- Gemeinderat
Tram Affoltern soll aufs Gleis zurück
An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend verlas Fanny de Weck die Fraktionserklärung der SP mit dem Titel «Hört endlich auf mit der Verbotskultur für die Städte Zürich und Winterthur». Es ging natürlich um die Mobilitätsinitiative (vgl. dazu den Kantonsratsbericht auf Seite 4). Fanny de Weck verwies unter anderem auf die städtische Tempo-30-Initiative, die vor einem Jahr im Rat behandelt worden sei und die die SVP dann zurückgezogen habe, «aus Angst vor einem Nein der städtischen Bevölkerung». Die «selbsternannte Volkspartei, die so gerne vom Volkswillen spricht, möchte diesen nur hören, wenn er ihrer Meinung entspricht», fügte sie an und erinnerte FDP und SVP daran, «dass die Schweiz ein föderales Land ist». Stephan Iten (SVP) entgegnete, «ihr seid die einzige Verbotspartei!». Die Fraktionserklärungen von Mitte-/EVP und von der SVP befassten sich mit der Absage des Konzerts von Bernarda Brunovic. Für die Mitte-/EVP stellte Sandra Gallizzi (EVP) die Frage in den Raum, «wo bleibt hier die Meinungsfreiheit?». Die Äusserung der eigenen Meinung bedeute ja nicht zugleich, «dass anderen deren Meinung nicht zugestanden wird», hielt sie fest. «Beschämend» sei zudem auch der Umstand, «dass offenbar die Stadtpolizei Zürich vom Auftritt abgeraten hat, weil die Sicherheit nicht gewährleistet werden könne». In der Fraktionserklärung der SVP, verlesen von Samuel Balsiger, tönte das so: «Die Antifa musste lediglich einen Social-Media-Post mit einer Ankündigung einer Protestaktion hochladen und die Sicherheitsvorsteherin war bereits nicht mehr imstande, die Grundrechte sicherzustellen.»
Tram vorfinanzieren oder nicht?
Mit einer dringlichen Motion verlangten Benedikt Gerth (Die Mitte), Thomas Hofstetter (FDP) und Anjushka Früh (SP) die «Sicherstellung des Tramprojekts Affoltern gemäss Zeitplan». Benedikt Gerth erinnerte daran, dass der Regierungs- und der Kantonsrat das Projekt Tram Affoltern in der Finanzplanung «zeitlich nach hinten versetzt» hätten. Laut dem Kanton habe das keine Auswirkungen, fuhr er fort, «doch das sehen wir anders». Es gebe diverse Quartierentwicklungsprojekte, die davon abhingen. Zudem sei die Wehntalerstrasse in einem schlechten Zustand. Sie jetzt nur zu flicken und später erneut aufzureissen, wäre nicht sinnvoll. Deshalb solle der Stadtrat Vorfinanzierungsmöglichkeiten für den Anteil des Kantons in Betracht ziehen. So könnten der Zeitverlust wie auch die zusätzlichen Kostenfolgen aufgrund des Entscheides auf kantonaler Ebene verhindert und der Baubeginn vor 2028 sichergestellt werden.
Die Ablehnung der Grünen begründete Julia Hofstetter. Sie betonte, die Wehntalerstrasse sei bereits «eine richtig breite Strasse», die nun um sechs Meter verbreitert werden solle. Es sei «nicht ersichtlich», weshalb das Tram nicht im bestehenden Strassenraum gebaut werden könne. Die Grünen hätten nichts gegen das Tramprojekt, fügte sie an, «aber wir lassen uns nicht erpressen»: Es handle sich hier um einen Ausbau des Autoverkehrs, und obendrein müssten dafür über 600 Bäume gefällt werden. An den Veloverkehr sei auch nicht gedacht worden. In ein solches Projekt wollten die Grünen kein Geld reinbuttern, das man vom Kanton sicher nicht retour erhalte.
Sven Sobernheim (GLP) gab zu bedenken, dass es hier gar nicht um das Tram Affoltern gehe, sondern um einen «unüblichen Verteilschlüssel», der den Zürcher Verkehrsverbund infrage stelle. Eine Vorfinanzierung für ein öV-Projekt, das auf kantonalen Grundlagen entstanden sei, zahle der Kanton der «verhassten Stadt» sicher nicht zurück, zumal derselbe Kanton der Stadt bereits den Finanzausgleich kürzen wolle. Ein allfälliger Vergleich der Vorfinanzierung der Durchmesserlinie durch den Kanton hinke, gab Sven Sobernheim weiter zu bedenken. Denn das Geld für die Durchmesserlinie sei damals vom Bund bereits gesprochen und die Vorfinanzierung deshalb auch kein Risiko gewesen. Hier aber wäre das anders. Mit einem Ja zur dringlichen Motion würde der Rat Ja sagen zu einem Projekt, «das wir selber zahlen müssen» und das zudem dem Grundsatz in der Zürcher Gemeindeordnung widerspräche, dass der motorisierte Individualverkehr nicht zunehmen dürfe. Der würde mit diesem Projekt nämlich um drei Prozent gesteigert. Zum Zeitplan fügte Sven Sobernheim an, gemäss dem ursprünglichen Plan müsste das Tram Affoltern seit 2023 in Betrieb sein. Er erinnerte an den früheren Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe, Andres Türler, der Machbarkeitsstudie und Kredit fürs Tram Affoltern per 2015 angekündigt habe (siehe z.B. P.S. vom 27. März 2015).
«Nach hinten schieben kostet Millionen»
Thomas Hofstetter (FDP) sprach von den 5000 Einwohner:innen mehr, die bis 2050 in Affoltern wohnen würden. Der Bus sei jedoch jetzt schon voll. Hier gehe es zudem nur um eine Vorfinanzierung, damit das Tram wieder im Plan liege und man das Projekt weiterverfolgen könne: «Wird das Tram weiter nach hinten geschoben, kostet das jedes Jahr mehrere Millionen Franken.» Er zeigte sich nicht weiter darüber erstaunt, dass die SVP Nein sage, denn bei ihrer Fraktion habe der öV «keine hohe Priorität». Doch das Nein der Grünen irritiere ihn, könnten sie doch sonst «nicht genug Millionen in den öV lenken», fügte er mit Verweis auf die Debatte von letzter Woche über vergünstigte öV-Abos an.
Anjushka Früh griff den Hinweis auf und betonte, der öV müsse eben nicht nur billiger werden, sondern auch besser. Das sei in Affoltern nur zu erreichen, wenn das Tram komme. Das Quartier warte «schon sehr lange» darauf. Christian Häberli (AL) rechnete vor, die 682 Bäume, die gefällt werden müssten, entsprächen sieben Hektaren Wald und diese Fläche wiederum in etwa dem Areal an der Thurgauerstrasse samt Park, Schulhaus und Wohnraum für 1800 Menschen. Man könne sich zudem fragen, ob es sinnvoll sei, wie an der Thurgauerstrasse vier Auto- und zwei Tramspuren, also «denselben Blödsinn» zu planen. Johann Widmer (SVP) betonte, der öV sei seiner Fraktion «sehr wichtig», doch ob das Tram «ein bisschen später» komme, sei doch nichht schlimm – «eure Klientel hat schliesslich Velos und Cargobikes».
Nach ausgiebiger Debatte schritt der Rat zur Abstimmung: Mit 66 Ja gegen 51 Nein und einer Enthaltung überwies der Rat die dringliche Motion. Danach stand unter anderem noch die Redaktionslesung der Vorlage zur Einschränkung des Einsatzes von Laubbläsern an. Sie kam in der Schlussabstimmung gegen die Stimmen von SVP, FDP und Mitte-/EVP durch. In der kurz darauf versandten Medienmitteilung gaben die drei Fraktionen bekannt, dass sie, wie bereits angekündigt (siehe P.S. vom 7. März) gegen diesen Entscheid das Parlamentsreferendum ergreifen.