Urteil klärt Bankgeheimnis für Whistleblower Elmer

Die Strafkammer des Bundesgerichts beschloss am 10. Oktober nach einer öffentlichen Urteilsberatung von 150 Minuten (ohne Parteivorträge) mit 3:2 Stimmen ein wegweisendes Urteil in der «causa Rudolf Elmer/ Bankgeheimnisverletzung etc.».

 

Werner Kallenberger

 

Im Hauptpunkt der angeblichen Bankgeheimnisverletzung durch den bekannten Whistleblower Rudolf Elmer wurde die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich abgewiesen und der Freispruch des Obergerichts des Kantons Zürich bestätigt. Zugleich wurde die Beschwerde von Rudolf Elmer so weit gutgeheissen, als sie die Auferlegung eines Vorschusses für die He­rausgabe der beschlagnahmten Datenträger und Dokumente sowie die Modalitäten der Datenherausgabe betraf. Seine Beschwerde gegen die Auferlegung von ca. 3/4 Prozesskosten inklusive der Untersuchungskosten im Betrage von 320 000 Franken und gegen das Strafmass für die Verurteilung wegen Urkundenfälschung und Drohung wurde abgewiesen.

 

Erst nach Vorliegen des schriftlich begründeten Urteils kann ein detaillierter juristischer Kommentar zu diesem sich über 14 Jahre erstreckenden Justiz- und Medienskandal publiziert werden. Die Bankenlobby hat sich jedoch schon kurz nach dem nur mündlich eröffneten Urteil über die «schwerwiegende rechtspolitische» Entscheidung unseres höchsten Gerichts empört. Nach den zwei unterlegenen SVP-Bundesrichtern wäre Elmer als von der Bank Bär in Zürich mandatierter Trustee in den Cayman-Islands auch dem Schweizer Bankgesetz unterstellt gewesen und hätte damit gegen das im Bankengesetz geregelte Bankgeheimnis durch sein «Wiki-Leaks» verstossen.

 

Was mir als ehemaligem Bezirksanwalt (heute Staatsanwalt genannt) an dieser sehr teuren und jahrelangen Justiz- und Politgroteske unerklärlich bleibt, sind stichwortartig folgende Sachverhalte: Wenn eine Straf­untersuchung eröffnet wird, muss immer zuerst geprüft werden, wer wo nach welcher Rechtsordnung für den Fall zuständig ist. Gemäss Gesetzen und anerkannter Praxis gelten der Ort der Tatbegehung, die Nationalität und der Status des Beschuldigten sowie ev. entsprechende Vertragsbedingungen als relevant. Wenn in casu ein Schweizer Treuhänder in einer ausländischen Firma als sogenannter Trustee (unser Recht kennt keine Trusts) Geschäfte für Kunden einer offensichtlichen Steuerhinterziehungsgesellschaft «off shore» tätig ist, gilt nicht Schweizer Recht. Dies war den Vertretern der Bank Bär und der Schweizer Staatsanwaltschaft schon 2009 aktenkundig bekannt. Dennoch bemühte sich im Verlauf dieser Justizgroteske auch schon 2009 der Generalstaatsanwalt in George Town um eine Strafuntersuchung, ohne diese je abzuschliessen. Es ist auch unzulässig, wegen der gleichen (vorgeworfenen) Straftat in zwei Verfahren in zwei Ländern verfolgt zu werden. All dies fiel den gut bezahlten zahlreichen Richtern, Staatsanwälten und Justizbeamten in diesem Monsterprozess mit insgesamt 140 Ordnern angeblich nie rechtzeitig auf. Im Gegenteil unterschlug die Staatsanwaltschaft wiederholt diese Akten, was aber auch nach Beschwerden von Elmer nie geahndet wurde. Die grotesk hohen Untersuchungskosten beliefen sich gemäss Zürcher Obergericht bis heute auf knapp 4 Mio. Franken. Beispielhafte Arbeit leistete dagegen die engagierte und kompetente, preiswerte amtliche Verteidigerin, Rechtsanwältin Gandem Tethong.

 

Zwei fundierte psychiatrische Gutachten bestätigten, dass Elmer zur vorgeworfenen Tatzeit der Drohung und Urkundenfälschung unter einer posttraumatischen Störung litt, was bei der Strafzumessung wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit nicht berücksichtigt wurde. Wenn jemand zu Unrecht u.a. wegen angeblicher Amtsgeheimnisverletzung insgesamt während 220 Tagen in Untersuchungshaft sitzt und dann aus einer psychiatrischen Behandlung noch unter Strafandrohung vor Bezirksgericht Zürich zitiert wird und dort gesundheitlich zusammenbricht, hätten schon damals alle juristischen und psychologischen Alarmsignale auf Stopp gestellt werden müssen. Aber man wollte den Fall unbedingt aus Verjährungsgründen erledigt haben. Deshalb wies der Vorsitzende der Strafkammer des Zürcher Obergerichts, Peter Marti, die Staatsanwaltschaft auch an, den eingeklagten Tatbestand der Amtsgeheimnisverletzung formal nicht mehr selber zu untersuchen, sondern ihm wöchentlich zu rapportieren. Derselbe Oberrichter Marti beschuldigte den «nur aus formalen Gründen» der Bankgeheimnisverletzung widerwillig Freigesprochenen noch in der Urteilsverkündung: «Sie sind kein Whistleblower, sondern ein ganz normaler Krimineller, ein nur auf seinen eigenen Vorteil bedachter Krimineller.» Auch diese Persönlichkeitsverletzung von Elmer wurde – wie alle andern Beschwerden (mit einer Ausnahme) abgewiesen. Für den heute bald 63-jährigen Ex-Bankangestellten war der alte Patron Hans Bär das damalige grosse Vorbild, der zum Erstaunen und Ärger der Bankengilde das Bankgeheimnis schon vor Jahren mit der Bewertung kritisierte‚ es mache nur fett und impotent. Die Familie Bär verkaufte dann die Aktienmehrheit u.a. an die grösste Wirtschaftskanzlei Karrer & Co. und die UBS, welche mit kurzfristig 20 Prozent des damaligen Aktienbestandes über die ‹Bären› so ins internationale Treuhandgeschäft einstieg. Die Aktien der Bär & Co. AG verloren seither rund einen Drittel ihres Börsenwertes, weshalb für diese Bank auch unter den nachfolgenden CEOs die separaten Geschäfte ihrer Trusts auf den Cayman-Islands weiter wichtige, sichere Ertragsquellen blieben. Eine ‹Beratungsstunde› bei einem Wirtschaftsanwalt zur Gründung von Trusts kostete schon damals rund 1000 Franken. Dank diesen ‹Beratungen› mussten die Steueroptimierungsgewinne für die superreichen Kunden deshalb entsprechend hoch sein,was global zu Milliardenverlusten von ordentlichen Steuereinnahmen führte.

 

Nach Einschätzung von Elmer bringt leider auch der Automatische Informations-Austausch (AIA) den geschädigten Staaten nur etwas, wenn natürliche oder juristische Personen ihre Konten off-shore auf ihre eigenen Namen eröffnen, was aber regelmässig durch Strohmänner bzw. entsprechende Trusts umgangen werde.

 

Wer die Prozessgeschichte der Familie Elmer vertieft studiert, weiss, dass Heidi Elmer auch noch haltlos der Gehilfenschaft zur Bankgeheimnisverletzung ihres Mannes in der Schweiz beschuldigt wurde, um so ihre Gefängnisbesuche zu verhindern. Rückblickend erlitt – nach Aussagen von Rudolf Elmer – dieser ehemals gut bezahlte Buchhaltungsexperte und Berater in den vergangenen Jahren wegen seines faktischen Berufsverbots ca. 4 Millionen Franken an Lohneinbussen. Weder das Zürcher Ober- noch das Bundesgericht sprachen dem betreffend Bankgeheimnisverletzung Freigesprochenen eine Haftentschädigung für die 220 Tage U-Haft zu. Dafür fordert das Bundesgericht nun noch 320 000 Franken Untersuchungskosten für die durch den angeblich von Elmer überbelasteten Justiz­apparat. Das nennen nun auch Rechtsprofessoren einen Justizskandal!

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