Viel Stabilität und eine Sensation

In den Kantonen Zürich und Baselland wurde am vergangenen Sonntag gewählt. Insbesondere die Zürcher Wahlen gelten als wichtiger Stimmungstest für die nationalen Wahlen im Herbst.

 

«Was muss sich ändern, damit alles so bleibt, wie es ist?», das fragt sich die Mitte in einem Wahlwerbespot. Verändert hat sich am vergangenen Wahlsonntag wenig, und es bleibt wohl mehr oder minder alles so wie es ist. Im Regierungsrat wurden alle Bisherigen klar im Amt bestätigt. Das beste Resultat erzielte der parteilose Mario Fehr vor den beiden SVP-Regierungsräten Natalie Rickli und Ernst Stocker. An vierter Stelle folgt der Grüne Martin Neukom. Jacqueline Fehr (SP), die vor vier Jahren das zweitbeste Resultat erzielte, musste sich dieses Mal mit Rang 5 zufriedengeben. Aber ihre Wiederwahl war trotz heraufstilisiertem «Datenskandal» ungefährdet. Schlechter erging es ihrem Widersacher: Kantonsrat Valentin Landmann (SVP) wurde abgewählt. Silvia Steiner (Mitte), die laut Wahlumfragen als abwahlgefährdet galt, konnte sich über einen sechsten Platz freuen, den sie vermutlich zu einem gewissen Grad der ‹Tages-Anzeiger›-Umfrage zu verdanken hat. Als letzte wurde Carmen Walker Späh (FDP) gewählt. Doch auch die letztplatzierte Carmen Walker Späh verzeichnete fast 25 000 Stimmen Vorsprung auf die bestplatzierte Herausforderin Priska Seiler Graf (SP). Diese distanzierte dafür die anderen Herausforderer klar. Peter Grünenfelder (FDP) lag rund 12 000 Stimmen hinter Priska Seiler Graf und holte trotz höherer Stimmbeteiligung weniger Stimmen als vor vier Jahren der glücklose Thomas Vogel. Auch Benno Scherrer (GLP) kann mit seinem Resultat nicht zufrieden sein. Mit 93 603 Stimmen blieb auch er unter dem Resultat von Jörg Mäder, der vor vier Jahren für die GLP antrat. Anne-Claude Hensch-Frei holte 70 189 Stimmen und liegt damit immerhin vor dem Parteilosen Hanspeter Amrein, dessen teurer Wahlkampf sich nicht ausgezahlt hat. Im Regierungsrat bleibt alles beim Alten, wofür die Bisherigen auch mit einem kurzen Wahlkampf und wenigen Auftritten gesorgt haben. In vier Jahren wird die Ausgangslage vermutlich spannender, da wohl einige Rücktritte zu erwarten sind.

 

GLP unter den Erwartungen

Auch bei den Kantonsratswahlen blieb vieles stabil, allerdings gab es doch Überraschungen. Die SVP kann sich über einen Zuwachs von 0,45 Prozent und einen Sitzgewinn freuen. Gäbe es im Kanton Zürich keine Städte Zürich und Winterthur, wäre der Gewinn der SVP noch besser ausgefallen. In allen Landbezirken mit Ausnahme von Andelfingen legte sie nämlich teilweise kräftig zu. Das umgekehrte Bild zeigt die SP. Auch sie kann sich freuen: Sie legt 0,01 Prozent zu und gewinnt einen Sitz. Dieser Sitzgewinn ist vor allem auf die Zugewinne in den Städten Winterthur und Zürich zurückzuführen. In der Stadt Zürich gewinnt die SP vor allem im Wahlkreis 4 und 5 deutlich, ebenso gewinnt sie in den Kreisen 3 und 9, 7 und 8 und 6 und 10. Leichte Verluste gab es im Wahlkreis 1 und 2, deutlicher hingegen im Wahlkreis 11 und 12. In Winterthur gewinnt die SP 0,5 Prozent. Der einzige Landbezirk, in dem die SP zulegen konnte, ist der Bezirk Hinwil: Dort konnte die SP aber um ganze 1,15 Prozent zulegen. Der Stadteffekt spielt allerdings auch für die FDP. Die FDP legte in allen Stadtzürcher Wahlkreisen und in Winterthur zu. Zudem gewann sie in Dietikon und Dielsdorf. Das reichte allerdings nur für plus 0,19 Prozent und reichte nicht für einen Sitzgewinn. Freuen konnte sich die Mitte: Die Fusion mit der BDP hat sich für sie ausbezahlt. Sie legt 0,64 Prozent zu und konnte gar drei zusätzliche Sitze erobern.

 

Nicht ganz zufrieden sein kann trotz Sitzgewinn die GLP.  In den Umfragen wurde sie als Wahlgewinnerin gesehen, jetzt verliert sie sogar leicht mit 0,16 Prozent. Ihr gutes Resultat von 2019 nicht bestätigen konnten die Grünen. Sie verlieren mit 1,48 Prozentpunkten am meisten Stimmen und müssen drei Sitze abgeben. Sowohl Grüne wie auch GLP müssen wohl damit kämpfen, dass das Klimathema an Aktualität verloren hat. Die Grünen konnten mit ihrem Regierungsrat Martin Neukom und dem neuen Energiegesetz sogar einen grossen inhaltlichen Erfolg vorweisen – belohnt wurde dies von den WählerInnen nicht. Auch die AL hat mit den Prämienverbilligungen im Wahlkampf ein Thema erfolgreich besetzen können, der Wahlerfolg blieb allerdings aus und die federführende Kantonsrätin Melanie Berner wurde zu allem Unglück noch abgewählt. Auch EVP und EDU standen auf der Verliererseite und mussten je einen Sitz abgeben. Die Klimaallianz bestehend aus SP, Grünen, GLP, AL und EVP hat aber ihre Mehrheit knapp behalten können (mehr dazu auf Seite 9).

 

Sensation im Baselbiet

Einen Freudentag hatte die EVP hingegen im Kanton Baselland. Dort schaffte ihr Kandidat Thomi Jourdan die Sensation und den Einzug in den Regierungsrat. Verliererin ist die Nationalrätin Sandra Sollberger (SVP), deren Kandidatur von allen bürgerlichen Parteien unterstützt wurde. Für neue Kandidierende scheint sich die Strategie, sich im Wahlkampf zu verstecken, im Gegensatz zu den bisherigen RegierungsrätInnen im Kanton Zürich nicht zu bewähren. Thomi Jourdan gewann diesen Sitz auch durch einen sehr aktiven und präsenten Wahlkampf – er hatte dafür sogar seine Stelle gekündigt. Das beste Resultat erzielte Anton Lauber (Mitte), vor Isaac Reber (Grüne), Kathrin Schweizer (SP) und Monica Gschwind (FDP). Im Landrat konnte sich die GLP auf einen kräftigen Zuwachs von 3,85 Prozent und drei Sitzen freuen. Die FDP konnte trotz Zugewinn von fast einem Prozent keinen Sitz gewinnen. Die SP verliert 0,9 Prozent und 2 Sitze. Damit fällt sie hinter die SVP zurück, die ihre Sitze halten und leicht zulegen konnte. Die Grünen verlieren kräftig mit minus 2,63 Prozent, müssen aber dank Proporzglück nur zwei Sitze abgeben. Hier zeigt sich im Gegensatz zum Kanton Zürich, dass die GLP ihr Wählerpotenzial noch nicht ausgeschöpft hatte. Ein Teil der Probleme der Grünen gelten im Kanton Baselland als hausgemacht. Diese hatten durch ungeschicktes Agieren in den Regierungsratswahlen, wo sie eine zweite Kandidatur angekündigt und dann wieder fallen gelassen hatten, für Kopfschütteln gesorgt.

 

Die kantonalen Wahlen in Zürich gelten im Allgemeinen als Gradmesser für die nationalen Wahlen. Das ist sicher bis zu einem gewissen Teil so. Hier müssen sich vor allem die Grünen Gedanken machen, wie sie ihre Zugewinne von vor vier Jahren halten können. Allerdings sind die Grünen vor allem in der Romandie stark: In Genf sind am 2. April kantonale Wahlen, die allenfalls auch Hinweise für die nationalen Wahlen geben können.

 

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