Vom Schulsofa aus gesehen

Der Zürcher Gemeinderat schöpfte an seiner Sitzung vom Mittwochabend themenmässig aus dem Vollen; wie viele Sofas dereinst im neusten Schulhaus stehen werden, ist allerdings noch offen.

 

Eine wachsende Stadt braucht nicht nur mehr Wohnungen, sondern auch mehr Schulhäuser: Darin waren sich an der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend alle einig. Dass vom Start der Planung bis zum Bezug eines Schulhauses rund zehn Jahre vergehen und es deshalb nötig sein kann, der Platznot mit dem Aufstellen sogenannter Züri-Modular-Pavillons zu begegnen, war ebenfalls unbestritten. Einen solchen Pavillon für die Schulanlage Triemli / In der Ey im Quartier Albisrieden bewilligte der Rat dennoch ‹nur› mit 102:14 Stimmen. Nein sagten die Grünen: Vor drei Jahren sei ein Pos­tulat ihrer Fraktion «mit klarem Mehr» überwiesen worden, das verlange, die Pavillons so zu platzieren, dass die Freiflächen nicht beeinträchtigt würden, erklärte Christina Hug. Dieser Pavillon werde jedoch «mitten in die Wiese» gesetzt. Dem widersprach Hochbauvorsteher André Odermatt (SP), doch die Grünen blieben bei ihrem Nein. Den Pavillon für die Schulanlage Buhn in Seebach bewilligte der Rat mit 113:0 Stimmen.

 

Schule und Park unbestritten

Dass auch Geschäfte, denen die Kommission einstimmig zugestimmt hat, im Rat noch zu reden geben können, zeigte sich bei der Vorlage des Stadtrats für die Erhöhung des Projektierungskredits von 750 000 Franken für den Neubau einer Schulanlage und das Erstellen eines Quartierparks auf dem Areal Thurgauerstrasse im Quartier Leutschenbach um 6,15 Millionen Franken auf 6,9 Millionen Franken. Gleichzeitig sollte eine Motion der AL-Fraktion abgeschrieben werden, die den Bau eines Schulhauses im Entwicklungsgebiet Leutschenbach/Thurgauerstrasse gefordert hatte.

Ausgerechnet die AL-Fraktion zeigte sich unzufrieden: Dass sie «in letzter Minute» einen Änderungsantrag eingereicht hatte, begründete ihr Sprecher Walter Angst damit, es wäre sinnvoller, den Kredit zum jetzigen Zeitpunkt lediglich um 1,25 Millionen auf 2 Millionen Franken zu erhöhen, damit erst den Architekturwettbewerb vorzubereiten und den Ausgang der beiden Gestaltungsplanverfahren für den Wohnteil sowie den Schulhaus- und Parkteil abzuwarten. Wenn dann das Einwendungsverfahren abgeschlossen sei, könne man nochmals eine Standortbestimmung machen. Walter Angst führte weiter aus, seine Fraktion sei ursprünglich davon ausgegangen, dass die Testplanung «solide» gemacht worden sei, doch im Nachhinein seien Bedenken aufgetaucht: Einerseits sei nicht klar, ob in den geplanten Hochhäusern tatsächlich gemeinnützige Wohnungen möglich seien, und anderseits bestünden angesichts von Leerständen in der Gegend Zweifel daran, ob sich der vorgesehene «Gewerbesockel» selbsttragend vermieten lasse. Wenn sich der Gemeinderat im nächsten Sommer mit den Gestaltungsplänen befasse, sei der richtige Zeitpunkt da, um den Projektierungskredit zu erhöhen.

Severin Pflüger (FDP) erklärte, zwar sei der Wohnteil tatsächlich umstritten und stosse insbesondere im Einfamilienhausquartier Grubenacker auf Widerstand, doch die geplante Schulanlage 200 Meter weiter weg habe «nichts zu tun mit dem Schattenwurf auf die Einfamilienhäuser», und zudem werde die Schule ja nicht nur für die Kinder der geplanten «gemeinnützigen und autofreien» Siedlung gebaut: «Auch in den teuren Häusern gegenüber leben Familien mit Kindern.» Auch Stadtrat Odermatt betonte, die Schule sei unbestritten – und erinnerte die AL daran, sie selber habe ihn mit ihrer Motion aufgefordert, «je schneller, desto besser» eine Schulanlage zu bauen. Mit 89:30 Stimmen (von AL und SVP) ging der Änderungsantrag bachab, und der Rat hiess die ursprüngliche Vorlage mit 121:0 Stimmen gut.

Ein Postulat der SVP-Fraktion zu den Verfehlungen bei Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) im Zusammenhang mit dem Bau des Logistikzentrums Hagenholz war rasch erledigt: Die SVP verlangte, sowohl die Berichte des Stadtrats als auch der Geschäfts- sowie der Rechnungsprüfungskommission des Gemeinderats seien zu veröffentlichen. Die AL beantragte eine Textänderung. Walter Angst begründete sie damit, man könne nicht vom Stadtrat verlangen, die Berichte zweier gemeinderätlicher Kommissionen zu veröffentlichen – wobei es selbstverständlich nicht die Meinung sei, letztere geheimzuhalten. Vielmehr sollten die Aufsichtskommissionen nun ihre Arbeit fertig machen, der Stadtrat solle Stellung dazu nehmen, und dann sei das Veröffentlichen dran. Das leuchtete allen ein, und mit 117:0 Stimmen wurde das geänderte Postulat überwiesen.

 

Von Aufklärung bis Cannabis

Viel zu diskutieren gaben ein Postulat von Walter Angst (AL) und Markus Merki (GLP) zur Erhöhung der finanziellen Mittel für die Fachstelle Lust und Frust und von Stefan Urech und Roger Liebi (beide SVP) zur Möblierung von Schulen mit Sofas. Die Fachstelle Lust und Frust, welche die Stadt ursprünglich zusammen mit der Aids-Hilfe aufgebaut hatte und nun allein führt, bietet sexualpä­dagogische Veranstaltungen für Schulklassen und ist so gefragt, dass es lange Wartezeiten gibt. Um solche künftig zu vermeiden, sollten die Mittel um rund 40 000 Franken aufgestockt werden. Der Stadtrat halte die Wartefristen für vertretbar und lehne den Vorstoss folglich ab, erklärte Schulvorstand Gerold Lauber (CVP). Vehement dagegen war auch Daniel Regli (SVP), wenn auch aus anderen Gründen: Er sah hinter diesem Vorstoss die «Zerstörung der traditionellen Werte» und empörte sich über «Aufklärung im Kindergarten». Markus Merki erinnerte ihn daran, dass es um ein Angebot für 10- bis rund 21-jährige SchülerInnen gehe, und Karin Weyermann (CVP) betonte, ihre Fraktion lehne den Vorstoss zwar auch ab – aber aus denselben Gründen wie ihr Stadtrat, nicht wie Regli. Mit 73:47 Stimmen wurde das Postulat überwiesen. Zu den Sofas führte Stadtrat Lauber aus, auch wenn es im ‹Blick› und in ‹20Minuten› anders getönt habe, zahle die Stadt weder ein Sofa pro Klasse noch Designer- noch Luxussofas, und sie kosteten weder 4000 noch 1600 Franken pro Stück, sondern 700. Was an der Empörung der SVP erwartungsgemäss nichts änderte – und auch nicht daran, dass der Vorstoss mit 60:53 Stimmen bei 7 Enthaltungen (der CVP) bachab ging. Ein Postulat von Matthias Probst und Markus Kunz (beide Grüne) zur Einführung eines Abgabesystems von Cannabis an Personen, die aus medizinischen Gründen Cannabis konsumieren dürfen, überwies der Rat mit 80:36 Stimmen.

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