Bild: Hannes Henz

Sugus-Häuser und Steuern

Die Mehrheit des Zürcher Gemeinderats will das Gemeindereferendum gegen die zweite Senkung der Unternehmenssteuern ergreifen. Damit verlangt sie, dass es über diese Vorlage eine Volksabstimmung gibt.

An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom Mittwochabend wurde zuerst Martin Götzl (SVP) verabschiedet, der nach zehn Jahren zurücktrat. Es folgte eine Fraktionserklärung der SP, verlesen von Fanny de Weck, zum Urteil des Verwaltungsgerichts von letzter Woche zum Mindestlohn in den Städten Zürich und Winterthur (siehe auch Seiten 10 und 11 dieser Ausgabe).

Erneut entspann sich sodann in Form einer Abfolge von persönlichen Erklärungen eine nicht traktandierte Debatte, und zwar zu den Kündigungen, die rund 200 Mieter:innen in drei der sogenannten Sugus-Häuser im Kreis 5 erhalten haben. Der erste Redner, Nicolas Cavalli (GLP), hielt jenen Punkt fest, in dem sich alle einig waren: So kurz vor Weihnachten per Ende März zu kündigen und den Leuten noch «alles Gute» zu wünschen, gehe gar nicht. Die Leerstandsquote im Kreis 5 liege bei 0,05 Prozent, fügte er an. Eine Sanierung der Häuser hätte man zudem auch etappieren können. Tanja Maag (AL) fand es «erstaunlich», dass sich die GLP «entrüstet», obwohl sie doch sonst nicht für Etappierungen sei… Ihre Partei werde nun über ihre Netzwerke Kontakt zu den Betroffenen aufnehmen und sie unterstützen, fügte sie an. Maya Kägi Götz (SP) erklärte, nebst Familien mit schulpflichtigen Kindern wohnten in diesen Häusern auch ältere Menschen und Menschen mit Beeinträchtigungen. Sie erinnerte an den Willen des Erbauers Leopold Bachmann, zahlbare Wohnungen anzubieten. Seine Erb:innen, bzw. eine davon, wolle nun offenbar etwas anderes, nämlich «maximalen Profit». Dagegen brauche es «griffige Massnahmen», namentlich die Wohnschutz-Initiative der SP. Die Stadt müsse soviel Land erwerben wie möglich und so zahlbare Wohnungen sichern, stellte Maya Kägi Götz weiter klar.

«Eine Frechheit»

Albert Leiser (FDP) betonte als Vertreter des Hauseigentümerverbands, die Art des Kündigens sei «unprofessionell». Doch das Energiegesetz des Kantons führe nun mal zu Leerkündigungen. Vielleicht seien die Häuser ja «Energieschleudern». Das hätten die Kreise 4 und 5 nun davon, dass sie das Energiegesetz mit 84 Prozent Ja angenommen hätten. Martin Busekros (Grüne) entgegnete, die ökologische Sanierung einer so jungen Siedlung als Grund für die Leerkündigung zu nennen, sei «eine Frechheit». Dass eine einzelne Person die Macht habe, Hunderten Menschen «das Leben zu vermiesen», sei «ein Unrecht», fuhr er fort. Und solange dieses Unrecht bestehe, würden sich immer Menschen finden, die ihren eigenen Profit und ihre eigene Gier höher gewichteten als das Wohlergehen hunderter anderer Menschen: «Wir verurteilen das Vorgehen und die Gesetzeslage, die so etwas ermöglicht, zutiefst.»

Nach weiteren Voten zu den Sugus-Häusern meldete sich noch Reis Luzhnica (SP) mit dem Hinweis zu Wort, während der Rat hier tage, finde im Dolder eine Veranstaltung statt, an der der serbische Präsident Aleksandar Vucic auftrete, auf Einladung von Roger Köppel und dessen ‹Weltwoche›. «Ich sehe es als meine Pflicht, mich gegen diese Einladung auszusprechen», sagte Reis Luzhnica. Vucic sei «kein gewöhnlicher Politiker», sondern während der 1990er-Jahre Propagandaminister und enger Vertrauter von Slobodan Milosevic gewesen – und Teil eines Regimes, das für Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung und die Zerstörung von ganzen Gesellschaften in Bosnien, Kroatien und Kosova verantwortlich sei. Heute stehe er für «perfide Insturmentalisierung von Gewalt und gezielte Destabilisierung internationaler Beziehungen», ähnlich, wie es Russland schon seit längerem in Europa mache: «Dass eine solche Figur in unserer Stadt eine Plattform bekommt, ist ein fatales Signal.»

Steuerausfälle vs. Schlusslicht-Platz

Zur Debatte stand sodann die Frage, ob das Gemeindereferendum gegen die Änderung des Steuergesetzes ergriffen werden sollte. Finanzvorsteher Daniel Leupi erklärte, der vom Kantonsrat beschlossene zweite Schritt der Steuervorlage 17 würde ab 2026 in der Stadt Zürich zu jährlich wiederkehrenden Steuerausfällen von rund 110 Millionen Franken führen. Zudem sei der Steuerfuss nur einer von zahlreichen Standortfaktoren. Dass die Steuersenkung zu einem Zustrom von Firmen führe, die Steuergelder von 100 Milliionen brächten, sei «auf die Schnelle» nicht realistisch. Dem Kanton fehle obendrein jetzt schon Geld, fügte er mit Verweis auf die Rückstellung von Projekten wie etwa dem Tram Affoltern an.

Die Fraktionen von AL, Grünen und SP hatten zum gleichen Thema einen Beschlussantrag eingereicht, den Tanja Maag (AL) unter anderem damit begründete, von Steuersenkungen profitierten nur die «Grossunternehmen und Aktiengesellschaften». Rund 78 Prozent der Firmen machten null oder weniger als 20 000 Franken Gewinn. Damit setze die Steuervorlage «falsche Anreize». Weil nun aber der Stadtrat mit dem identischen Vorstoss komme, zögen die drei Fraktionen ihren Beschlussantrag zurück, schloss sie.

Michael Schmid (FDP) sah die Sache, wenig verwunderlich, ganz anders: Er sprach von einer «reinen Politikshow», denn das Referendum sei im Kantonsrat zustande gekommen, es werde also sowieso eine Volksabstimmung geben. Die linke Ratsseite lege «die alte, ideologische Platte wieder auf, und die leiert», sagte er. Man habe beim ersten Schritt der Vorlage «alles schon gehört». Statt Ausfällen habe es damals Mehreinnahmen gegeben. Der Kanton liege «völlig richtig», wenn er nicht bereit sei, sich mit dem «Schlusslicht-Platz» bei den Unternehmenssteuern zufrieden zu geben.

Samuel Balsiger (SVP) betonte, eine liberale Steuerpolitik führe zu Mehreinnahmen, denn Unternehmen würden deswegen vermehrt hier investieren und Arbeitsplätze schaffen. Florian Utz (SP) sagte, er glaube zwar nicht, dass die Senkung die damit angesprochene Zuwanderung von ausländischen Arbeitskräften und Unternehmen tatsächlich auslöse, aber er finde es «noch spannend», dass sich Balsiger offensichtlich nicht daran störe… Entscheidend sei doch die Frage, wer proftiere und wer bezahle, fuhr Florian Utz fort: Profitieren würden etwa die Aktionäre der UBS. Um die 110 Millionen wieder hereinzuholen, müsste man umgekehrt anderswo Einnahmen generieren oder Leistungen streichen. Was Sven Sobernheim (GLP) als «Populismus» bezeichnete – die Stadt schwimme ja im Geld. Mit 65 gegen 49 Stimmen (von SVP, FDP, Mitte und GLP) sprach sich der Rat dafür aus, das Gemeindereferendum zu ergreifen.