Tomaten und Tukane

Der Zürcher Gemeinderat debattierte ausführlich über eine Zonenplanänderung und einen Tukan – oder doch lieber zwei Tukane?

Die Vorlage, die an der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend am meisten zu reden gab, trug einen unverfänglichen Titel: «Zonenplanänderung und Änderung der Bauordnung ‹Stadtgärtnerei›, Zürich-Albisrieden, Kreis 9». Was konkret dahinter steckt, führte Kommissionssprecher Jürg Rauser (Grüne) aus: Das Areal der Stadtgärtnerei, das südwestlich des Friedhofs Sihlfeld liegt, umfasst eine Fläche von 36 458 Quadratmetern. Bei der Änderung der Bau- und Zonenordnung (BZO), die zur Debatte stand, ging es jedoch nur um eine Fläche von rund 30 000 Quadratmetern, die sich heute in der Wohnzone W4 beziehungsweise in der Erholungszone E3 befinden. Der restliche, in der Freihaltezone befindliche Teil des Areals ist von dieser Teilrevision der BZO nicht betroffen.

Auf dem Grundstück der Stadtgärtnerei stehen heute Betriebs- und Lagergebäude, Werkstätten, Gewächshäuser, öffentlich zugängliche Schauhäuser sowie zwei Wohnhäuser, und auf den unbebauten Flächen wird gegärtnert. Die Quartierbevölkerung schätze die öffentlich zugänglichen Schauhäuser, aber auch die historische Parkanlage und den grünen Freiraum als Naherholungsgebiet, sagte Jürg Rauser. Der Auftrag der Stadtgärtnerei ergebe sich aus dem «Grünbuch der Stadt Zürich», das 2019 aktualisiert wurde. Demgemäss produziert die Stadtgärtnerei Zierpflanzen, Kräuter, Setzlinge und Blumenspezialitäten für die Floristik, die eigenen Märkte sowie für Schul- und Schülergärten, und in den kommenden Jahren soll das Areal schrittweise erneuert und verstärkt der Stadt- und Quartierbevölkerung zugänglich gemacht werden. Zudem soll auf dem Gelände künftig vermehrt «Grünes Wissen» vermittelt, Biodiversität erlebbar gemacht und ein Bildungszentrum aufgebaut werden.

Die Sache hat nur einen Haken: Der aktuell rechtskräftige Zonenplan bildet weder die heutige noch die geplante Nutzung ab, die bestehenden Gebäude in der Erholungszone sind dort zonenwidrig, und der Bereich Werkstätten und Logistik ist bezüglich Wohnanteil und Lärmempfindlichkeit in der Wohnzone nicht konform. Deshalb stand nun die Umzonung der Wohnzone W4 in Zone für öffentliche Bauten und die Umzonung der Erholungszone E3 in eine Zone für öffentliche Bauten an, während die bestehende Freihaltezone auf dem Areal unverändert bleiben soll. Es sei zwar «unschön», 17 500 Quadratmeter Wohnzone umzuzonen, sagte Jürg Rauser, doch es handle sich dabei nicht um einen echten Verlust an Wohnzone, weil sie stets als Stadtgärtnerei genutzt worden sei. Weshalb sie in der ersten BZO von 1946 der Wohnzone W4 zugeteilt worden sei, lasse sich nicht mehr eruieren. Die Zone für öffentliche Bauten wiederum gebe es erst seit der BZO von 1992. Weil das Areal im Inventar der schützenswerten Ortsbilder ISOS ist, wäre es sehr schwierig, dort Wohnbauten zu projekteren, fügte er an und gab bekannt, die Mehrheit der Kommission stimme der Vorlage zu.

Für die Minderheit sprach Flurin Capaul (FDP) – seine Fraktion stellte einen motivierten Rückweisungsantrag. Er erklärte, wenn man die Leute frage, was ihnen zum Stichwort «Stadtgärtnerei» einfalle, sagten sie «Tomatensetzlinge» wegen des bekannten Setzlingsmarkts – und «Tukan», weil dort bis 2017 ein Tukan namens Bosi zu bewundern war, der sehr beliebt gewesen sei. Vor allem aber sei das Wohnen zurzeit die grösste Sorge der Menschen in Zürich, weshalb man den Wohnanteil auf diesem Areal entsprechend nutzen sollte: «Hier könnten wir Tomaten und Wohnen elegant verbinden.» Deshalb weise die Minderheit die Vorlage zurück und verlange eine neue – und wenn Einträge im Inventar das Problem seien, müsse man das Areal halt daraus entlassen. Die Mehrheit lehne den Rückweisungsantrag ab, erklärte Jürg Rauser, denn ein Wohnbauprojekt sei dort «leider nicht umsetzbar». Zudem bräuchte es dann einen Ersatzstandort für die Stadtgärtnerei, was die Mehrheit ebenfalls nicht wollte.

Mit einem Begleitpostulat verlangten Flurin Capaul und sein Fraktionskollege Roger Suter zudem die «Haltung eines Tukans in der Stadtgärtnerei». Es habe ja bereits «eine ganze Menagerie» an Vögeln dort, sagte Flurin Capaul zur Begründung, und zudem hätten viele Menschen «beste Erinnerungen» an den Tukan Bosi.

Stadträtin Simone Brander fand, das sei ein «tierisches Thema», doch der 2017 verstorbene Bosi sei der Stadtgärtnerei von einer Privatperson vermacht worden. Keines der Tiere in der Stadtgärtnerei sei bewusst angeschafft worden, sondern es handle sich um Tiere, für die ein neuer Platz gefunden werden musste, oder solche, die der Zoll beschlagnahmt hatte. Zudem bräuchte es gemäss heute geltendem Tierschutzgesetz zwei Tukane, was nebst Anschaffungskosten von rund 20 000 Franken auch Personal mit entsprechender Ausbildung bedingen würde.

«Ein Jux»

In der anschliessenden Debatte hielt Nicolas Cavalli (GLP) fest, man müsse «nicht jede Fläche verbauen, die man hat», weshalb seine Fraktion den Rückweisungsantrag ablehne. Auch einen Tukan, beziehungsweise deren zwei, fänden die Grünliberalen keine gute Idee. Mischa Schiwow (AL) erklärte, seine Fraktion stelle sich hinter die Vorlage des Stadtrats und bezeichnete den Rückweisungsantrag der FDP als «Posse» – ausgerechnet eine der raren Grünflächen dort überbauen zu wollen, die der Bevölkerung als Erholungsraum diene, sei eine Provokation für alle, die sich für mehr preisgünstige Wohnungen einsetzten. Und das Tukan-Postulat sei wohl «als Jux zu verstehen». Claudia Rabelbauer (EVP) hingegen sprach sich dafür aus, zu prüfen, ob auf dem Areal nicht doch Wohnraum möglich wäre, und damit für ein Ja zum Rückweisungsantrag.

Marco Denoth (SP) erinnerte die FDP daran, dass der geltende Richtplan, den die Stimmberechtigten gutgeheissen hätten, dort die Stadtgärtnerei vorsehe – und dass der Richtplan behördenverbindlich sei: «Der Stadtrat kann dort gar keinen Wohnraum planen.» Worauf Flurin Capaul entgegnete, Marco Denoth (der die Kommission geleitet hatte, die für die Richtplanrevision zuständig war / nic.) sei «befangen»: «Wir von der FDP waren immer gegen den Richtplan, und jetzt kommen dessen Schwächen hervor.» Stadtrat André Odermatt erinnerte schliesslich noch daran, dass die Stadt nicht einfach ein Gebiet aus dem ISOS entlassen kann, da es sich dabei um ein Bundesinventar handelt.

Der Rat lehnte den Rückweisungsantrag mit 90 zu 26 Stimmen (von FDP und Mitte/EVP) ab. Die Vorlage geht nun an die Redaktionskommission. Das Tukan-Postulat ging mit 28 ja, 79 Nein und einer Enthaltung ebenfalls bachab.

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