Bild: Hannes Henz

Von Josy bis Jugendgewalt

Der Zürcher Gemeinderat debattierte am Mittwochabend unter anderem über Kreislaufwirtschaft, Laubbläser und Jugendgewalt.

An der ersten Sitzung nach den Sportferien sprach sich der Zürcher Gemeinderat nach kurzer Debatte einstimmig dagegen aus, ein Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts ans Bundesgericht weiterzuziehen. Konkret ging es um eine Gestaltungsplanpflicht, die der Gemeinderat am 24. November 2021 im Rahmen einer Teilrevision der Bau- und Zonenordnung für das Gebiet Brunaupark/Üetlihof festgesetzt hatte. Die kantonale Baudirektion genehmigte die Festsetzung am 3. Oktober 2022. Die Pensionskasse der Credit Suisse Group (Schweiz) erhob dagegen Rekurs. Den hiess das Baurekursgericht des Kantons Zürich am 23. Juni 2023 gut. Der Gemeinderat erhob am 12. Juli 2023 Beschwerde ans Verwaltungsgericht. Es wies die Beschwerde am 19. Dezember 2024 ab. Wie der Sprecher der Geschäftsleitung, David Garcia Nuñez, ausführte, stellte das Verwaltungsgericht fest, das für die Festsetzung einer Gestaltungsplanpflicht erforderliche «wesentliche öffentliche Interesse» sei «nicht hinreichend gegeben». Die Geschäftsleitung spreche sich gegen den Weiterzug aus, weil das Urteil gut begründet sei und folglich eine Beschwerde an das Bundesgericht kaum Chancen auf Erfolg habe, schloss er.

Kein Kurz-Umzug

Mit einem Beschlussantrag verlangte die AL, dass die konstituierende Sitzung des Gemeinderats für das neue Amtsjahr im Rathaus Hard stattfinden soll. Damit reagierte sie auf den Beschluss der Geschäftsleitung, dass besagte Sitzung im historischen Rathaus an der Limmat über die Bühne gehen soll. David Garcia Nuñez sagte, es sei der Wunsch des designierten Präsidenten von der FDP, im Rathaus an der Limmat gewählt zu werden, «also dort, wo die FDP seit ewig ungestört regieren konnte»… Doch wer «wie die AL von unten kommt» wisse, dass es nichts gratis gebe. Kurz: Der Umzug würde eine fünfstellige Summe kosten, was für eine einzige zweistündige Sitzung «exorbitante Kosten» wären – damit würde man «die Jahresentschädigung eines:r Parlamentarier:in in die Limmat werfen».

Für die FDP spiele das keine Rolle, sie würde die Zusatzkosten übernehmen, fuhr David Garcia Nuñez fort. Für die AL-Fraktion jedoch sei der «Luxus-Umzug für zwei Stunden aus finanz- wie aus staatspolitischer Sicht ein gravierender Fehler». Was Michael Schmid (FDP) mit den Worten konterte, «was für ein bünzliger Antrag und was für ein bünzliges Votum»… Mehr als die Hälfte der Parlamentsmitglieder habe noch nie dort getagt, sie würden die Gelegenheit bekommen, einmal «echte Rathausluft zu schnuppern». Dass die AL die Kosten anprangere, sei das eine, «aber dass die FDP zahlen würde, passt Ihnen auch nicht», stellte er fest und schloss, die Geschäftsleitung vertrete den Gemeinderat gegen aussen, und die habe nun mal so entschieden. Urs Riklin (Grüne) erinnerte daran, dass es im alten Rathaus keinen Fluchtweg gebe. Marcel Tobler (SP) sagte, die FDP verkenne offensichtlich, was sie anrichte: «Es geht nicht um eine private Party, sondern um einen staatlichen Akt, und den kauft man nicht», ja mehr noch, den privat kaufen zu wollen, sei der «Gipfel der Frechheit». Mit 62 gegen 56 Stimmen kam der Beschlussantrag durch.

Kreislaufwirtschaft oder «Wischiwaschi»?

Als nächstes befasste sich der Rat mit der Kreislaufwirtschaft, konkret dem geplanten temporären Angebot «Josy» auf dem Josefareal. Kommissionssprecher Beat Oberholzer (GLP) führte aus, nach dem Rückbau der dortigen Kehrichtverwertungsanlage und dem Bau der neuen Energiezentrale sei der Baubeginn für die neuen, permanenten Nutzungen noch offen. Deshalb soll das Areal in der Zwischenzeit mit einer temporären Nutzung bewirtschaftet werden. Im Angebot namens «Josy» sollen die Stadtbewohner:innen gut erhaltene Gegenstände weitergeben und selten benötigte Artikel ausleihen können. Auch eine Reparaturmöglichkeit für kaputte Sachen ist vorgesehen.

Den Rückweisungsantrag begründete Johann Widmer (SVP): Kreislaufwirtschaft sei zwar «ökonomisch und ökologisch absolut sinnvoll», schickte er voraus, doch was hier vorliege, sei «Quatsch»: «So nicht!», rief er mehrmals in den Saal. Die Roten und die Grünen hätten «keine Ahung, wie Kreislaufwirtschaft funktioniert». Es bräuchte konkrete Angaben, wie das Ganze organisatorisch strukturiert werde und was herausschauen solle, doch stattdessen habe man nur «Wischiwaschi» erhalten, und wenn man damit weiterarbeite, werde «das blanke Chaos» ausbrechen. Zudem seien die Kosten von 5,2 Millionen Franken viel zu hoch. Worauf ihm Beat Oberholzer freundlich entgegnete, die Kosten seien mit 5,35 Millionen veranschlagt. Emanuel Tschannen (FDP) erklärte, seine Partei sei «die älteste Umweltpartei im Rat» und wäre für «markttaugliche Massnahmen» durchaus zu haben, doch «Josy» erfülle die Kriterien nicht. Patrick Tscherrig (SP) und Sibylle Kauer (Grüne) sprachen sich hingegen für die Vorlage aus, während Benedikt Gerth (Die Mitte) erklärte, seine Mitte-/EVP-Fraktion sei zwar «sehr kritisch», aber wolle «den Versuch wagen». Der Rückweisungsantrag ging mit 83 gegen 36 Stimmen (von FDP und SVP) bachab, und die Vorlage kam mit demselben Stimmenverhältnis durch.

Viel Lärm (nicht nur vom Laubbläser)

Ausführlich debattiert wurde auch wieder einmal über Laubbläser, wobei sich schliesslich die Mehrheit durchsetzte: Die Verwendung von elek­trisch betriebenen Laubblas- und Laubsauggeräten soll künftig zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Dezember erlaubt sein oder «anlässlich bewilligter Bauarbeiten». Ausnahmen – ebenfalls nur für elektrisch betriebene Geräte – kann das Sicherheitsdepartement bewilligen. Die Vorlage geht nun noch an die Redaktionskommisson.

Die letzten drei Vorstösse, die an dieser Sitzung drankamen, behandelten ebenfalls keine neuen Themen. Die zwei Postulate und die eine Interpellation stammten von Samuel Balsiger und Stephan Iten (beide SVP). Thema war die «eskalierende Jugendgewalt». Mit der Interpellation verlangten die beiden Auskunft zur «Zunahme der Gewaltdelikte» und «Angaben zur Nationalität», inklusive Eingebürgerte (wozu es keine Zahlen gibt) und straffällige Asylbewerber. Samuel Balsiger beklagte sich wie fast immer, wenn er das Wort hat, darüber, dass man ihn nicht reden lasse – laut Geschäftsordnung muss der Präsident jedoch Redner:innen, die sich zu weit vom Thema entfernen, zur Ordnung rufen. Samuel Balsiger betont dann jeweils, er spreche zum Thema: Geht es um ein Postulat zur «eskalierenden Jugendgewalt», dann gehört für ihn beispielsweise die «Masseneinwanderung» zum Thema. Oder auch mal die Laubbläser, über die man völlig unnötigerweise debattiert habe, statt sich endlich mit echten Themen zu befassen wie der eskalierenden Jugendgewalt. Gegen die Stimmen von SVP, FDP und Mitte-/EVP wurde das erste Postulat abgelehnt, gegen die Stimmen von SVP und FDP das zweite, und weil diese letzte Debatte derart lange gedauert hatte, war (zum Glück!…) immerhin 21 Uhr vorbei und damit die Sitzungszeit um.