Starker Franken: Flächenbrand droht

 

Seit dem Entscheid der Schweizerischen Nationalbank, den Mindestkurs aufzuheben, mutmassen Schreibtischexperten über die Hintergründe des Entscheides. Sicher ist, dass der Entscheid weitreichende Folgen hat. Nicht nur für Tourismus und Exportindustrie, sondern auch für ganz normale KMU.

 

Jacqueline Badran

 

«AuWiWääh»: In meinem Gestell steht ein so angeschriebener Ordner aus meinem  Haupt- studium  an der Uni St. Gallen.  Das «Wääh» steht symbolisch  dafür,  dass «Monetäre Aussenwirtschaft und Währung» eindeutig das schwierigste Fach war, nicht nur für mich. Seit dem berüchtigten 15. Januar  2015,  dem Tag der Aufhebung des Mindestkurses, rennen plötzlich   lauter   Währungsexperten  herum, die uns erklären, weshalb die Schweizerische Nationalbank (SNB) mutig  und  richtig  oder eben kreuzfalsch  gehandelt  hat.

Ich masse mir kein Urteil zu, denn die Materie ist hochkomplex, multivariat und nur ganz wenige verfügen über die szenarienbasierten Daten-Simulationen, die dem SNB-Entscheid zugrunde   liegen.  Die  Nationalbank  ist  zu Recht  unabhängig. Auch wenn  einige Exponenten   meinen,   die  SNB  hätte   politischem Druck  von Rechts nachgegeben. Wir werden es nie wissen, ob dies stimmt.

 

Auch KMU betroffen

 

Was ich aber beurteilen kann, sind die Aus- wirkungen auf die schweizerische  Volkswirtschaft: Ein Flächenbrand. Längst nicht nur Exportwirtschaft und Tourismus sind betroffen, wie viele Schreibtisch-Experten kolportieren. Alle Grosskonzerne, die in ausländischer Währung verdienen,  aber in Schweizer Franken Rechnung  legen, haben mit einem Schlag 20%  weniger Umsatz. Pensionskassen und AHV, die Fremdwährungen halten, müssen herbe  Verluste   hinnehmen.  Der  Detailhan- del ist flächendeckend betroffen  – nicht  nur in den Grenzregionen. Das Ausweichen auf Interneteinkäufe im Ausland, wo mit Euro bezahlt  werden  kann,  wird  stark  zunehmen. Vor allem aber sind auch alle KMU betroffen, die zwar  nicht  exportieren, aber  in Konkur- renz zu ausländischen Mitbewerbern stehen. Das gilt für Druckereien über Beratungsbüros bis hin  zur  IT- und  Webbranche. Nicht  nur sind  sie durch  schockartige preisliche  Nachteile gegenüber  Konkurrenz aus zum Beispiel aus Deutschland «out  of Business».  Sie sind auch betroffen, weil Konzerne Kostensparprogramme durchziehen. Dabei werden  Pro- jekte mit externen Dienstleistern als erstes gestrichen.

Was tun also? Herumgeboten werden die abstrusesten Vorschläge, wie Verzicht auf Lohnpolizei, Softquoten und Energiewende, dafür umgehend Steuersenkungen für Unter- nehmungen und  Freihandelsabkommen. Wie wenn Steuersenkungen helfen würden!  Wenn Firmen  keinen  Gewinn  schreiben,  zahlen  sie auch  keine  Steuern.  Eigentlich  kocht   jeder sein politisches Süppchen wieder auf.

 

Lex Koller verschärfen

 

So auch ich. Nur, dass meine Suppe direkt mit der Währung zusammenhängt. Und Mass- nahmen,  die das Problem,  also die Währung, direkt  beeinflussen,   sind  immer  die  Besten. Die  «Lex  Koller»  muss  nun  dringend   verschärft werden. Dieses Gesetz verbietet, dass Kapital aus dem Ausland in Immobilien ange- legt werden darf. Zur Erinnerung: 1998  wurde das Gesetz gelockert  und  direkte  Anlagen in Gewerbeimmobilien wurden  erlaubt.  2005 kam die zweite Lockerung: Indirekte  Anlagen in börsenkotierte Immobiliengesellschaften (die es erst seit 2000 gibt) wurden  erlaubt.  So flossen Milliarden in den schweizerischen  Immobilienmarkt. Das verstärkt nicht nur den Druck auf den Schweizer Franken, weil Im- mobilien  grundsätzlich in Franken  gehandelt werden. Es treibt auch die Nachfrage nach Immobilien in die Höhe und somit auch Preise und Mieten. Zudem  verdrängte ausländisches Kapital (zum Beispiel J.P. Morgan, Blackrock oder Paribas) unser Pensionskassen-Geld.

Es hat also nicht zu wenig, sondern  zu viel Kapital auf dem Markt. Das Gute daran: Eine Rückgängigmachung dieser Aufweichungen würde wie eine indirekte Kapitalverkehrskontrolle wirken.  Jede Milliarde,  die nicht in den Schweizer Franken via Immobilien fliesst, ist eine gute Milliarde.  Dies würde nicht nur den Druck vom Schweizer Franken nehmen, sondern auch immobilienpreisdämpfend wirken, sowie Anlagemöglichkeiten der Pensionskas- sen verbessern. Zudem: Das kann das Parlament allein durchsetzen – ohne die SNB. Übrigens: Seit der Aufhebung  des Mindestkurses sind die Kurse der börsenkotierten Immobilienfirmen  wie Swissprimesite  (SPS), Mobimo, PSP Swissproperty und  Allreal  in  rasendem Tempo  auf ein Allzeithoch  geklettert.  Klar – in Zeiten von Währungsturbulenzen und Negativzinsen  weicht  das  Finanzkapital immer in Immobilien  aus.

Keiner der ‘Experten’ hat das vorgeschlagen. Dies, obwohl die «Lex Koller»-Verschärfung gratis  zu haben  ist, denn  auf  der  Nachteils- Liste steht schlicht und ergreifend nichts. Wie heilig ist denen der freie Kapitalverkehr.

 

Rückstellungen für Innovationen

 

Dafür  haben  sie eingeworfen,  KMU müssten halt etwas effizienter werden und auf Inno- vation setzen. Na bravo. Denken denn die Schreibtisch-Experten, wir im tobenden Wett- bewerb stehenden  KMU hätten  in den letzten Jahren  Däumchen gedreht?  Die meisten  sind ohnehin  auf Effizienz getrimmt,  sonst  könnten sie gar nicht überleben. Und für Innovationen  sind die Rahmenbedingungen schlecht. Mein in der Webbranche tätiges KMU könnte die auftragsarme Zeit ohne Entlassungen überbrücken, in dem wir an neuen Produkten tüfteln und Forschung  und Entwicklung betreiben. Dazu müsste ich aber Rückstellungen machen können. Darf ich aber nicht. Rückstellungen   für  Forschung   und  Entwicklung sind  nur  in  geringem  Ausmass  erlaubt  und nur  wenn  sie durch  Dritte  erbracht werden. Ein  Witz  in  Zeiten,  wo  alle  nach  Innovation schreien und für Grosskonzerne steuer- begünstigte «Innovationsboxen» gefordert werden.  Zwar  mindern  Rückstellungen auch Steuereinnahmen. Jedoch ist im Gegensatz zu Steuersenkungen (wo die Gewinne wahlweise ausgeschüttet oder reinvestiert  werden kön- nen) der Verbleib in der Firma und der Verwendungszweck gesichert.

Wir brauchen Massnahmen gegen die Frankenstärke. Massnahmen, die erstens in der Kompetenz   des  Regulators  liegen  (weil  die SNB unabhängig ist), zweitens  möglichst  direkt wirken und drittens allen betroffenen Branchen  nützen.  Dazu gehören  alle indirekten Kapitalverkehrskontrollen (bei Immobilien und bei Staatsanleihen), Rahmenbedingungen, die direkt notwendiges Verhalten erleichtern,  wie zum Beispiel Kurzarbeit oder geeignete Rechnungslegungsvorschriften, so – wie endlich billigere Importpreise. Ein von Links gefordertes  Konjunkturprogramm erfüllt diese Bedingungen  nicht;  es dient  ohnehin meist nur  der gut ausgelasteten Bauwirtschaft. Da ist die Energiewende, die wie ein solches wirkt, deutlich überlegen.

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