Vier Wände, null C02-Emissionen

Das CO2-Gesetz spaltet HausbesitzerInnen: Der rechte Hauseigentümerverband ist dagegen, Casafair dafür. Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Haltung?

 

Simon Muster

Und plötzlich sind fast alle dafür: Bund, Kantone, alle Parteien ausser der SVP, eine Allianz von NGO und sogar der Wirtschaftsverband Economiesuisse empfehlen der Stimmbevölkerung ein Ja zum revidierten CO2-Gesetz. Das Gesetz setzt das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, davon 75 Prozent im Inland. Es ist eine bemerkenswerte Wiederauferstehung einer Gesetzesvorlage, die noch 2018 mit bürgerlichen und linken Stimmen beerdigt wurde. Damals verwässerte eine Mehrheit die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so fest, dass die Ratslinke die Notbremse zog. Es waren hitzige Tage: Die Öffentlichkeit durchschaute den grünen Bluff von FDP-Präsidentin Petra Gössi, drei Tage später marschierten beim ersten Klimastreik rund 500 junge Menschen durch Zürich. Unbeeindruckt davon spricht sich der Hauseigentümerverband HEV damals wie heute gegen das revidierte CO2-Gesetz aus. Grund dafür sind die vorgesehenen Reduktionen im Gebäudebereich: Gegenüber dem Jahr 1990 soll der Ausstoss bis 2027 um 50 Prozent gesenkt werden. Neubauten dürfen bei einer Annahme gar keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen verursachen, bei bestehenden Gebäuden würde der erlaubte Grenzwert ab 2023 alle fünf Jahre gesenkt.

Seit 2010 erhalten HausbesitzerInnen im Rahmen des Gebäudeprogramms maximal 450 Millionen jährlich für Sanierungen und den Einbau von CO2-freien Heizungen. Das ist nötig, denn die Schweiz hat im europäischen Vergleich den höchsten Anteil an Öl-Heizungen. Der Gebäudebereich ist laut Bundesamt für Umwelt für rund einen Viertel der CO2-Emissionen verantwortlich. Trotzdem sträubt sich der HEV weiter. In der Vergangenheit hat der Verband sein politisches Gewicht immer wieder erfolgreich eingesetzt, gegen jeglichen klimapolitischen Fortschritt: Die Abstimmungen zu den kantonalen Energiegesetzen in Solothurn und Bern scheiterten unter anderem am Widerstand der HausbesitzerInnen. Ob die reche Führungsriege aber tatsächlich die Interessen der rund 340 000 Mitglieder vertritt, ist unklar: In der Medienmitteilung heisst es schmallippig, dass die Meinungen zur Abstimmungsvorlage an der Basis enorm breit gefächert seien. Auf Anfrage erfährt man zumindest, dass die Sektion Kanton Zürich gegen das neue CO2-Gesetz ist. 

 

Nicht die einzige Stimme der HäuserbesitzerInnen

Weit weniger rückwärtsgewandt präsentiert sich der zweite EigentümerInnenverband, Casafair. Er unterstützt das CO2-Gesetz. Das überrascht kaum: Laut Leitbild richtet sich Casafair ausrücklich an umweltbewusste und faire WohneigentümerInnen. Wer noch Ölheizungen beibehalten will, ist kaum Mitglied. Wen also soll die Ja-Parole von Casafair überzeugen? «Klar, unsere Mitglieder sind für das CO2-Gesetz. Mit unserer Parole wollen wir aber all jene HausbesitzerInnen erreichen, die mit der Haltung des HEV nicht einverstanden sind», sagt Kathy Steiner, Geschäftsleiterin von Casafair. Die meisten HausbesitzerInnen würden nicht mehr auf veraltete Technologien setzen wollen. «Die Investition in zukunftsträchtige lohnt sich im Endeffekt für die HausbesitzerInnen». Sowieso seien die meisten HausbesitzerInnen gar nicht in einem Verband organisiert. Tatsächlich vertreten der HEV und Casafair gerade einmal 80 000 der gut 192 000 WohneigentümerInnen im Kanton Zürich, wobei alleine 74 000 auf den HEV entfallen. «Wir wollen zeigen, dass der HEV nicht die einzige Stimme der Hauseigentümer ist». Ausserdem sei die Drohung des HEV wegen Mitaufschlägen ein Mythos. Das bestätigt auch der MieterInnenverband: Sowohl der Ersatz von fossilen Heizungen als auch die erhöhte CO2-Abgabe führe, wenn überhaupt, zu moderaten Mehrkosten für MieterInnen. 

 

2050 ist für den Klimastreik zu spät

Eine Gruppe, die sich nicht in die breite Allianz für das CO2-Gesetz einreihen will, ist der Klimastreik. Sie fordert, dass die Schweiz bereits 2030 netto null erreicht, nicht erst 2050, wie es das CO2-Gesetz vorsieht. «Mit der im CO2-Gesetz festgelegten Zielsetzung ist das Pariser Abkommen nicht erreichbar».  Auch die Partei von Kathy Steiner verlangt eigentlich ein schnelleres Vorgehen: Die Grünen fordern, dass die Schweiz bis 2040 klimapositiv ist, also mehr Emissionen aus der Atmosphäre entnommen werden, als ausgestossen werden.

Wie passt das mit der Ja-Parole von Casafair zusammen? «Das CO2-Gesetz ist aktuell das Maximum, was im Parlament erreichbar ist», ist Steiner überzeugt. Aber es sei nur ein erster Schritt. «Die Vorlage ist nicht das Ende der Fahnenstange, wir müssen darauf aufbauen».

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