Von Heizkosten bis Flugreisen

Der Zürcher Gemeinderat hat sich dafür ausgesprochen, dass einkommensschwache Personen zur Kompensation der steigenden Energiepreise eine Energiezulage erhalten sollen. Die städtischen Angestellten sollen zudem für Dienstreisen vermehrt die Bahn statt das Flugzeug nehmen.

 

An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend ärgerte sich die AL zum Auftakt mittels einer Fraktionserklärung, verlesen von Tanja Maag Sturzenegger, über einen «Bückling vor der FDP». Der Stadtrat halte am 2012 zwischen SP und FDP ausgehandelten Kompromiss einer Tagesschule light fest und behaupte vollmundig, dass sich das Modell gemäss externer Anlayse bewährt habe: «Das ist die Lesart des Vorstehers des Schul- und Sportdepartements – widerspricht aber der Evaluation, die zwar auf positive Entwicklungen hinweist, aber gleichzeitig die Scheinwerfer auf die zahlreichen Mängel des überholten Zürcher Modells aus dem Jahr 2012 richtet.» Wer zudem den Stadtratsbeschluss zur Wahrnehmung des Doppelantragsrechts lese, müsse davon ausgehen, dass auch die Schulpflege die vom Gemeinderat verabschiedete Verordnung ablehne: «Das ist schlicht falsch», sagte Tanja Maag.

 

Auch die Grünen fänden es «überraschend und unverständlich», dass am 15. September zwei Vorlagen zur Abstimmung kämen, hielt Selina Walgis in einer persönlichen Erklärung fest. Sie hätten sich im Zusammenhang mit der Tagesschulvorlage stets für Vereinbarkeit von Famile und Beruf, Gleichstellung und Chancengerechtigkeit eingesetzt. Das sei in der Vorlage des Stadtrats nur sehr beschränkt umgesetzt worden. Deshalb stünden die Grünen «klar hinter der Vorlage des Gemeinderats», die mehr Flexibilität biete und die Chancengerechtigkeit ernst nehme. «Sehr speziell» sei zudem, dass es mit der «Chancengerechtigkeit» begründet werde, dass jetzt beide Vorlagen zur Abstimmung kämen: «Chancengerechtigkeit heisst nicht, dass alle dasselbe Sparpaket bekommen», stellte sie klar. Yasmine Bourgeois (FDP) hielt in ihrer persönlichen Erklärung dagegen: Die kritisierte Variante gehe weiter als jene der FDP, sei aber immer noch besser als «das vollfette Monster von links-grün».

 

Ja zu Energiezulage

Mit einem dringlichen Postulat forderte die AL-Fraktion eine Energiezulage für BezügerInnen von Ergänzungsleistungen, Working Poor und andere einkommensschwache Haushalte. Ihr Fraktionspräsident David Garcia Nuñez begründete den Vorstoss damit, der nächste Winter komme bestimmt, und es würden «horrende Preissteigerungen» vorausgesagt. Das werde einkommensschwache Haushalte in die finanzielle Bredouille bringen, könnten doch die Heiz- und Nebenkostenabrechnungen um bis zu 1200 Franken pro Haushalt höher ausfallen. Deshalb brauche es jetzt eine politische Lösung. Die AL geht davon aus, dass rund 80 000 Personen eine solche Energiezulage erhalten werden. Den Ablehnungsantrag der SVP begründete Sebastian Zopfi unter anderem damit, die Preise seien für alle zu hoch, weshalb man nicht «Robin Hood für eine bestimmte Gruppe spielen» solle. Stattdessen brauche es das, was die SVP schon lange fordere, nämlich eine Steuersenkung und Gebührensenkung für alle.

 

Hannah Locher (SP) erklärte, die hohen Energiepreise träfen die einkommensschwachen Haushalte am stärksten, denn sie hätten keinen Spielraum, ihr knappes Budget könne rasch aus dem Lot geraten. Deshalb sei es wichtig, sie «gezielt zu unterstützen». Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) erklärte, eigentlich stehe für ihre Fraktion das Netto-Null-Ziel im Vordergrund, zumal 62 Prozent der Stimmberechtigten dem Energiegesetz zugestimmt hätten: «Und jetzt sollen wir fossile Energie subventionieren?» Aber es gehe umgekehrt nicht an, dass sich Menschen mit geringem Verdienst entscheiden müssten, ob sie die Gasrechnung bezahlen oder ihren Kindern Winterschuhe kaufen sollten. Der Vorstoss entlaste gezielt Armutsbetroffene, weshalb die Grünen zustimmten. Ähnliche Abwägungen hätten auch die Grünliberalen gemacht, sagte Beat Oberholzer, ihnen sei bewusst, dass einige Menschen sehr knapp kalkulieren müssten. Doch es gehe darum, schnell von fossilen Energien wegzukommen, und wenn sich der Rat für eine solche Zulage ausspreche, dann hätten die WohnungseigentümerInnen einen geringeren Anreiz, energetische Sanierungen durchzuführen. Wenn zudem sogar jene Menschen berücksichtigt werden sollten, die Prämienverbilligungen beziehen, «reden wir von 15 bis 20 Prozent der Gesellschaft, also nicht nur von den Ärmsten». Deshalb stimme die GLP Nein. Mit 62:56 Stimmen überwies der Rat das dringliche Postulat.

 

Dienstreisen mit Zug statt Flug

Ums Netto-Null-Ziel ging es auch in einem Postulat von Florian Utz (SP), Felix Moser (Grüne) und einem Mitunterzeichner: Sie verlangten die «vermehrte Durchführung der Dienstreisen per Bahn statt per Flugzeug». Florian Utz führte zur Begründung an, die Stadtverwaltung müsse das Netto-Null-Ziel statt bis 2040 bereits bis 2035 erreichen, was eine «Herausforderung» sei, teilweise gar «schmerzhaft» und «kostspielig». Umso mehr müsse man das rasch anpacken, was sich «schmerzlos und einfach und günstig» realisieren lasse. Das treffe auf den Ersatz von Flügen durch Bahnreisen zu. Es sei sehr gut nachvollziehbar, wenn beispielsweise eine Dienstreise nach Oslo per Flugzeug gemacht werde, sagte Florian Utz. Doch Frankfurt sei per Bahn in drei Stunden 50 Minuten erreichbar, Köln in vier Stunden 50 Minuten, und nach Berlin könne man bequem im Nachtzug fahren. Deshalb forderten die Postulanten, dass Reisen von maximal sechs Stunden ab Zürich HB mit der Bahn gemacht werden müssten sowie längere Reisen dann, wenn es einen Nachtzug gebe. Zudem sollten Langstreckenflüge nur noch in der Economy- statt in der Business-Class erlaubt sein: «Das löst natürlich nicht alle Probleme, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung».

 

Martin Götzl (SVP) begründete den Textänderungsantrag seiner Fraktion: Besser als mit dem Zug zu reisen, sei es, auf Reisen zu verzichten, «das fordert die SVP jedes Jahr beim Budget». Der Textänderungsvorschlag lautete folgerichtig, dass der Stadtrat prüfen solle, wie Dienstreisen reduziert werden könnten. Florian Utz wies ihn freundlich darauf hin, dass er darauf nicht eingehen könne, denn was er hier verlange, sei «auf seine Art prüfenswert, aber das ist ein anderer Vorschlag, kein Änderungsantrag». Mit 102:13 Stimmen (der SVP) überwies der Rat auch dieses Postulat.

 

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