Von Koch-Aufwisch bis See-Anstoss

Der Zürcher Gemeinderat fordert mittels einer Motion eine Umzonierung zwischen der Werft Wollishofen und der Roten Fabrik, damit dort Freiräume statt Luxuswohnungen entstehen können.

Zum ersten Mal tagte der Zürcher Gemeinderat am Mittwochabend im Rathaus Hard in der Bullingerkirche. Der erste Unterschied zur letzten Sitzung vor den Sportferein war unübersehbar – und zwar draussen: Die vielen neuen Veloabstellplätze füllten sich rasch, während jeweils in Oerlikon viel weniger Plätze gut gereicht hatten. Zweiter Unterschied: Verglichen mit dem Provisorium in der Halle 9 macht dieser Saal optisch doch sehr viel mehr her (siehe Bild).

Wie nach ferienbedingten Unterbrüchen üblich, standen zuerst mehrere Fraktions- und persönliche Erklärungen an. Ein Fokus lag, wen wunderts, auf der Räumung des Koch-Areals beziehungsweise den Sprayereien, eingeschlagenen Scheiben etc., die nach der unbewilligten Demo vom 18. Februar zurückblieben. Für die FDP begrüsste es deren Fraktionschef Michael Schmid, «dass auch Gemeinderatsmitglieder aus dem linken Spektrum klar und unmissverständlich verurteilen». Doch mit Worten sei es nicht getan, «sondern es braucht auch eine kritische Reflexion der rotgrünen Politik und entsprechende Konsequenzen». Konkret: «Wir forden die rotgrüne Mehrheit in Stadtrat und Gemeinderat auf, den Tunnelblick und die ungleichen Massstäbe bei der Wahrnehmung und Bewertung von Gewalt in der Stadt Zürich zu überwinden.» In der Fraktionserklärung der SVP tönte das so: «Auf dem linken Auge blind: Stadtrat ist an der enormen Gewalt mitschuldig.» Ihr Sprecher Stephan Iten zählte zudem mehrere Forderungen seiner Fraktion auf: Die «Bekämpfung des Linksextremismus» müsse zu einem Legislaturschwerpunkt gemacht werden, hielt er fest, und jede Hausbesetzung sei innert 24 Stunden zu räumen. Für die AL beklagte Moritz Bögli hingegen «das Ende eines dringend benötigten Experiments». Die Co-Fraktionspräsidentin der Grünen, Monika Bätschmann, nahm die grüne Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart in Schutz und rief dazu auf, «kühlen Kopf zu bewahren». Sie stellte die jüngsten Ereignisse aber auch in einen grösseren Zusammenhang: «Schon lange stellt sich die Frage, welcher Nutzen der Boden- und Grundstücksmarkt für die Allgemeinheit noch hat.» Diese Frage übersteige jedoch die politischen Kompetenzen der Stadt «bei Weitem». Deshalb müssten «vorerst» auch «verantwortungsvolle Grundstück- und Liegenschaftenbesitzer:innen in der Stadt Zürich ihren Beitrag leisten». Die Fraktionen von SP, Grünen und GLP schliesslich ärgerten sich in einer gemeinsamen Erklärung noch über den «mutlosen Bericht zum Ausbau der Photovoltaik von Stadtrat Baumer» (siehe dazu auch P.S. vom 17. Februar).

Keine weiteren Luxuswohnungen

Von den traktandierten Geschäften gab an diesem Abend eine Motion der Fraktionen von Grünen und AL «betreffend Anpassung der Bau- und Zonenordnung (BZO) hinsichtlich einer Umzonung des Gebiets zwischen Werft Wollishofen und Roter Fabrik in eine Freihaltezone sowie in eine Industrie- und Gewerbezone» am meisten zu reden. Luca Maggi (Grüne) befand, eigentlich müssten alle einstimmig für diesen Vorstoss sein: 8000 Unterschriften verzeichne eine entsprechende Petition des Quartiervereins Wollishofen, und zwei Jahre lang hätten sich verschiedene Interessensgruppen in einem Echoraum ausgetauscht. Das Ergebnis sei «klipp und klar»: Es brauche dort mehr Grün- und Freiräume – Luxuswohnungen, wie sie bereits auf dem Areal der ehemaligen Franz-Garage im Bau seien, hingegen nicht. Dort koste eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung 4760 Franken, eine mit viereinhalb Zimmern 5310 Franken, sagte Luca Maggi. Auf dem Areal zwischen GZ Wollishofen und Roter Fabrik, das dem Bauunternehmen Kibag gehört, dürfe man «nicht dasselbe machen». Konflikte wären zudem vorprogrammiert, wenn der «Duft» vom Grillieren auf der Savera-Wiese in die Luxuswohnungen drängte oder draussen feiernde junge Leute nachts um halb zwölf die Musik lauter drehten, fügte er an. Stadtrat André Odermatt erinnerte daran, dass der Rat bereits 2019 eine entsprechende Motion überwiesen habe, deren Beantwortung sich aber wegen Corona verzögerte. Im Januar habe der Stadtrat zudem die Ergebnisse der Testplanung Wollishofen öffentlich gemacht, es brauche keine weitere Motion. Der Stadtrat möchte sie deshalb in ein Postulat umwandeln lassen. Der Gemeinderat sah das nach engagierter Debatte jedoch mehrheitlich anders: Mit 62:55 Stimmen überwies er den Vorstoss als Motion.

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