Bild: Hannes Henz

Teuer, teurer, Hallenbad Oerlikon

Der Zürcher Gemeinderat hat dem Ersatzneubau des Sportzentrums Oerlikon zugestimmt, wenn auch unter Kritik.

Zu Beginn der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend gab es wieder einmal viele persönlichen Mitteilungen. Ronny Siev (GLP) klagte, dass eine Gruppe jüdischer Frauen nicht am feministischen Streik habe teilnehmen können: Die Stadtpolizei habe davon gewarnt, das sei zu gefährlich. Es seien am Umzug offenbar gewaltbereite antisemitische Frauen dabeigewesen. Michele Romagnolo (SVP) ärgerte sich über die schriftliche Anfrage zum Schlagstock-Einsatz an der Demo zum internationalen Frauentag vom 8. März, die der Stadtrat am 4. Juni beantwortet hat: Schlagstöcke würden infrage gestellt, aber «vermummte Gewaltchaoten» seien kein Thema. Dabei gelte das Vermummungsverbot, und sowieso müsste man «die ganze Saubande einkesseln und verzeigen». Urs Riklin (Grüne) konterte, er sei erstaunt, er hätte gedacht, dass Romagnolo etwas zum Auftritt der Jungen Tat von letzter Woche auf dem Rütli sagen werde. Samuel Balsiger (SVP) entgegnete ihm, «wir reden hier drin halt über städtische Politik, nicht über die des Bundes», was angesichts von Balsigers regelmässigen Wortmeldungen im Rat zum Thema «Masseneinwanderung» für Heiterkeit im Saal sorgte. 

Nach einigen weiteren Wortmeldungen hiess der Rat ohne jegliche Diskussion den Neuerlass der Verordnung über den Tarif Messung sowie das Reglement über den Betrieb des Verteilnetzes und die Energielieferung des Elektrizitätswerkes der Stadt Zürich EWZ gut. Kommissionssprecher Beat Oberholzer (GLP) hatte gleich zu Beginn seines Votums erklärt, es handle sich um eine «formelle, technische» Angelegenheit. Konkret werden die Anpassungen am Reglement und die neue Verordnung nötig wegen der Annahme des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, des sogenannten Mantelerlasses, in der Volksabstimmung vom 9. Juni 2024. Inhaltlich geht es beispielsweise darum, dass die Kosten für die Messung neu nicht mehr pauschal, sondern verursachergerecht verrechnet werden. Die Vorlage geht nun noch an die Redaktionskommission.

Viel teurer als erwartet

Viel zu reden gab erwartungsgemäss die Vorlage zum Sportzentrum Oerlikon, das bereits früher für Misstöne gesorgt hat (siehe auch P.S. vom 6. Oktober 2023 und vom 1. November 2024). Die SVP hatte ursprünglich sogar einen Rückweisungsantrag gestellt, zog diesen aber kurzfristig zurück. Der geplante Ersatzneubau mit Bade-, Eis- und Rasensportanlage, Werkhof und öffentlichen Freiflächen soll das rund 45 Jahre alte Hallenbad Oerlikon ersetzen. Dieses weise «betriebliche und konstruktive Defizite auf, die bei einer Instandsetzung nur mit grossem Aufwand behoben werden könnten», heisst es in der Vorlage. Gleichzeitig habe sich «der Nutzungsdruck auf das Bad im Zuge des Bevölkerungswachstums verstärkt». Ja mehr noch: nicht nur auf das Bad selbst, sondern auch auf die nahegelegenen Fussballfelder und die «in die Jahre gekommene» Kunsteisbahn.

Kommissionssprecherin Tamara Bosshardt (SP) wies darauf hin, dass es im Hallenbad rund 60 Prozent mehr Wasserflächen geben wird: Neu sind es zwei Lernschwimmbecken, dazu gib es ein zusätzliches Sommerbad mit Aussenliegefläche. Weiter ist ein zusätzliches überdachtes Eisfeld vorgesehen, was mehr Nutzungsstunden erlaube, sowie ein weiteres Rasensportfeld. Dazu kommen mehr öffentlich zugängliche Grünflächen und ein Werkhof von Grün Stadt Zürich. Tamara Bosshardt erklärte auch, dass dieses «Kombiangebot» einen geringeren Landverbrauch verursache, als wenn Hallenbad, Eisfläche etc. je separat gebaut würden. Natürlich wird der Neubau auch energetisch top, und Photovoltaikmodule liefern dereinst rund einen Viertel des benötigten Stroms. Das, was in der anschliessenden Debatte die Gemüter am meisten erhitzen sollte, erwähnte Tamara Bosshardt natürlich auch noch: Die Kosten waren 2018 auf rund 175 Millionen Franken geschätzt worden, 2021 dann auf rund 210 Millionen, und jetzt sind es inklusive Reserven 373 Millionen Franken. Begründet wird dies in der Vorlage unter anderem mit der Teuerung, mit Altlasten, von denen man keine Kenntnis gehabt habe, mit zusätzlichen Massnahmen für die Statik und mit der Komplexität der Gebäudetechnik.

Kein Tennisplatz, viele Parkplätze

Für die Minderheit führte Balz Bürgisser (Grüne) aus, was seine Fraktion am Projekt stört: Die Tennisplätze fallen weg, weshalb der «traditionsreiche» Tennisclub Oerlikon nach Seebach zügeln muss. Das sei vor allem wegen der vielen Kinder aus dem Quartier, die dort spielen lernten, nicht akzeptabel. Für das Neubauprojekt müssen aber auch grosskronige Bäume gefällt werden: «Grosskronige Bäume sorgen für frische, gute Luft, gab Bürgisser zu bedenken. Diese «grüne Oase» zu opfern, während die Stadt gleichzeitig für «Hitzeminderung» kämpfe, sei widersinnig. Zudem solle auf ein Kunstrasenspielfeld verzichtet werden, fügte er an. Zurzeit habe es sechs solcher Felder, neu sollten es sieben sein, doch aus Sicht der Grünen reichten sechs: «Dieses Plastikrasenspielfeld braucht es nicht.» Und wer sich gefragt hat, wo denn bloss Balz Bürgissers obligater Hinweis aufs Parkieren bleibt, sei beruhigt: Natürlich fügte er noch an, 31 Prozent der Treibausgasemissionen gingen auf Autos zurück, und dass Zürich bis 2040 Netto-Null erreichen wolle, «steht in unserer Gemeindeordnung». Kurz: Die vorgesehenen 136 Tiefgaragenplätze seien zu viele, vor allem auch, weil das geplante Sportzentrum mit dem öV und mit dem Velo gut erreichbar sei. Wer trotzdem mit dem Auto anreisen wolle, könne dieses auf einen der 2000 Plätze im Messe-Parkhaus abstellen, das lediglich 120 Meter entfernt sei. Im Mobilitätskonzept stehe denn auch, dass die nötigen Pflichtparkplätze dort planerisch nachgewiesen und gesichert werden könnten.

Stefan Urech (SVP) begründete den Rückzug des Rückweisungsantrags damit, man habe es jetzt zwar mit einer klassischen Vogel-friss-oder-stirb-Vorlage zu tun, doch «wir haben auch ein sehr grosses Herz für den Sport». Angesichts dieses Zwiespalts werde sich die SVP-Fraktion der Stimme enthalten. Ann-Catherine Nabholz (GLP) erklärte, auch ihre Fraktion habe sich Gedanken gemacht, wie sich das Projekt billiger verwirklichen lassen könnte. Sie seien schliesslich zum Schluss gekommen, der Vorlage trotzdem zuzustimmen. Dies nicht zuletzt, weil hochwertige Infrastruktur «eine der wichtigsten Grundlagen für urbane Lebensqualität» sei. Von einem «Planungsdesaster» und einer «massiven Kostenexplosion» sprach Yasmine Bourgeois (FDP) und erklärte, sie hätten beim Rückweisungsantrag mit der SVP gestimmt, aber jetzt sagten sie «zähneknirschend» Ja. Schliesslich unterlagen Grüne und SVP mit dem Änderungsantrag, die Tennisplätze zu erhalten. Auch den Änderungsantrag für eine kleinere Tiefgarage lehnte der Rat gegen die Stimmen von Grünen und AL ab. In der Schlussabstimmung lautete das Resultat 87 Ja, 16 Nein (der Grünen) und 14 Enthaltungen (der SVP).