv.

 

Der Klimaschutz ist tatsächlich eine langfristige Aufgabe: Schon 1985, anlässlich der Demos gegen das Waldsterben, war die Botschaft nicht neu, dass mehr für den Klimaschutz getan werden muss. Sie haben letzte Woche vor den Medien selbst gesagt, wir hätten viel Zeit verloren: Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass es nun endlich klappt?

Ein Gesetz zu verabschieden dauert wie gesagt seine Zeit. Doch ich habe vor den Medien auch noch auf etwas anderes hingewiesen, auf einen wichtigen Paradigmenwechsel: Das Ziel des Zürcher Regierungsrats im Klimabereich lautet neu nicht mehr bloss, den CO2-Ausstoss bis 2050 auf 2,2 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr zu senken. Das Ziel lautet neu «Netto Null bis 2050». Nochmals: Nicht 2,2 Tonnen, sondern Null!

 

Zum Inhalt des neuen Gesetzes: Was ist der ‹Knüller› daran?

Mein Klima-Deal bringt die HauseigentümerInnen dazu, ihren Blick auf den Lebenszyklus ihrer Heizung zu richten statt bloss auf die reinen Investitionskosten. Das ist der Hauptpunkt meines Gesetzesentwurfes – und obendrein dringend nötig. Bei den Neubauten stehen wir schon relativ gut da, sie werden in der Regel gut isoliert und nur noch in seltenen Fällen fossil beheizt. Die Herausforderung liegt im Bestand: Noch sind im Kanton Zürich 120 000 Öl- und Gasheizungen in Betrieb. Die müssen wir sanieren, und zwar bald. Der Gesetzesentwurf enthält deshalb folgende Forderung: Öl- und Gasheizungen dürfen nur noch durch Öl- und Gasheizungen ersetzt werden, wenn eine Wärmepumpe mehr als fünf Prozent teurer wäre – und zwar bezogen auf die gesamte Lebensdauer. Im Gegenzug machen wir den HauseigentümerInnen ein Angebot: Im Rahmen des ausgebauten Förderprogramms subventioniert der Kanton Zürich den Einbau von Wärmepumpen.

 

Selbst mit der geplanten Subvention in der Grössenordnung von 15 Prozent der Kosten einer Wärmepumpe ist eine solche in der Anschaffung immer noch zwei- bis dreimal teurer als der Ersatz einer alten Ölheizung durch eine neue. Was machen HauseigentümerInnen, die sich die Mehrkosten nicht leisten und auch ihre Hypothek nicht aufstocken können?

Unser Modell führt dazu, dass es interessant wird, eine Wärmepumpe zu leasen. Dieses sogenannte Energie-Contracting funktioniert folgendermassen: Das Energieunternehmen sorgt für Lieferung, Installation, Wartung und Unterhalt der Anlage. Die Hauseigentümerin erhält regelmässig überschaubare Rechnungen für diese Dienstleistung und muss sich ansonsten um nichts kümmern. Der teure Wärmepumpen-Kauf entfällt und damit auch die Notwendigkeit, mehrere zehntausend Franken auf der hohen Kante zu haben oder seine Hypothek erhöhen zu müssen. Gleichzeitig fördert es die lokale Wirtschaft, denn es bringt in diesen schwierigen Zeiten den Gewerbebetrieben Aufträge.

 

Welches sind die weiteren Schwerpunkte des neuen Gesetzes?

Neubauten müssen so ausgerüstet werden, dass sie einen Teil der benötigten Elektrizität selber erzeugen, zum Beispiel mit einer Photovoltaikanlage. Neue Heizungen dürfen an ihrem Standort keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen mehr verursachen. Bei bestehenden Gebäuden wird zudem das öffentliche Interesse an energetischen Verbesserungen und an Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien viel stärker betont als bisher. Das erreichen wir mit einer Änderung im Zweckartikel des Energiegesetzes. Damit haben EigentümerInnen von denkmal- oder ortsbildgeschützten Gebäuden bessere Karten, wenn sie beispielsweise eine Photovoltaikanlage montieren möchten. Eine weitere Neuerung für bestehende Gebäude besteht darin, dass elektrische Heizungen, die eigentliche Stromfresser sind, ab 2035 verboten sind. 

 

Welche dieser Massnahmen schenkt am meisten ein?

Der Heizungsersatz bringt sicher am meisten, nämlich eine markante Reduktion des CO2-Ausstosses: Die Änderungen im Gesetzesentwurf beinhalten die wirksamsten Klimaschutzmassnahmen, die der Kanton Zürich in eigener Kompetenz umsetzen kann. Aber auch die Verpflichtung zur Stromerzeugung vor Ort ist wichtig. Sie ist eine wirksame Anschubmassnahme für die stärkere Nutzung der Solarenergie. Das Potenzial für die Produktion von Solarstrom auf Dächern oder an Fassaden ist gross und wird zurzeit noch zu wenig genutzt. Dabei lässt sich Solarstrom durchaus so produzieren, dass es sich rentiert: Das ist dann der Fall, wenn nicht der ganze Strom einfach ins Netz eingespiesen, sondern ein Teil davon vor Ort verbraucht wird – beispielsweise für den Betrieb der Wärmepumpe.

 

Ist der Verbrauch vor Ort nicht vor allem deshalb nötig, weil zu viel überschüssiger Strom, der ins Verteilnetz eingespiesen würde, dieses zusammenbrechen liesse?

Nein, das Verteilnetz in der Schweiz ist zurzeit noch in einem guten Zustand. Aber der Strombereich ist der Schlüssel zu mehr Klimaschutz.

 

Inwiefern?

Wir müssen massiv mehr Solaranlagen bauen. Was im Gesetzesentwurf drin ist, reicht nämlich noch nicht, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. Gleich mit der ganz grossen Solar-Kelle anzurichten war dennoch kein Thema: Einen grösseren Anteil Solarenergie zu fordern, ist aktuell wohl noch nicht mehrheitsfähig.

 

Bis das Gesetz die Beratung im Kantonsrat und eine allfällige Volksabstimmung überstanden hat, dauert es noch eine Weile. Dennoch können die HauseigentümerInnen die erwähnten Subventionen für eine Wärmepumpe bereits ab dem 1. Juli beantragen. Wie ist das möglich?

Das Förderprogramm ist keine Neuerfindung von mir, es existiert schon lange, wurde nun aber ausgebaut: Der Kantonsrat hat in seiner ersten ‹Corona-Sitzung› am 30. März den Rahmenkredit 2020 bis 2023 in der Höhe von 33 Millionen Franken einstimmig gutgeheissen. Damit machte er zusätzliche Mittel aus der CO2-Abgabe des Bundes verfügbar. Total stehen deshalb bis 2023 rund 180 Millionen Franken zugunsten von Zürcher HauseigentümerInnen, die ihre Gebäude energetisch verbessern wollen, zur Verfügung. 21 Millionen Franken pro Jahr sind für den Ersatz von fossilen Heizungen und Elektroheizungen durch Anlagen mit erneuerbaren Energien sowie mit Abwärmenutzung reserviert.

 

Angenommen, die HausbesitzerInnen nehmen die Subvention für eine Wärmepumpe gern an – und sobald der Umbau fertig und die Pumpe in Betrieb ist, erhöhen sie die Mieten und lassen sich somit die Kosten teils doppelt vergüten. Was sieht das neue Gesetz dagegen vor?

Das Mietrecht sieht vor, dass Investitionen in energetische Gebäudesanierung an den Mieter überwälzt werden können. Wenn eine Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt wird, kann also die Miete angehoben werden. Gleichzeitig sinken aber die Nebenkosten, weil der Betrieb der Wärmepumpe deutlich günstiger ist. Das heisst konkret, dass durch das Gesetz die Mieten nicht stark ansteigen dürften. Wenn der Investor nun noch Fördergelder erhält von uns, dann darf der subventionierte Anteil dem Mieter nicht überwälzt werden. Dadurch profitieren auch die MieterInnen von der Förderung. Einzig bei Totalsanierungen können die Mieten stark ansteigen. Das hat aber nichts mit unserer Förderung zu tun, da die Totalsanierung wohl auch ohne Förderung umgesetzt würde, allenfalls energetisch etwas weniger gut. Wir haben geprüft, ob man die Fördergelder an die Bedingung knüpfen könnte, dass die Mieten nicht steigen dürfen, doch eine solche Verknüpfung wäre rechtlich nicht zulässig.

 

Die Chancen, dass es vorwärts geht mit dem Klimaschutz, scheinen also besser zu sein als auch schon: Warum stehen dabei ausgerechnet Wärmepumpen und Solarstrom im Mittelpunkt?

Der Gebäudebereich ist der einzige Bereich, in dem sich bereits erfolgreich die Emissionen senken liessen. Schweizweit sank der CO2-Ausstoss in den letzten Jahren markant, von 16,7 Mio. Tonnen im Jahr 1990 auf 12,6 Mio. Tonnen im Jahr 2018 – neuere Zahlen gibt es dazu noch nicht. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte lautet, dass es auf diesem Gebiet immer schwieriger wird, weitere Fortschritte zu erzielen. Denn die einfachen Fälle sind unterdessen praktisch abgearbeitet. Nun gilt es, die anspruchsvollen in Angriff zu nehmen, und gleichzeitig müssen wir auch noch das Tempo erheblich steigern, denn das Ganze dauert einfach zu lange. Fakt ist aber auch, dass in den letzten zwei Jahren schon viel passiert ist in der politischen Akzeptanz von Klimaschutzmassnahmen. Die Vorlage für ein neues Energiegesetz, die nun an den Kantonsrat geht, hätte vor zwei Jahren tatsächlich noch keine Chance gehabt.

 

Für Wärmepumpen braucht es Subventionen – neue Benzin- und Dieselautos sind zwar auch nicht gerade billig, werden aber offensichtlich auch ohne Zustupf gekauft: Wann wird die CO2-Reduktion beim motorisierten Individualverkehr ein Thema?

Wir als Kanton haben diesbezüglich wenig Möglichkeiten: Für den motorisierten Individualverkehr ist der Bund zuständig. Ich glaube aber, dass es auf Bundesebene grosse Fortschritte geben wird im Bereich Mobiltät. Im Kanton können wir aber den Velo- und Fussverkehr fördern und mit guter Planung Städte schaffen, in welchen alles Nötige in kurzer Zeit per Fahrrad erreichbar ist.

 

Kommen wir zum Schluss: Mit welchen Gefühlen schicken Sie ‹Ihr› Gesetz in die Kommissionsberatung im Kantonsrat?

Ich bin zuversichtlich, dass es gut aufgenommen wird, und hoffe, dass die Beratungen zügig vorankommen. Anhand der ersten Reaktionen sieht es jedenfalls gut aus: Der Gesetzesentwurf stösst bei den meisten Fraktionen auf Anklang.

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