- Gemeinderat
Von Selbstlob bis Ratseffizienz
Die Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend war kürzer als üblich, weil einige Mitglieder an diesem Abend zu einer Kommissionsreise aufbrachen. Dafür begann sie zumindest für die Journalist:innen früher als sonst. Die überparteiliche Organisation Second@s Zürich hatte die Medien und die Parteien ins Rathaus Hard eingeladen: Sie fordert eine «gerechte Repräsentation» von Menschen mit Migrationshintergrund im Gemeinderat der Stadt Zürich, wie Monica Sanesi, Präsidentin Second@s Zürich, ausführte. Eine entsprechende Absichtserklärung war vorbereitet. Die Vertreter:innen von sechs der acht im Gemeinderat repräsentierten Parteien – EVP, GLP, Die Mitte, SP, Grüne und FDP – unterschrieben sie vor Ort.
Als Ziele sind in der Erklärung unter anderem der Einbezug von Menschen unterschiedlicher Herkunft und kultureller Hintergründe auf Wahllisten genannt oder eine «Repräsentation im Parlament, die die Vielfalt und Realität der Gesellschaft besser widerspiegelt». Vertreter:innen der sechs Parteien hielten zudem kurze Statements: Sie gingen bereits aktiv auf Menschen mit Migrationshintergrund zu, sagte Sandra Gallizzi (EVP). Sie hätten bereits interne Vorgaben gemacht, um eine möglichst breite Repräsentation zu erlangen, betonte Lisa Diggelmann (SP). Auch Anna-Béatrice Schmaltz und Eticus Rozas von den Grünen sagten, sie seien schon lange daran, auch Menschen mit Migrationshintergrund abzuholen.
Die SVP habe sich gegen das Mitmachen entschieden, weil das Thema für sie zwar wichtig sei, aber «kein Kriterium» sein solle, fügte Monica Sanesi an, und die AL setze sich «intern ein, will aber nicht in einer solchen Gruppe dabei sein». Der ‹Tages-Anzeiger›, der bereits online berichtet hatte, bevor die Veranstaltung im Rathaus Hard begann, schrieb hingegen, «die AL distanziert sich ausdrücklich, wie Co-Fraktionspräsident David Garcia Nuñez bestätigt. Die linke Partei stört sich daran, dass die Organisation Secondas ‹ihr Versagen im Zusammenhang mit dem Ausländerstimmrecht› bis heute nicht aufgearbeitet habe».
Damit ist der Absturz eines Vorstosses für ein fakultatives Stimm- und Wahlrecht für Ausländer:innen auf Gemeindeebene gemeint, dem vor bald zwei Jahren im Kantonsrat zwei Stimmen gefehlt hatten. Damals hatten sich zwei Vorstandsmitglieder von Second@s der Stimme enthalten.
«Die Referendumsdrohung hat gewirkt»
Damit zur Ratssitzung: Ein schönes Beispiel dafür, wie die SVP politisiert, zeigte sich bei der Behandlung des dringlichen Postulats von Samuel Balsiger, Roger Bartholdi und Yves Peier (alle SVP), mit dem sie die «unbürokratische Bewilligung von Public Viewings auf öffentlichem Grund» während des Eurovision Song Contests (ESC) 2025 forderten. Samuel Balsiger lobte sich und seine Partei dafür, mit dem Referendum gedroht zu haben, nachdem der Gemeinderat für die Bewerbung der Stadt Zürich als Austragungsort des ESC einen Rahmenkredit von 20 Millionen Franken bewilligt hatte (siehe P.S. vom 5. Juli 2024). Die Referendumsdrohung der SVP habe gewirkt, sagte Samuel Balsiger, das SRF habe «Angst bekommen», und nun finde der ESC in Basel statt, was gut sei: «Wir sind stolz darauf, den ESC in Zürich verhindert zu haben, aber wir wollen auch, dass jene, die hier mit dem ESC Geld verdienen wollen, das tun können. Schliesslich handelt es sich um einen kommerziellen Anlass, keinen politischen.»
Die Ablehnung der AL begründete Michael Schmid damit, seine Fraktion sei stets kritisch, wenn es darum gehe, den öffentlichen Grund kommerziell zu verwerten. Dieser sollte allen zur Verfügung stehen, nicht nur jenen, die erst Eintritt ins Public Viewing zahlen und dann auch noch acht Franken für ein Bier hinblättern wollten. Zum Thema «unbürokratische Bewilligung» fügte er an, Auflagen zu machen sei sinnvoll, damit beispielsweise der Brandschutz oder auch die Zufahrt für die Rettungsdienste gewährleistet seien. Nicolas Cavalli (GLP) fand, es müsse Wahlfreiheit herrschen: Wer gern an Public Viewings gehe, solle die Möglichkeit dazu haben. Mit 91 gegen 25 Stimmen (von AL und Grünen) überwies der Rat das dringliche Postulat.
Teilrevidierte Geschäftsordnung des Rats
Mit trockener Materie ging es weiter, konkret mit einer Teilrevision der Geschäftsordnung des Gemeinderats (GeschO GR). Hintergrund: Die letzte Totalrevision der Gemeindeordnung liegt noch nicht lange zurück (P.S. berichtete), die Stimmberechtigten hiessen sie am 13. Juni 2021 gut. Im Rahmen der Vorberatung – damals war die Covid-19-Pandemie aktuell – hatte der Rat einen Artikel aufgenommen, der festhielt, dass der Gemeinderat eine gesetzliche Grundlage für ein virtuelles Parlament in ausserordentlichen Lagen erlasse, wie in der Vorlage nachzulesen ist. Der Regierungsrat prüfte und genehmigte die revidierte Gemeindeordnung. Dann teilte die Direktion der Justiz und des Innern allen Zürcher Gemeindeparlamenten mit, dass es gemäss Regierungsrat des Kantons Zürich keine Ermächtigung im kantonalen Recht brauche, um in Notlagen digitale Parlamentsverhandlungen durchzuführen, und auch das Gemeindegesetz verlange keine solche Grundlage auf Stufe Gemeindeordnung. Eine rechtliche Grundlage im Organisationserlass des Parlaments, in Zürich also in der Geschäftsordnung des Gemeinderats, genüge.
Diese Grundlage zu schaffen, war der Auslöser der am Mittwoch behandelten Teilrevision. Es kamen aber noch weitere Anliegen und Anträge aus den Fraktionen dazu, was in eine Sammelvorlage mündete, die folgende drei Teilvorlagen umfasst: 1. Bestimmungen zum virtuellen Parlament, 2. Bestimmungen zur effizienteren Debattenführung im Rat und 3. organisatorische Anpassungen und Präzisierungen. Potenziell am interessantesten für Aussenstehende (insbesondere für Journalist:innen…) waren die Bestimmungen zur Ratseffizienz. Gestritten wurde dann etwa darüber, ob die Behandlung von persönlichen Vorstössen, die mehr als ein Jahr auf der Tagliste pendent sind, automatisch in Form einer reduzierten Debatte stattfinden soll. Das soll sie nicht, fand die AL, unterlag aber.
Bei den organisatorischen Anpassungen wiederum versuchte die FDP, Anliegen, mit denen sie bereits früher gescheitert war, erneut beliebt zu machen, allerdings erneut ohne Erfolg: Die Mehrheit folgte weder ihrem Minderheitsantrag, dass die Parlamentsmitglieder ihren Arbeitgeber offenlegen sollten, noch war sie dafür, dass die Sitzungsprotokolle zu Geschäften, die dem Referendum unterliegen, nach Abschluss der Kommissionsberatung veröffentlicht werden. Auch die Traktandenlisten der Kommissionssitzungen werden weiterhin nicht öffentlich gemacht, auch nicht «unter Vorbehalt des Geheimhaltungsbeschlusses gemäss Art. 59 Abs. 2». Nach erfolgter Beratung ging die Vorlage an die Redaktionskommission.