Streit um Grossüberbauung im Grünen

Ein neues Quartier mit bis zu 1000 Arbeitsplätzen und mit bis zu 500 EinwohnerInnen: Was der Adliswiler Stadtrat östlich der Autobahn hart an der Grenze zu Zürich-Wollishofen und Kilchberg auf einer landwirtschaftlich genutzten Reservezone im Lätten plant, stösst in der Umgebung auf heftigen Widerstand. Eine Einspracheflut soll das Vorhaben jetzt stoppen.

 

Arthur Schäppi

Bis im Wies- und Ackerland Lätten unmittelbar östlich der Autobahn in Adliswil erste Bauvisiere die Entstehung eines ganz neuen Stadtquartiers ankünden könnten, dürfte wohl noch ein Jahrzehnt vergehen. Und dies obwohl das Gelände im kantonalen Richtplan bereits als Siedlungsgebiet enthalten ist. Denn für die Umsetzung der ambitionierten städtebaulichen Ziele, die das Gesicht Adliswils an seiner östlichen Peripherie komplett verändern würde, warten noch etliche Hürden: Auf kommunaler Ebene braucht es beispielsweise noch eine Umwandlung der heutigen Reserve- in eine Bauzone, auf regionaler Stufe einen Eintrag im Richtplan. Für Aufregung sorgen die planerischen Absichten der Adliswiler Regierung indes schon heute. Und zwar dies- wie jenseits der Gemeindegrenze. Im direkt anschliessenden Kilchberger Einfamilienhausquartier Breitloo hängen seit einiger Zeit Protest-Transparente. Und ebenso neben Wohnblöcken und Schrebergärten am nahen Zwängiweg, der unweit des Autobahnanschlusses die Grenze zwischen Adliswil und der Stadt Zürich bildet. Die Spruchbänder aufgestellt hat die überkommunale IG «Schützt den Lätten», die für den Erhalt des dortigen Grün- und Naherholungsgebiets kämpft und davor warnt, dass die Stadt Adliswil «ihre Schwerindustrie in den Lätten umsiedeln» wolle.

 

Auslagerung an die A3 

Aufgeschreckt hat die Anwohner ein vom Adliswiler Stadtrat im Lätten mittlerweile behördenverbindlich festgesetztes Entwicklungsleitbild. Demnach soll dort entlang der Autobahn auf einer Fläche von 10 ha nebst einem neuen Wohngebiet auch ein neuer Arbeitsplatz-Schwerpunkt entstehen. Als Ersatz für den innerstädtischen Gewerbestandort im Bereich der SZU-Haltestelle Sood-Oberleimbach. Den dortigen Gewerbe- und Industriebetrieben, wie beispielsweise einem Kies- und Betonwerk der Kibag, soll so ein Umzug an einen geeigneteren Standort an der Autobahn ermöglicht werden. «Damit im Gegenzug das vom öffentlichen Verkehr gut erschlossene Gebiet Sood zu einem lebendigen und gut durchmischten Subzentrum mit Wohnungen und Läden entwickelt und aufgewertet werden kann», wie der Adliswiler Bauvorstand Felix Keller (parteilos) erklärt. Gemäss dem Lätten-Leitbild werden entlang der Autobahn «produzierendes Gewerbe» und dahinter Kleingewerbe und Dienstleistungsbetriebe angeordnet. Etwas zurückversetzt am Hang soll eine Wohnüberbauung entstehen. Dazwischen soll es Frei- und Grünraum mit Gärten und einen «Lättenplatz» als Begegnungsort geben. Bei der Stadt rechnet man mit 650 bis 1000 Arbeitsplätzen und mit bis zu 500 neuen BewohnerInnen.

 

Fast 800 Einwendungen

Einer solchen grossflächigen Überbauung aber hat die IG «Schützt den Lätten», die nach eigenen Angaben 160 Mitglieder zählt, den Kampf angesagt. Sie hat die Bevölkerung von Adliswil, Zürich und Kilchberg auf ihrer Webseite, über Social Media und mit Flyern und einem vorformulierten Einsprachetext zu Einwendungen aufgerufen. Und zwar bei der Zürcher Planungsgruppe Zimmerberg (ZPZ), welche das Wiesland im regionalen Richtplan als Arbeitsplatz- und Mischgebiet mit hoher baulicher Dichte eintragen will. Dort hagelte es bis zum Ende der Auflagefrist am 20. Oktober 760 Einwendungen gleichen Inhalts wie jene der IG Lätten sowie 22 ähnliche, wie ZPZ-Sekretär Marcel Trachsler gegenüber P.S. bekanntgab.

 

Vor Zerstörung retten

«Wir wollen den Lätten für die Anwohner als eines der wenigen Naherholungs- und Grüngebiete und als wichtigen Lebensraum für einheimische Pflanzen und Wildtiere vor der Zerstörung bewahren», sagt die Medienverantwortliche der IG, Annika Redlich. Hinter dem Entwicklungsleitbild sieht sie eine Politik, die «weder nachhaltig noch zeitgemäss, sondern rein monetär motiviert ist».

Die Gegner befürchten auch «eine starke Verkehrszunahme bis hin zum Kollaps» und zusätzlichen Lärm, Abgase und Schmutz von den Indus­trie- und Gewerbebetrieben. Sorgen bereitet der Verkehr auch dem Gemeinderat Kilchberg. Er hat von Adliswil die Ausarbeitung eines Verkehrskonzepts, welches Rücksicht auf die Kilchberger Nachbarschaft nimmt, verlangt.

Der Verkehrsfrage messe man grosses Gewicht bei, betont Felix Keller. «Die Zu- und Wegfahrten der Lastwagen können weitestgehend über den nahen Autobahnanschluss abgewickelt und die umliegenden Wohnquartiere so geschont werden», betont er. Und mit einer neuen Lärmschutzwand auf dem bestehenden Wall entlang der A3 würden auch die angrenzenden Wohngebiete besser abgeschirmt.

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