Träf

Schüchtern und naiv sei sie, behauptet Frölein Da Capo und entpuppt sich zusehends als raffinierte Schelmin.

 

Von Willisau her betrachtet, ist die ganze Welt ein Dorf. Zumindest, wenn sie hauptsächlich von Verwandtschaft bevölkert wird. Kein Wunder, liegen die einfachen Erklärungen Irene Brügger alias Frölein Da Capo vermeintlich am nächsten. Aber obacht. Ihre musikalische Analyse des Wesens demokratischer Wahlen wirkt bloss unbeholfen, inhaltlich ist sie überaus träf, was hilft vom Kleinklein zum Ganzgross der Lebensfragen hinüberzusetzen. Rechnen ist hinsichtlich einer Rabattaffinität ähnlich hilfreich wie die Gegenüberstellung von Kalorien mit Genuss. Frausein ein unbedingter Vorteil, wenns um die Vorstellung geht, wie sich die Welt entwickelt hätte, stünde in Altdorf eine Nationalheldin, aber ein unbedingter Nachteil, hiesse es beim Tanz «Damenwahl», weil: Was heisst schon Wahl? Im jüngsten Programm «Kämmerlimusik» spielt sie mindestens drei neue Ohrwürmer – und dies mit grosser Leichtigkeit, obschon sie der Zahl drei in anderem Zusammenhang eine immense Komplexität zuschreibt. Bei ihr ist halt alles eine Frage der Betrachtung. Und wenn sie teils recht umschweifig verbal vorexerziert, wie simpel die Realität meist eben doch ist («Ich ha d’Zuegab extra güebt»), versetzt sie meist Zwerchfell und Hirnwindungen zugleich in Schwingung. Nicht ohne zuvor exemplarisch vorgeführt zu haben, was ein Lacher an falscher Stelle für fatale Folgen zeitigen kann. Das Programm ist nicht nur musikalisch, sondern vor allem auch inhaltlich richtig rund und als i-Tüpfelchen verschenkt sie illustrierte Einblicke in eine lang anhaltende Karriere – im Schatten einer schieren Endlosreihe von mittlerweile berühmten Männern… Sie hat die Kampftechnik der Feindesumarmung auf sämtliche Belange eines Lebens ausgedehnt, bedient sich dafür der Wirkung ihres Augenaufschlags wie eine Mata Hari selig. So gesehen, ist ihr drittes Soloprogramm eine einzige Drohung, äh eine Einladung für ein Tänzchen auf dem Glatteis. froh.
«Kämmerlimusik», 8.3., Theater am Hechtplatz, Zürich.

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