Bild: Hannes Henz

Velo abstellen, Gebühr bezahlen

Der Zürcher Gemeinderat befasste sich ausführlich mit den Gebühren fürs Benützen der städtischen Velostationen.

An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend verlas Samuel Balsiger eine Fraktionserklärung seiner SVP. Thema war der «Angriff auf eine Standaktion der SVP am vergangenen Wochenende». Zwei Linksextreme seien auf den Stand zugestürmt, sagte Balsiger. Sie hätten die Plakate, den Stand und rund ein Dutzend Unterschriftenbögen «mit rotem (wohl eine politische Aussage) Sirup» überschüttet. «Die Polizei oder allenfalls höhere Stellen haben Ermittlungen aufgenommen», heisst es in der Erklärung weiter. Deren Titel lautet übrigens, «wann sind es Faustschläge?» Der Fall sei «eine Zäsur für die Schweiz», sagte Balsiger.

Bis zu 20 Velos pro Parkplatz

Beim Neuerlass der Verordnung über die Gebühren für die Benutzung der städtischen Velo­stationen gab es mehrere Änderungsanträge. Dass einige gemeinsam behandelt wurden, führte zu Verwirrung, schliesslich musste aber nur eine Abstimmung wiederholt werden. Doch der Reihe nach: Kommissionssprecher Jonas Keller (SP) erinnerte daran, dass die Vorlage auf eine Motion seiner Fraktion vom Dezember 2017 zurückgeht. Sie verlangte vom Stadtrat, ein Jahresabo für die Nutzung aller gebührenpflichtigen städtischen Velostationen zu schaffen und dies in einer Verordnung zu regeln. Ausserdem sollte er einheitliche Preise für Einzeleintritte, Mehrfacheintritte und Saisonkarten für die Nutzung einzelner gebührenpflichtiger Velostationen festlegen, wobei der Preis für das teuerste Jahresabo maximal 100 Franken betragen sollte.

Bei der Behandlung der Motion im November 2018 beantragte die AL eine Textänderung: Statt maximal 100 Franken müsste es maximal 50 Franken heissen (siehe P.S. vom 30. November 2018). Ihr Sprecher Mischa Schiwow (nicht mehr im Rat) rechnete damals vor, in der Blauen Zone bezahlten die Autofahrer:innen 300 Franken pro Jahr. Wenn man bedenke, dass auf einem Parkplatz zehn Velos Platz hätten, seien 100 Franken ein sehr hoher Betrag. Res Marti (Grüne, ebenfalls nicht mehr im Rat) pflichtete ihm bei und rechnete gleich weiter: Wenn man von doppelstöckigen Veloabstellanlagen ausgehe, könne man 20 Velos pro Autoparkplatz abstellen. Rechne man mit den 300 Franken für die Blaue Zone, ergebe sich folglich für ein Velo ein Jahresbeitrag von 15 Franken. Zwar wehrten sich an jener Sitzung SVP, FDP und GLP dagegen, weil sie fanden, selbst 100 Franken seien zu günstig fürs Veloparkieren in der ganzen Stadt, doch die rot-grüne Ratsseite setzte sich durch.

Cargovelos kosten mehr

Damit zurück zur Debatte vom Mittwoch: In der Vorlage heisst es weiter, dass die Gebührenverordnung an die Einführung des neuen Zutrittssystems hätte gekoppelt werden sollen, die per Anfang 2023 geplant war, sich aber verzögerte. Deshalb wurde der Preis fürs Jahresabo bereits per 1. Januar 2024 auf 50 Franken gesenkt. Nun galt es, auch noch die mit der ursprünglichen Motion geforderte Rechtsgrundlage zu schaffen und die bereits umgesetzte Preisanpassung formell zu beschliessen. Die Verordnung soll rückwirkend auf den 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt werden.

Sie sieht unterschiedliche Gebühren für Standardvelos und Spezialvelos wie etwa Cargovelos vor, denn letztere passen nicht in die standardisierten Abstellbügel, die in den städtischen Velostationen montiert sind. Jonas Keller fasste zusammen: Für Standardvelos darf ein Einzeleintritt pro 24 Stunden maximal zwei Franken betragen, für das Monatsabo sind es maximal zehn Franken und für das Jahresabo maximal 50 Franken. Für Spezialvelos ist maximal das Dreifache der jeweiligen Gebühr für Standardvelos zulässig. Durch das Maximum von 50 Franken pro Jahr sinkt der Kostendeckungsgrad bei gleicher Auslastung von zirka 90 Prozent von 35 auf 18 Prozent, das jährliche Defizit beläuft sich auf 541 500 Franken. Die Mehrheit wolle die Verordnung so erlassen, schloss Jonas Keller.

Für die Minderheit aus FDP, GLP, Die Mitte/EVP und SVP erklärte Martina Zürcher (FDP), der einheitliche Zugang zu den Velostationen sei zwar gut, aber ein Maximum von 50 Franken führe zu einer «sehr grossen Subvention von 90 Prozent», und das sei zu viel. Deshalb stelle die Minderheit Änderungsanträge für die Erhöhung des Maximums und für die zusätzliche Verrechnung weiterer Leistungen. Sven Sobernheim (GLP) ärgerte sich nicht nur darüber, dass die Verordnung zwei Jahre zu spät komme, sondern vor allem darüber, dass es der Stadtrat «nicht schafft, sich um die Veloparkierung zu kümmern und sich auf etwas anderes zu fokussieren als auf Beton». Markus Knauss (Grüne) fand, in Sachen Veloparkierung sei die Stadt noch nicht dort, wo sie hinsolle, und berichtete von der letzten Kommissionsreise nach Amsterdam. Dort habe früher rund um den Bahnhof das Chaos geherrscht, worauf man erst den Bedarf abgeklärt und sodann 22 000 Gratisplätze vor allem im Untergrund geschaffen habe. Dafür würden nun falsch abgestellte Velos innert zehn Minuten abgeräumt.

Dörfs es bitzeli meh sii?

Carla Reinhard (GLP) erläuterte die Änderungsanträge ihrer Fraktion: Die GLP forderte mit dem Änderungsantrag 1, dass auch die weiteren Angebote in der Velostation Gegenstand der Verordnung sein sollten. Zweitens sollten auch Ladestationen für E-Bikes und drittens Schliessfächer aufgenommen werden. Viertens sollte für Ladestationen und Schliessfächer eine zusätzliche pauschale Tagesgebühr erhoben werden. Die Änderungsanträge 5 und 6 betrafen die Gebühren, wobei die Minderheit von FDP, GLP und EVP vier Franken pro Tag, 20 pro Monat und 100 pro Jahr verlangte, während die Minderheit 2, die SVP, 24 Franken pro Tag, 120 pro Monat und 600 pro Jahr verlangte. Die Änderungsanträge 7 und 8 betrafen die Gebühren für die zusätzlichen Angebote sowie die Inkraftsetzung der Verordnung per 1. Januer 2024 bzw. 1. Januar 2026.

Nachdem der Rat den ersten Änderungsantrag abgelehnt und den zweiten angenommen hatte, meldete sich Michael Schmid (AL) mit einem Ordnungsantrag zu Wort: Hier ergebe sich ein sachlicher Widerspruch, die Abstimmung sei zu wiederholen. Sven Sobernheim gab ihm recht: Der Grundantrag, der die weiteren Angebote einführe, sei nicht durchgekommen, der Detailantrag jedoch schon. Die Abstimmung zum ersten Antrag wurde wiederholt, und nun wurde er angenommen. Die zweite Abstimmung zum zweiten Antrag ergab dasselbe Resultat, die Logik stimmte. Bei den am ausführlichsten diskutierten Anträgen 5 und 6 setzten sich SP, Grüne und AL durch, das Jahresabo kostet also weiterhin maximal 50 Franken. Die Vorlage geht nun an die Redaktionskommission.