Wachstum bewältigen
Der Zürcher Finanzvorsteher Daniel Leupi orientierte die Medien über die Strategie seines Departements, die er zusammen mit seinen AbteilungsleiterInnen und seinem Stab jährlich erarbeitete und die für alle transparent sein sollen.
Das Finanzdepartement ist selbstverständlich bei den Finanzen der Stadt Zürich federführend und insofern sind sie zwangsläufig eine zentrale Aufgabe von Daniel Leupi und seinem Team. Eine Aufgabe, die Zeit, Energie sowie Diplomatie im Umgang mit den MitstadträtInnen und mit einem sehr ausgabefreudigen Parlament kostet. Trotzdem dürfte Daniel Leupi in dieser Beziehung ein recht glücklicher Finanzvorsteher sein. Seit er für die Finanzen zuständig ist, schreibt die Stadt nur noch schwarze Zahlen. Auch 2022, obwohl ein Defizit in der Grössenordnung von 150 Millionen Franken budgetiert war. Den genauen Abschluss kannte er bei der Medienorientierung noch nicht, aber wenn er sagt, dass die Rechnung 2022 mindestens mit einer schwarzen Null abschliessen werde, kann man davon ausgehen, dass das definitive Ergebnis anständig ausfallen wird und die Stadt ihre Schulden nochmals etwas reduzieren kann.
Selbstverständlich sind diese guten Ergebnisse nicht nur (aber auch) der guten Konjunktur geschuldet. Daniel Leupi trägt mit seiner unaufgeregten Art, der Konstanz bei der Ausgabendisziplin (auch wenn dies die Bürgerlichen sehr anders sehen) und dem Kämpfen für die Beibehaltung der Einnahmen, aber auch und vor allem mit Investitionen in die Infrastrukturen dazu bei, dass es für Firmen und Private attraktiv ist, in der Stadt zu arbeiten und zu wohnen. Dies gelang bekanntlich in den letzten Jahren fast zu gut. Zürich erlebt einen Boom, der sich bei aller Förderung des Wohlstandes und auch der Lebensqualität vor allem in zwei Bereichen negativ auswirkt: Bezahlbare Wohnungen sind in der Stadt ein immer mehr gesuchter Artikel und auch der Stadt fehlen Fachkräfte. Und zwar nicht das Geld, um sie anzustellen, sondern in einigen für eine Stadt zentralen Berufen wie IT, aber vor allem Lehrkräfte und Gesundheitspersonal sind derzeit einfach nicht genügend vorhanden, die die Abgänge in die Pension kompensieren. Das Abwerben hat dabei seine Grenzen: Das Triemlispital könnte möglicherweise mit höheren Löhnen dem Universitätsspital PflegerInnen abwerben. Nur: Ein Universitätsspital mit noch weniger Personal schadet den EinwohnerInnen der Stadt Zürich genauso wie ein Triemli mit Personallücken.
Bevor ich in der Berichterstattung näher darauf eingehe, noch eine Zusammenfassung der Finanzen. Die Situation ist nicht nur in den Augen von Daniel Leupi so, dass die Stadt so viele Reserven besitzt, dass sie einige magere Jahre überstehen kann, ohne dass sie zu drastischen Sparmassnahmen greifen müsste. Konkret wächst die Stadt weiter und sie kann ihre bereits heute sehr tragbaren Schulden weiter abbauen.
Es liegt auf der Hand, dass in dieser Situation die Frage nach einer Steuerfusssenkung kommt. Daniel Leupi findet diese derzeit höchstens die zweitbeste Alternative. Bei Treffen mit WirtschaftsvertreterInnen sei der Steuerfuss kaum je ein Thema, die Leistungen für die bezahlten Steuern seien für sie in Ordnung. Ein weiterer Abbau der Schulden und der Ausbau und Erhalt der Infrastrukturen samt der Anpassung an die Klimastrategie nütze der Stadt mehr als eine Steuerfusssenkung. Die Stadt sei attraktiv, ja beinahe zu attraktiv, und in dieser Situation mache es keinen Sinn, das Wachstum mit kaum verlangten Steuersenkungen weiter anzuheizen. Selbstverständlich existieren Firmen und auch Privatpersonen, denen der Steuerfuss zentral ist. Nur für diese wäre auch ein gesenkter Steuerfuss gegenüber den Tiefsteuerkantonen und -gemeinden immer noch zu hoch.
Nachfrage ist zu gross
Das grösste Problem in der Stadt sind auch für das Finanzdepartement, das hier zuständig ist, die durchschnittlich teuren Wohnungen im Angebot und die Schwierigkeiten, die zur Erreichung des Drittelanteils an städtischen und genossenschaftlichen Wohnungen auf der Basis der Kostenmiete zu überwinden sind. Derzeit sind rund 1000 städtische Wohnungen im Bau oder in Planung (Thurgauerstrasse, Kochareal als Schwerpunkte), aber das reicht nicht, um die Nachfrage nach zahlbaren Wohnungen zu befriedigen. Die Stadt hat auch zwei Fachleute angestellt, die den Immobilienmarkt nach Kaufmöglichkeiten absuchen. Nur, es wird in der Stadt praktisch nur von Privaten wenig angeboten und oft ist es so teuer, dass ein Kauf illusorisch wird. Hier wird der vom Gemeinderat am Mittwoch beschlossen Wohnraumfonds (Bericht dazu in diesem P:S. auf der Seite 5) sicher etwas Abhilfe schaffen. Was die Situation aber wirklich schwierig macht, ist, dass die von Privaten und oft auch von Institutionellen gebauten und angebotenen Wohnungen so teuer sind, dass mittlere Bankangestellte sie sich kaum mehr leisten können. Anderseits gibt es aber immer noch genügend Personen, die sich diese Wohnungen leisten können oder leisten müssen. Mit Verdichten kann man mehr Wohnraum schaffen, aber zumindest kurzfristig wird die einzelne Wohnung teurer und solange sehr teure Wohnungen Absatz finden, besteht wenig Anreiz, günstigere zu bauen oder zu vermieten.
Daniel Leupi verspricht sich von der neuen Vermietungspraxis der städtischen Liegenschaften eine leichte Zunahme der Belegungsziffern und damit eine leichte Entspannung. Helfen würde eine Revision der Lärmschutzbelastung. Was bei der Verhinderung der Brunau-Neuüberbauung nützlich war, erweist sich bei genossenschaftlichen und auch städtischen Verdichtungsprojekten derzeit als Bauverhinderung. Was fehlt, und das ist von mir und nicht von Daniel Leupi, sind Private wie Göhner in den 1970er-Jahren, die im grossen Stil etwa in Volketswil Wohnblöcke für Angestellte mit normalem Lohn hochzogen und damit auch Geld verdienten. Es braucht derzeit sogar weniger ganz günstige Wohnungen als solche in der Dimension zwischen 2000 und 3000 Franken. Konzentrieren sich die Privaten zu sehr auf das oberste Segment oder versuchen sie das Maximum statt eines normalen Gewinns herauszuholen, zwingen sie die Stadt und zunehmend auch die Agglomerationsgemeinden, für zahlbaren Wohnraum zu sorgen. Was nicht nur gut ist.
Selbstverständlich gehören zu den zentralen Anliegen des Finanzdepartements die Massnahmen zur Klimaverbesserung, wo ein strukturiertes Programm zur Sanierung der Heizungen oder der Ersetzung der Benziner existiert. Beim Personal, wo das städtische Reglement die Angemessenheit der Löhne mit Vorteilen bei den unteren bis mittleren Löhnen und einer Deckelung oben sichert, sollen die Grundsätze der Lohngerechtigkeit gewahrt bleiben, also nicht ein Tausender mehr geboten werden, wenn man gerade dringend jemand braucht. Mit der flexibleren Pensionierung sieht er ebenso noch Möglichkeiten, wie beim besseren Ansprechen von HochschulabgängerInnen. Bei den Lehrberufen steht die Stadt gut da. Um es nicht zu vergessen: An der Digitalisierung und an der Datensicherheit arbeitet das Finanzdepartement kräftig mit.
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