Über das Impfen

«Man muss nicht alle Kinder impfen. Nur die, die man behalten will.» Sagte einmal Beda Stadler, Biologe und ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie der Uni Bern. Das fand ich lustig. Und ich kann das auch lustig finden, denn ich lebe in der Schweiz. Da kann ich so richtig lachen ab solchen Bonmots.

 

Ausserhalb Europas sieht es ein wenig anders aus, weniger lustig halt. Jährlich sterben gemäss UNICEF weltweit über 30 000 Babys in den ersten Monaten ihres Lebens an Tetanus. Gegen Tetanus kann man sich impfen, wenn man Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung hat.
Aus diesem und anderen Gründen hielt ich das Impfen deshalb immer für ein Privileg, eine Errungenschaft der modernen Medizin, die mir zugute kommt, weil ich ziemlich Glück hatte mit meinem Geburtsort. Und gleichzeitig hielt ich die sogenannten Impfgegner für eine kleine Gruppe von Menschen, die einfach eine sehr grosse Schnittmenge beispielsweise mit Chemtrail-Anhängern und anderen Verschwörungstheo­retikern haben oder auch solchen, die diese Esoterikmessen am Leben erhalten.

 

Neuerdings muss man den Eindruck gewinnen, dass diese kleine Gruppe einen grösseren Einfluss hatte als vermutet. Seit Anfang Jahr starben zwei Menschen aufgrund einer Maserninfektion, weit über 100 Masernfälle wurden dem BAG gemeldet. Das sind siebenmal mehr Erkrankungen als noch im Vorjahr.
Warum impft man nicht? Auf der Suche nach einer Antwort habe ich mich durch zahllose Artikel, Radio- und Fernsehbeiträge gepflügt. Und ich stelle fest: die Angst geht um. Die Angst vor den angeblichen Nebenwirkungen, die von allen Fachpersonen mit Hinweis auf Studien negiert und hingegen von NaturheilpraktikerInnen und zwei, drei Ärzten, nach denen man ganz offensichtlich sehr lange suchen musste, als reale Gefahr gepredigt werden. Letzteren wird in jedem Beitrag ebenfalls eine Plattform geboten. Es erinnerte mich an den kürzlich in der ‹Republik› erschienenen Artikel «Keine Bühne mehr für Klimaleugner. Liebe Medien, die Debatte ist beendet: Warum es Zeit ist, wissenschaftsfreien Unsinn konsequent zu verbannen.»

Ausgangspunkt dabei ist die BBC, die festgelegt hat, keine Klimaleugner oder -skeptiker mehr zu Wort kommen zu lassen. Das ist nicht das Ende einer ausgewogenen Berichterstattung, sondern gerade das Gegenteil.
Wie die ‹Republik› schreibt: Die BBC erachtet die Klimaerwärmung als erwiesen, der Bericht des Weltklimarates hat eine fundierte wissenschaftliche Evidenz dafür geliefert. Und wenn man die Klimaerwärmung als erwiesen betrachtet, muss man keine Skeptiker zu Wort kommen lassen. Man lasse auch niemanden zu Wort kommen, der behauptet, dass Manchester United 2:0 gewonnen habe, obwohl die Mannschaft das Spiel verloren hat, zitiert die ‹Republik› die BBC.

 

Mit dem Impfen ist es nicht anders. Solange man nämlich den Fakten aus der Wissenschaft dubiose Theorien über Impfschäden gegenüberstellt und damit implizit sagt, dass sie gleichwertig sind, wird sich das nicht ändern. Impfen schützt. Das ist erwiesen und braucht keine Gegendarstellungen.
Wenn es auf dem Weg dorthin allerdings einen Impfzwang braucht, dann müsste ich mir das überlegen. Rechtsstaatlich tut es mir ein wenig weh. Ein Zwang ist nichts Schönes. Aber ein toter Mensch auch nicht so sehr, oder?

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