- Im Kino
(Sub-)Kontexte
Die freie Journalistin Ruth (Lena Dunham) hat all ihr Erspartes zusammengekratzt, um sich diese Reise nach Polen finanzieren zu können. Ihr Gepäck besteht zu einem Drittel aus Trockennahrung und etwa zur Hälfe aus ernster Literatur über alle möglichen Aspekte der Shoah. Ihr Vater Edek (Stephen Fry), vordergründig ein Lebemann, der in Lodz aufgewachsen war und den Holocaust überlebt hatte, soll ihr ein Guide an den Ort seiner Erinnerungen sein: Das Ghetto, die ehemalige Wohnung, die Fabrik, das Familiengrab und natürlich Auschwitz. «Treasure» von Julia von Heinz («Und Morgen die ganze Welt») spielt im Jahr 1991 und fächert in einer vordergründig ausnehmend amüsanten Weise die vielen darin involvierten (Sub-)Kontexte auf. Edeks Motivation, auf dicke Hose zu machen, für die gesamte Reise einen Chauffeur zu engagieren und nur in den besten Hotelzimmern absteigen zu wollen, während er über die Bestrebungen Ruths, nur die tatsächliche Authentizität erfahren, erleben und mit eigenen Augen sehen zu wollen, ergeben in Summe sowohl eine humoreske Oberfläche wie sie auf einer tieferen Ebene seinen Umgang mit der von sich geschobenen Vergangenheit spiegelt. Lieber bandelt er zu nächtlicher Zeit mit zwei Polinnen auf Durchreise an und verlustiert sich bei musikalischer Abendunterhaltung. Die Aufsässigkeit und Übereifrigkeit der US-amerikanisch geprägten Ruth ist sowohl stark übertreibend gezeichnet, um ein Gefälle zwischen den Figuren herstellen zu können, als auch, um die leidlich scheuklappenhafte Fokussiertheit von Nachgeborenen daraufhin vorzuführen, dass sie darüber das Offensichtliche zu übersehen neigen. Der Einfall, mit einem ehemaligen KZ-Insassen per Zug durch Polen reisen zu wollen etwa. Natürlich tendiert der Plot final zum zwischenmenschlich Positiven, aber zur Hauptsache besticht er in der Auffächerung des Mehrschichtigen und Vielperspektivischen im Umgang mit der Vergangenheit.
«Treasure» spielt in den Kinos Capitol, Houdini.