Heimsport auf der wackligen Hockerleiter, klappt. Stromsparen beim Tischdecken, klappt. Ohne Radio Kultursendungen hören, klappt. Rahel Valdivieso alias Florence Blumenthal hat die verordnete Kontakteinschränkung über alle Massen antizipiert, dass sie sich längst selbst glaubt, diesen Zustand zu geniessen. Unvermittelt klopft ein Klavierstimmer (Martin Imhof) an die Tür. Also: reden. Sinnzusammenhängend, situationsgerecht und lösungsorientiert. Angestachelt von dessen drei Worten zur Begrüssung, die sie selbst als ausufernden Wortschwall erlebt, setzt sie zur verbalen Gegenwehr an. Mehr in Reimen als in Zusammenhängen, mehr grundsätzlich als zu akuten Fragen, mehr immer weitere Fässer auftuend, als irgendwann einen Punkt anpeilend. Schon ein schüchtern geäusserter Pieps von seiner Seite steigert ihre Wallung und ihr Kalauerreigen hebt an zum Gesang: «Chumm mehr nöd so», kanzelt sie ihn sec ab, derweil ihr Rundumschlag über sämtliche praktischen, theoretischen und hypothetischen Fragen eines Menschenlebens neuen Schwung erlangt. Das Problem der Freiheit lässt sich am einprägsamsten anhand eines einzelnen Dosenerbschens auf Reisen erläutern. Das eigene Alleinsein mitsamt der intrinsischen Worgewaltigkeit am anschaulichsten mit der einstigen Rezitation eines Medea-Monologes für die Aufnahmeprüfung an die Schauspielschule. Die Irritation des Stimmers steigt zwar mit jeder Gesprächsvolte weiter an, doch mit ihr auch sein Bedürfnis einer Teilhabe an ihrer Weltenbetrachtung. Sein Horizont ist ihrem gegenüber regelrecht eingeschränkt. Er appelliert allein für Massnahmen der Weltenrettung, bemängelt die gesundheitsbedenklichen Ernährungsgewohnheiten und sieht mit der Dringlichkeit einer Gouvernante nur Not, Übel und Verderben allüberall. Einen solchen Hang zur Profanität kann eine Poetin wie sie nicht die Überhand gewinnen lassen, weshalb sie zum Äussersten ansetzt und tatsächlich beginnt, in einen direkten Dialog mit ihm zu treten. Mit konkreter Frage, die eine konkrete Antwort generiert. Baff, bleibt er stumm, was sie als Affront wahrnimmt und ihn hinauskomplimentiert. Womit der Reigen erneut bei Quasinull beginnen kann und sich die Geschichte in den drei bekannten Varianten ihrer Wiederholung abspielen kann. In Echtzeit ist Rahel Valdiviesos Furor nahe einem Naturereignis, im Nachhall hingegen beschleicht einen die Trauer über ihren Zustandsbeschrieb einer Gesellschaft als letztlich himmeltraurig sozialverirrt.
«Verschliessmeinnicht!», 5.10., Theater Stok, Zürich.