Unterträglich, aber nötig

Unkommentierte Bildaneinanderreihungen eines Afrikabildes der «stolzen Wilden» aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts durch den damals offenbar einflussreichen Vermittler René Gardi (1909 – 2000) sind auf eine Dokumentarfilmlänge ausgedehnt, nur sehr schwer auszuhalten. Missionare galten als neutrale Helfer, Kolonialherren als Zivilisationsüberbringer, in der Hauptsache bestand das Welt- und Menschenbild gegenüber Völkern südlich der Sahara damals darin, die unterentwickelten Wilden aus ihrem Elend befreien zu müssen. Diese hehre Aufgabe bedurfte mitunter auch der gewalttätigen Bestrafung und sei es das Niederbrennen der gesamten Ortschaft, weil: Der Zweck heiligt die Mittel – auch noch Jahrhunderte nach der Inquisition. «African Mirror» ist eine Zumutung. Aber gerade daraus schöpft er seine Dringlichkeit. Das Begehren, nach dem Bergier-Bericht auch noch die Rolle der Schweiz im Kolonialismus aufarbeiten zu wollen, wurde bundesparlamentarisch mit Juhee verworfen. Eine weitere Majestätsbeleidigung des schweizerischen Nationalstolzes auf dem Fundament von Unschuld und Unfehlbarkeit geriet noch kurz nach der Jahrtausendwende unter den Generalverdacht von mindestens Landesverrat. Mischa Hedinger (*1984) unternimmt mit seinem absichtlich unkommentierten Afrikabild aus der Warte von René Gardi in «African Mirror» den waghalsigen Versuch, die Rolle der Schweiz, von Schweizern und von Schweizer Firmen in den Zeiten der Kolonialherrschaften erneut als Thema von nicht nachlassender Aktualität auf den Schild der Aufmerksamkeit zu heben. Das sagt er alles nicht explizit. Es genügt, den Nachlass von René Gardi, den Hedinger erworben und dem Staatsarchiv Bern überantwortet hat, wo er ihn sichten und auswerten konnte, in einer filmischen Montage in eine Quintessenz zu überführen. Es ist mindestens eine Überlegung wert, welche Auswirkungen das damalige Selbstverständnis im Umgang mit dem Faszinosum des Fremden auf eine heutige Haltung hat. Mischa Hedinger kratzt am Lack der genügsamen Selbstzufriedenheit, indem er Teile davon für sich sprechen lässt. Danke dafür. froh.

 

«African Mirror» spielt im Kino RiffRaff.

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