Bild: Hannes Henz

Taxen-Debatte mit Kehrtwende

Der Zürcher Gemeinderat möchte die Taxen in den Alterszentren künftig selbst festlegen.

An seiner Sitzung vom Mittwochabend befasste sich der Zürcher Gemeinderat ausführlich mit einer parlamentarischen Initiative (PI) der SP-, SVP-, Grüne- und AL-Fraktion betreffend «Festlegung der Taxen in den Alterszentren durch den Gemeinderat». Die PI war an der Sitzung vom 1. November 2023 vorläufig unterstützt und der Sachkommission Gesundheits- und Umweltdepartement zugewiesen worden (siehe P.S. vom 3. November 2023). Dass die SVP mit der linken Ratsseite zusammenspannte, war damals natürlich ein Thema. Dies hat sich unterdessen erledigt: In der Debatte vom Mittwoch sprach sich die SVP gegen die PI aus, die sie miteingereicht hatte.

Doch der Reihe nach: Nadina Diday (SP) stellte den erläuternden Bericht der Kommission zur PI vor. Konkret geht es um Artikel 16 der Verordnung über städtische Einrichtungen für ältere unterstützungsbedürftige oder pflegebedürftige Personen. Dieser soll wie folgt geändert werden: «Der Gemeinderat legt die Taxen gemäss den in den Art. 8–15 festgelegten Grundsätzen in einer Verordnung fest.» Gemäss Artikel 54 der Gemeindeordnung sei der Gemeinderat zuständig für Gebühren, erklärte Nadina Diday. Aus demokratiepolitischer Sicht sei es zudem richtig, dass so wichtige Änderungen wie die Erhöhung der Taxen in den städtischen Gesundheitszentren nicht nur von der Exekutive, sondern auch vom Parlament und via fakultatives Referendum vom Souverän gutgeheissen würden. Die Mehrheit der Kommission aus FDP, GLP, Mitte-/EVP und SVP lehne die PI ab, führte Nadina Diday weiter aus. Die sie beführwortende Minderheit aus SP, Grünen und AL entspreche jedoch der Mehrheit im Rat.

Die Erhöhung beträgt durchschnittlich 6205 Franken pro Jahr. Die Taxen der Bezüger:innen von Zusatzleistungen sind von der Erhöhung nicht betroffen. Es geht nur um die Beträge für Hotellerie und Betreuung, die Pflegeleistungen werden via Krankenkassen abgerechnet. Stadtrat Andreas Hauri hatte schon anlässlich der vorläufigen Unterstützung der PI am 1. November 2023 darauf verwiesen, was er am Mittwoch sinngemäss wiederholte: Die Taxen waren seit 2015 nicht mehr angepasst worden, und es werde nach wie vor keine Kostendeckung von 100 Prozent erreicht. Die neue Verordnung mitsamt den höheren Gebühren sei im Dezember 2022 im Gemeinderat «ganz deutlich» verabschiedet worden. Niemand habe gegen die Ausführungsbestimmungen Rechtsmittel ergriffen, und der Preisüberwacher habe ebenfalls nichts beanstandet. Der Stadtrat finde die Anpassung «gerechtfertigt, fair und alles andere als überrissen».

«Machtdemonstration»…


Für die ablehnende Kommissionsmehrheit blies Nicolas Cavalli (GLP) ins selbe Horn wie Andreas Hauri, unterstellte den Linken aber zusätzlich, es gehe ihnen gar nicht um die demokratische Mitbestimmung, sondern um eine «Machtdemonstration». Die richtige Höhe solcher Taxen zu bestimmen sei ein «hochkomplexes wissenschaftliches Thema». Dem Gemeinderat fehle das entsprechende Fachwissen. Überlasse man die Festsetzung der Gebühren dem Gemeinderat, gebe es zudem keine Planungssicherheit mehr. Denn die politischen Verhältnisse könnten sich ändern, es gebe ja regelmässig Wahlen. Zudem würden mit günstigeren Taxen die privaten Alters- und Pflegeheime «weiter unter Druck» gesetzt. Es bestehe die Gefahr, Menschen in den städtischen Institutionen zu haben, die sich eigentlich einen Platz bei Privaten leisten könnten, sprich, es würden «Leute unterstützt, die es nicht nötig haben». Klammer auf: Die Millionäre vom Zürichberg, die angeblich auch in subventionierten städtischen Wohnungen leben, lassen grüssen… Klammer zu.
Nadina Diday entgegnete ihm, seien die Taxen sehr hoch, bestehe die Gefahr, dass Menschen deshalb bei den Ergänzungsleistungen landeten. Darüber solle nicht allein der Stadtrat entscheiden: «Wir debattieren hier über Abfallgebühren und Parkgebühren, aber über Gebühren von mehreren tausend Franken sollen wir nicht entscheiden?» Es gehe nicht darum, das Expertenwissen der Verwaltung infrage zu stellen, sondern darum, dass die Entscheidung beim Gemeinderat liegen solle.
Deborah Wettstein (FDP) befand, die PI weise in die falsche Richtung, setze falsche Anreize und bedeute eine ungerechtfertigte Belastung für die Steuerzahler:innen. Ja sie erklärte gar, eine Annahme der PI könnte dazu führen, dass Menschen aus der Agglo nach Zürich zögen, um von den günstigen Tarifen zu profitieren. Zudem würden dadurch private Anbieter gefährdet, was unfair sei. Kostendeckende Taxen via Ergängzungsleistungen seien der richtige Weg, ob bei den städtischen oder privaten Anbietern. Yves Peier (SVP) sprach sich dagegen aus, dass künftig die Taxen «nach politischen Mehrheiten statt nach den Kosten» festgelegt würden. Es sei nicht angezeigt, etwas zu übernehmen, was die Verwaltung könne, und zudem entstünde bei Annahme der PI eine «enorme Konkurrenz zur Privatwirtschaft».

…oder «würdiges Leben im Alter»?


Yves Henz (Grüne) sprach sich für ein «würdiges Leben im Alter» aus, «für alle Menschen». Seine Fraktion sei gegen die «einschneidende» Erhöhung um rund 6000 Franken pro Jahr. Zudem sei es schon speziell, dass sich hier dieselben für den Bezug von Ergänzungsleistungen aussprächen, die sonst jeweils sagten, man müsse sich schämen, wenn man darauf angewiesen sei: «Schämen Sie sich, die Menschen in die Ergänzungsleistungen zu treiben!» Es habe nur noch gefehlt, «dass Sie sagen, die Pflegebefürftigen sollten ein bisschen härter arbeiten, dann könnten sie die höheren Taxen schon zahlen. Das wäre in FDP-Manier gewesen.» Martina Zürcher (FDP) stellte daraufhin im Namen ihrer Fraktion klar, dass sie die «Verleumdungen über unsere Partei» von Yves Henz «in aller Form» zurückweise.

Moritz Bögli (AL) erinnerte daran, seine Fraktion sei seinerzeit gegen die Erhöhung gewesen und fügte an, «wir fürchten uns nicht vor einer allfälligen Volksabstimmung». Er stichelte auch, «eine weitere Partei» habe die PI miteingereicht, doch «ein Treffen mit der Lobby hat offensichtlich für eine 180-Grad-Kehrtwende gereicht». Walter Anken (SVP) erklärte, seine Partei sei damals dafür gewesen, weil die Stadt «wahnsinnig viele Kunstinstitutionen mit Millionenbeträgen subventioniert» und sie sich gesagt hätten, «warum soll das hier nicht auch so sein»? Doch als bürgerliche Partei könnten sie unmöglich dafür stimmen, «dass die privat-gemeinnützigen Organisationen aus dem Markt gedrängt werden». Die Erhöhung um 6205 Franken gelte über die letzten neun Jahre, und so gerechnet seien es nur noch 57 Franken pro Monat. Zudem sei man auch so lediglich bei einem Kostendeckungsgrad von 95 Prozent. Florian Utz (SP) entgegnete, wenn die Stadt 500 Millionen Franken Überschuss mache und die älteren Menschen nichts davon hätten, sondern im Gegenteil noch 20 Millionen Franken mehr zahlen müssten, sei das ungerecht und unangemessen. Nach erfolgter Detailberatung geht die Verordnung nun noch an die Redaktionskommission. Die Schlussabstimmung folgt in ein paar Wochen.