Vom Militärkoloss zum Bildungszentrum

Das Kasernenareal wird zur Baustelle: Fast alle Gebäude werden der Stadt übergeben, die Militär- und Polizeikaserne wird zurückgebaut, den Zwischennutzungen per 2025 gekündigt – das ehemalige Gefängnis sowie die Kaserne sollen in Zukunft zum (freiwilligen) Verweilen einladen. 

 

Es waren nicht VertreterInnen der Politik, die am vergangenen Mittwoch per Livestream vorstellten, was bis circa 2030 auf dem Kasernenareal alles geschehen soll, sondern die ‹Heinzelmännchen›: vom Projektbüro, vom Hochbauamt, aber auch von der Gesamtprojektleitung seitens der Stadt Zürich und vom Kanton. Der Kanton ist Eigentümer des Areals. Fast alle Gebäude sollen in den nächsten Jahren aber an die Stadt abgegeben werden – wenn auch mit weiterhin enger Zusammenarbeit zwischen Stadt und Kanton mit einer Co-Projektgesamtleitung. Die Zeughäuser werden saniert, die Militärkaserne wird umgebaut, die Kasernenwiese erhält mehr Fläche und für Kultur und Veranstaltungen bleibt weiterhin Platz. Kostenpunkt des gesamten Projekts: 180 Millionen Franken. 

 

Um- und Rückbau

Nachdem die alte Militärkaserne nun seit Jahren leersteht, wurde letztes Jahr der ehemals eingezäunte Teil der Wiese geöffnet. Es ist ein erster Schritt in einem grösseren Rückbauprozess. Denn der denkmalgeschützte Koloss an der Sihl soll endlich umgestaltet werden. Ein völlig neu gedachtes Kasernenareal soll her. 

 

Auf dem Dach ist eine grössere Glasstruktur geplant, von der man auf die Kasernenwiese herunterschauen kann. Im Inneren wird grundlegend umgestaltet. Im Erdgeschoss soll ein Durchgang entstehen, der für die Öffentlichkeit konzipiert ist. Heisst bei der Stadt: Gewerbeflächen. Cafés oder Bars und kleine Geschäfte sollen diesen Durchgang nutzen können. Aber auch für Kultur und soziale Einrichtungen will die Stadt Platz freihalten. Im Flügel, der in Richtung Hauptbahnhof gelegen ist, soll es einen Saal geben, in dem 300 Personen Platz finden. Als Herzstück des Baus im Mitteltrakt wird weiter ein Atrium errichtet, wo über mehrere Stockwerke rund um den Leerraum im Inneren Co-Working-Plätze installiert werden sollen. In den Obergeschossen ziehen Bildungsinstitutionen ein – die kantonale Schule für Berufsbildung und die kantonale Maturitätsschule für Erwachsene.

 

Ein Baurechtsvertrag existiert allerdings noch nicht. PassantInnen dürften dennoch bereits beobachtet haben, dass BauarbeiterInnen in der Militärkaserne emsig ein und aus gehen – denn die Räumungsarbeiten haben bereits begonnen. Der Bau ist gegenwärtig nicht nutzbar. Beim Umbau soll aber möglichst viel erhalten bleiben. Die Möbel werden restauriert und die lädierten Steinlöwen, die einst auf dem Areal standen, werden als Ausstellungsstücke ins Innere verlegt – und es gibt neue Löwen draussen. Was nicht mehr genutzt wird, wird weitergegeben, umfunktioniert oder auch verkauft. Felix Gisler, Gesamtprojektleiter auf Kantonsseite schätzte, dass die Kaserne etwa per Ende Jahr für eine allfällige Zwischennutzung bezugsbereit sei. 

 

Die Umgestaltung der ehemaligen Soldatenschlafquartiere im Haus bringt aber auch viele Herausforderungen mit sich. Aus den engen Schlauchzimmern will man hier lichtdurchflutete Schulräume und weite Gänge machen und eine einladende Atmosphäre schaffen. Dafür muss einiges rausgerissen werden – und die Stahlträger freigelegt. Wie einladend eine industrielle, militärisch angehauchte Atmosphäre für Bildungsräume wohl ist?

 

Die Sache mit der Partizipation

Viel Zeit nahmen sich die Projektverantwortlichen für die Beantwortung der Fragen seitens  von ZuschauerInnen, wo viel Kritik geübt wurde. So störte sich die Bevölkerung bei fast der Hälfte der besprochenen Fragen an der anscheinend von Hunden überrannten Kasernenwiese. Aber nicht nur den Hündelern schlug eine Welle der Kritik entgegen, auch die vorgestellten Pläne wurden nicht mit riesiger Begeisterung entgegengenommen. Mehrfach wurde eingebracht, dass ein Quartierzentrum hier durchaus wünschenswert wäre – worauf seitens des Kantons entgegnet wurde, dass diese Idee noch nie so oft aufkam wie im Rahmen des Livestreams. Wie dem auch sei, es spielt keine Rolle, denn die Zeit für Partizipation ist abgelaufen. Das neue Kasernenareal wird wohl eine schöne Fläche – mit mehr Freiraum als bisher – mitten im Zentrum sein, aber man fragt sich angesichts der Flut von ähnlichen Fragen zum Schluss des Livestreams dennoch: Ist die Partizipation der Bevölkerung bei Raumplanungsprojekten der Stadt wirklich so wichtig, wie so oft betont wird?

 

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