Steilpass

Wenns gut kommt, ist «Madama Butterfly» von Satocho Ichihara auch das Fanal für die Rückkehr des Spotts.

 

In den meisten der bisherigen Auseinandersetzungen mit Race und Gender und Kolonialismus auf den hiesigen Bühnen schwang stets die Schwere des moralischen Impetus mit, was auf Dauer auch die Sehnsucht nährte, denselben inhaltlichen Ernst formal auch mal wieder als Verführung durch Witz, Spott und Charme erleben zu dürfen. «Madama Butterfly» ist, obschon das Japanische kulturell nicht besonders leicht dechiffrierbar ist, eine geglückte Verbindung von leichtfüssig humoresker Form mit einer in der Tat bedenkenswerten inhaltlichen Neuverortung. Aber halt verkauft, als wärs ein Feelgood-Werbespot für ein Lifestyle-Accessoire. Danke dafür. Die Tragödie beginnt mit der Ergriffenheit in der Stimme der grossen Maria Callas. Schon die Klage von Kyoko Takenaka über die Vorherrschaft des Schönheitsideals des kaukasischen Äusseren im Disput mit einem diesbezüglich völlig überzeichneten Avatar von Juan Ferrari, die behauptet, alle Schönheit käme allein von innen, erinnert an die einzig von wohlhabenden Personen geäusserte Tatsache, dass Geld allein nicht glücklich mache. Der Steilpass zum Unernst im Todernst ist so gespielt, dass Brandy Butler als japanische Regisseurin Satocho Ichihara per Zuschaltung den Treffer leicht versenken kann. Diese Sequenz allein ist es Wert, die geforderte doch recht grosse Leseleistung für die Übersetzungen freudig auf sich zu nehmen. Denn hier wird eine Vielzahl an Empfindlichkeiten so klug konterkariert und zeitgleich im selben Masse von einer Lächerlichkeit ferngehalten, dass diese inhaltliche Breitseite runter geht, wie Öl. Der dritte Akt gehört der Perspektive des «halben» Sohnes (Yan Balistoy), der die sexistische Komponente der Unterdrückung verbalisiert, verkörpert und in einer auffallend zu einem Traumideal verklärten Attrappe auch in Händen hält. Tragisch bleibt die Handlung sowieso, nur wird das Weshalb hier eindringlich und nachgerade umfassend aufgefächert. froh.

 

«Madama Butterfly», bis 9.10., Theater Neumarkt, Zürich.

 

 

Spenden

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte. Jetzt spenden!

Dieser Artikel, die Honorare und Löhne unserer MitarbeiterInnen, unsere IT-Infrastruktur, Recherchen und andere Investitionen kosten viel Geld. Unterstützen Sie die Arbeit des P.S mit einem Abo oder einer Spende – bequem via Twint oder Kreditkarte.