Trendwende einleiten: Einkommen entlasten – Kapital belasten!

An was denken Sie, wenn Sie an Steuern denken? An Einkommens – und Vermögenssteuern, an die Mehrwertsteuer oder gar an Unternehmens-Gewinnsteuern? Oder an Stempelsteuer, Teilsatzbesteuerung bei qualifizierten Beteiligungen, Kapitalsteuer, Handänderungssteuer, Holding-Privileg, Lizenzbox, Kapitalgewinnsteuer, Ring-Fencing, Grundstücksgewinnsteuer, Emissionsabgabe, Kapitaleinlageprinzip?

 

Jacqueline Badran

 

Sie verstehen nicht, wovon ich rede? Eben – ich auch nicht wirklich. Und so geht es fast allen PolitikerInnen und JournalistInnen.  Unser Steuersystem  ist eine komplexe Materie, ja sozusagen eine Geheimwissenschaft. Die grossen Steuerberatungs – & Revisionsfirmen – wie KPMG und PWC – verstehen das. Wir nicht. Sie sind es auch, die unsere Steuerreformen mit ihren Gesetzen schreiben. Nicht etwa die Ver waltung oder die Politik. So ist es nicht ver w underlich, dass in den letzten15 Jahren unser Steuersystem regelrecht umgepflügt wurde. Schleichend. Fast unbemerkt. Ein  Talk-Täglich  in  ‹TeleZüri›  zu  dem  T hema, eine Schlagzeile in ‹Blick am Abend›, eine Spalte in ‹20minuten›? Undenkbar.   Kapital wurde massiv entlastet. In Milliardenhöhe. Sie verlangen Zahlen? Ich auch. Aber die gibt es nicht. Das nennt man gewollte Intransparenz. Steuerreformen  anzetteln  mit  gewaltigen  finanziellen Auswirkungen, aber dann nicht wissen wollen was sie anrichten, wieviel sie die Gemeinschaft kosten und wer davon wirklich profitiert. Im Kanton  Zürich kosteten die Entlastungen des Kapitals in den letzten 15 Jahren rund zwei Milliarden Franken. Jährlich! Diese Zahlen mussten wir mühsam selber erheben. Es sind vorsichtige Schätzungen und sehr unzuverlässig. Die Stadt Zürich allein kostet es 280 Millionen jährlich an entgangenen Steuereinnahmen. Das entspricht 18 (!) Steuerprozenten. Um diese konnten die Einkommenssteuern nicht entlastet werden. In Winterthur entspricht das strukturelle Defizit der Stadt präzis den Ausfällen wegen der Kapitalentlastung. Die A rbeitseinkommen refinanzieren somit die Steuerrabatte ans Kapital. Und schon sind neue Begehrlichkeiten da und mehrheitsfähig. Hallo Unternehmenssteuerreform III. Die A rbeitseinkommen im Gegenzug wurden stark belastet: die Lohnnebenkosten sind gestiegen, die Mehrwertsteuer auch. Gebühren sind flächendeckend  erhöht worden und die Einkommenssteuern kaum gesenkt worden.

 

Der Klassenkampf  von oben tobt

Der  Klassenkampf  geht  nicht  von  unten aus. Es geht auch längst nicht nur um den K ampf z wischen den hohen Einkommen und den tiefen. Nein es geht um den Kampf zwischen den beiden Produktionsfaktoren in der Wirtschaft: Kapital  und  Arbeit.  Die  grösste Umverteilung findet zwischen den Kapitaleigentümern  und  den  Lohnabhängigen  statt. Die SP und die Gewerkschaften stehen dabei auf der Seite der Arbeit. Aber sie stehen in einem vermeintlichen Dilemma, wenn nicht gar Gefängnis. Sie plädieren nämlich für die Erhöhung der Lohnnebenkosten und der Mehrwertsteuer zur Finanzierung unserer Sozialwerke. Und damit werden sie zu Handlangern des Kapitals. Dieses nämlich ist auf Grund der extrem hohen Mobilität schon lange in der Lage, uns permanent real zu erpressen: Es sagt, wieviel Steuern es zahlen will, es diktiert die Bedingungen. Sonst geht es. Das Kapital setzt die  Messlatte:  15 % Eigenkapitalrendite  sind es. Das ist noch bescheiden. Vor der Finanzkrise waren es noch 25 % . Was also die SP und Gewerkschaf ten  tatsächlich  tun,  ist  Brosamenpolitik: Äs bitzeli bessere Leistungen in der AHV, ein wenig Ausweitung der Krankenkassenprämienverbilligungen, ein paar mehr gemeinnützige Wohnungen. Und dabei verfolgen sie – aus der Not – eine Politik des «Wir nehmen es dem Mittelstand um es ihm wieder zu geben: Wir sind permanent für Mehrwertsteuererhöhungen und Mehrbelastungen der Einkommen».

 

Die SP steht auf der Seite der Arbeit und zwar von Allen. Und damit meine ich durch- aus auch den oberen Mittelstand. Sie hat sich für gute Löhne und möglichst geringe Belastung  der Arbeitseinkommen  zu  engagieren. Und deshalb muss die SP sich vehement gegen diese Umverteilung  von Arbeit zu Kapital stemmen. Sie muss sich dem Klassenkampf von oben stellen, der schon neofeudale Züge trägt. Die Linke muss auf hören auszuweichen und sich mit dem Umverteilen zwischen hohen Löhnen zu tiefen L öhnen zu begnügen. Das ist zwar mehrheitsfähig, wenn es um die Finanzierung der Sozialwerke geht oder staatliche Leistungen, aber nicht richtig. Und dies bezieht sich nicht nur auf das Steuersystem, sondern auch auf die kommenden Freihandelsabkommen, die Konzernen weitgehende Klagerechte auf entgangene Gewinne durch die Gesetzgebung einräumen. Und da nimmt die Linke sonderbare Positionen ein. Sie ergibt sich dem Diktat des K apitals wegen ein paar potenzieller Wachstumsprozente? Eben: Brosamen-Politik.

 

Erkläre die Verhältnisse

Will man die Verhältnisse ändern, muss man sie zuerst erklären. Und davor drücken wir uns permanent. Wussten Sie beispielsweise, dass die Emissionsabgabe auf Fremdkapital gestrichen wurde? Oder die Umwandlung von den Finanzierungsinstrumenten Cocos in Eigenkapital neu abgabenfrei ist ( Lex UMS). Wir aber reden von Abzocker wie wenn es einzelne schwarze Schafe wären, die sich bereichern würden. Nein, es ist ein systemisches Problem. Wir reden von «Steuergeschenken» an  Superreiche.  Ohne  aufzuzeigen,  um  was es geht, ohne Beispiele, ohne Zahlen. Unsere Worte sind ohne Macht. Unsere Phrasen bleiben wirkungslos.

 

Dagegen ist die Sprache der Bücklinge vor dem K apital macht voll. Sie f indet sich in jeder Hauptnachricht von SRG bis zur NZZ. Wirtschaftsfreundlich seien sie. Wer will das schon nicht sein? Dabei meinen sie eigentümerfreundlich. Die Märkte er warten eine Eigenkapitalrendite, wie wenn der Markt eine Seele hätte. Die Märkte reagieren enttäuscht, wie wenn die Märkte empfindsam seien.

 

Die Linke muss endlich die richtige Geschichte  richtig  erzählen.  Sie  ist  komplex, das ist eine Herausforderung. Aber sie birgt Sprengkraft. Es wird Jahre dauern. Aber es hat Empörungspotenzial. Kein Weg führt daran vorbei.

 

 

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