- Im Kino
Verstecken
Bereits der thailändische, aber auch der letztlich ausführende israelische plastische Chirurg Doktor Wassermann (Mark Ivanir) betonen mit grosser Vehemenz, eine körperliche Transition betreffe allein das äussere Erscheinen, die Person im Innersten bliebe dieselbe. Im Fall des mexikanischen Kartellbosses Manitas Del Monte, der mit Hilfe der Anwältin Rita Moro Castro (Zoe Saldana) sein altes Dasein als gewalttätiger Mann begraben und fortan als Emilia Pérez (Karla Sofia Gascón) ein philanthropisches Frauenleben führen möchte, bleibt ebendieses Dilemma unauflöslich in der Schwebe. Nicht nur aus einer moralischen Sicht (Mörder), sondern insbesondere auch aus der Warte der weitreichenden Wirkung einer stets als wesensfremd empfundenen Internalisierung eines Rollenverhaltensmusters. Zuvorderst die Kindsmutter Jessi (Selena Gomez) wird von Emilia Perez zuerst zum Schutz, dann aus purem Eigennutz durchwegs als Manövriermasse behandelt, die sich zu fügen und im goldgewirkten Käfig gefälligst zufrieden zu sein hat. In dieselbe Falle der als ehemaliger Brutalo eingeübten Reaktion tappt die eigene neue Liebe als auch Jessis neuer Mann. Die Flucht vor sich selbst, was in diesem Falle das Erringen einer Selbstbestimmtheit hiesse, glückt keiner der zentralen Figuren. Jacques Audiard liefert mit «Emilia Peréz» einen filmischen Höllenritt ab: Im Inhalt unauflöslich und formal von der Bildsprache als auch von der Musik von Clément Ducol und Camille her peitscht er die Szenen in satten zwei Stunden voreinander her. Durch den Mix aus Gangsterfilm, Musical, politischem Inhalt und dem choreographierten Ausdruck eines unerreichbaren Freiheitsbegehrens von allen entwickelt sich ein ungeheurer Sog, einem Rausch gleich, der den Parallelstrang einer omnipräsenten Ohnmächtigkeit indes nie loslässt und zuletzt als blosse Ernüchterung wieder ausspuckt. Zack, tot – ist das einzige, was einfach geht.
«Emilia Pérez» spielt in den Kinos Frame, Houdini, Piccadilly.