Bild: Hannes Henz

Von Wohnraum bis Veloweg

Der Zürcher Gemeinderat zieht der Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» der SP den direkten Gegenvorschlag vor. Ausserdem gaben mal wieder Velowege zu reden.

An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend stand die Volksinitiative «Bezahlbare Wohnungen für Zürich» im Mittelpunkt. Die SP hatte sie am 15. März 2022 eingereicht. Der Stadtrat lehnte die Initiative ab und präsentierte einen direkten Gegenvorschlag. Kommissionssprecher Simon Diggelmann (SP) erklärte, die Mieten hätten sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt. Man müsse deshalb mehr tun, um den Anteil der gemeinnützigen Wohnungen zu erhöhen: Die Stadt und ihre Stiftungen sollten mehr Wohnraum erwerben und damit die Umsetzung des bereits 2011 beschlossenen Drittelsziels ergänzen. Dies soll unter anderem mittels der Erhöhung der Beiträge an die städtischen Wohnbaustiftungen passieren: Die Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich (PWG) und die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW) sollen je 100 Millionen Franken erhalten und die Stiftungen Wohnungen für kinderreiche Familien (SWKF) sowie Einfach Wohnen (SEW) je 50 Millionen. Letztere war in der Initiative noch nicht genannt. Weiter sollen die Stiftungen auch Bürgschaften und Darlehen für den Kauf von Wohnungen erhalten können.

Nun als Sprecher der SP und damit der Minderheit stellte Simon Diggelmann den Änderungsantrag seiner Fraktion vor: Die SP könne ja nicht gut ihre eigene Initiative ablehnen, sagte er. Deshalb schlug sie vor, die Volksinitiative solle nicht abgelehnt, sondern ihr sollte zugestimmt werden. Gleichzeitig betonte er, dass die Verwaltung «wichtige Punkte der Initiative sehr gut aufgenommen» habe und dass es eine Mehrheit für den Gegenvorschlag gebe.

Für die Mehrheit, welche die Annahme der Initiative ablehnte, erklärte Hans Dellenbach (FDP), was die SP hier biete, sei «reine Show», denn sie präge die Politik in der Stadt seit Jahren und könne im Gemeinde- wie im Stadtrat ändern, was sie ändern wolle, dafür brauche sie keine Volksinitiative. Zudem kaufe die Stadt jetzt schon zu viel und erst noch zu teuer und konkurrenziere damit die Privaten, und nur mit Kaufen allein gebe es nicht mehr bezahlbare Wohnungen.

Die AL verlangte mittels eines Begleitpostulats, dass sich mit dem gemeinnützigen auch der Bestand von subventionierten Wohnungen stetig erhöhen solle und dass der Stadtrat prüfe, «wie sich auch Wohnbaugenossenschaften an diesem Ziel verpflichtend beteiligen». Patrik Maillard (AL) sagte, die Anzahl subventionierter Wohnungen sei seit den 1980er-Jahren stetig gesunken. Mit Verweis auf die Wohndemo von letzter Woche (siehe auch Seite 6) fügte er an, auch Genossenschaften, die ihr Land teils sehr günstig bekommen hätten, sollten sich einsetzen, dass bei ihnen auch der «untere Mittelstand bis Mittelstand» wohnen könne. Den Ablehnungsantrag der SVP begründete Samuel Balsiger damit, das Postulat sei «reine Symptombekämpfung», denn das Hauptproblem sei die «masslose Zuwanderung».

In der gemeinsamen Debatte zu Gegenvorschlag und Postulat sagte Christian Traber (Die Mitte), die Mitte-/EVP-Fraktion anerkenne den wohnpolitischen Grundsatz und das Drittelsziel, doch Stadt- und Gemeinderat schafften es nicht, dem Ziel näher zu kommen. Mit mehr Mitteln allein entstünden keine neuen Wohnungen, so werde nur der Markt angeheizt. Deshalb lehne seine Fraktion Initiative wie Gegenvorschlag ab. Serap Kahriman (GLP) sagte, auch ihre Fraktion anerkenne das Drittelsziel, frage sich aber, welche Instrumente es brauche, um ihm näher zu kommen. Darlehen seien heute schon möglich, und zudem sei erst kürzlich ein Wohnraumfonds geschaffen worden, kurz: Auch ihre Fraktion lehne beides ab. Zur Initiative fügte Patrik Maillard an, er habe etwas gegen «populistische Schnellschüsse», doch mit dem Gegenvorschlag könne seine Fraktion leben. Auch die Grünen seien für den Gegenvorschlag, sagte Martin Busekros und hob die Kapitalerhöhung um total 300 Millionen Franken für die vier Stiftungen hervor. Die Initiative jedoch lehnten sie ab.

Matthias Probst (Grüne) gab zu bedenken, dass es gemäss den aktuell geltenden Regeln bereits nicht mehr möglich sei, subventionierte Wohnungen zu bauen, wenn der Boden 4000 Franken pro Quadratmeter koste, was in Zürich «ein Schnäppchen» wäre: Die Genossenschaften könnten nicht mehr subventionierte Wohnungen bauen, selbst wenn sie möchten. Zum Begleitpostulat stellte er deshalb den Änderungsantrag, im Satz zur Beteiligung der Wohnbaugenossenschaften das Wort «verpflichtend» zu streichen. Patrik Maillard erklärte, die AL nehme die Textänderung an. Florian Utz (SP) betonte, angesichts der Mietpreissteigerungen der letzten 20 Jahre werde heute zunehmend der Mittelstand aus der Stadt verdrängt. Die SP wäre bereit, die Initiative zurückzuziehen, fügte er an. Stadtrat Daniel Leupi sagte, der Gegenvorschlag sei die «maximal reduzierte» Variante, doch auch die Initiative wäre «kein Wundermittel, denn es gibt keines». Es kämen sehr unterschiedliche Menschen in die Stadt, und es gelte für jene ein Angebot zu schaffen, die auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt seien.

Weil zum Antrag des Stadtrats nur eine einzige Änderung vorlag, nämlich jene der SP, der Initiative zuzustimmen, wurde nur darüber abgestimmt: Wer für die Mehrheit war, also die Initiative ablehnen wollte, stimmte Ja, die anderen Nein, womit als Resultat «alle gegen die SP» zu erwarten war, doch das Ergebnis lautete 63 Ja gegen 46 Nein – auch die SVP stimmte für die Initiative. Ob ihre Mitglieder einfach nicht aufgepasst hatten oder aus lauter Gewohnheit den Nein-Knopf drückten? Wie auch immer: Die Vorlage geht nun an die Redaktionskommission, die Schlussabstimmung folgt später. Das geänderte Postulat kam mit 60 gegen 52 Stimmen (von SVP, FDP, Mitte-/EVP und GLP) durch.

Kein Platz fürs Velo

Anschliessend kamen Vorlagen und Vorstösse aus dem Tiefbau- und Entsorgungsdepartement zur Sprache, und es zeigte sich mal wieder, wie schwierig es ist, bessere Bedingungen fürs Velo zu schaffen. Eine Motion von Markus Merki (GLP) und Heidi Egger (SP) «betreffend Umsetzung der Velohauptroute vom Bahnhof Oerlikon bis zum Seebacherplatz» stand zur Abschreibung an. Heidi Egger führte aus, dass die Strasse 2010 totalsaniert wurde – samt Velomarkierung auf dem Trottoir, was 2019 aufgrund eines Rechtsgutachtens so geändert wurde, dass heute nur noch eine Signalisierung für Fussgänger:innen angebracht ist und ein Schild mit dem Hinweis «Velo gestattet». Oder anders gesagt: Für die Velos hat es mal wieder «leider keinen Platz» (siehe dazu auch Seite 15). Heidi Egger anerkannte die grosse Arbeit der Verwaltung für zwei Lösungsvorschläge, doch beide seien «nicht zufriedenstellend». Die Umsetzung der Motion sei so nicht möglich, es könnten nur «kleine Verbesserungen» gemacht werden wie zum Beispiel bei der Tankstelle ein paar Parkplätze aufzuheben, um die Sicherheit der Velofahrer:innen zu erhöhen. Dass die SVP daran keine Freude hatte, versteht sich von selbst. Sie wollte den Bericht zur Motion nur ablehnend zur Kenntnis nehmen, blieb aber damit allein, während die Abschreibung der Motion einstimmig erfolgte.