- Kommentar
Stadtklima in Winterthur: schlechte Verlierer
Am Wochenende haben die Winterthurer Stimmberechtigten zwei Gegenvorschläge zu den sogenannten Stadtklima-Initiativen gutgeheissen. Wenn man den Gegner:innen der Vorlagen (inklusive dem Stadtrat) glauben will, droht Winterthur damit einmal mehr ein finanzielles Desaster. Besonders die Wirtschaftsverbände zeigen sich als überaus schlechte Verlierer.
Zwar wurden die beiden Stadtklima-Initiativen des Vereins umverkehR von den Winterthurer Stimmberechtigten am Wochenende klar abgelehnt: Die Zukunftsinitiative verlangt die Umwandlung von jährlich 0,5 Prozent der Strassenfläche zulasten des motorisierten Indvidualverkehrs zugunsten von Fussgänger:innen, Velos und öV. Sie wurde mit rund 62 Prozent Nein abgelehnt. Die Gute-Luft-Initiative, welche dieselbe Forderung für die Umwandlung von Strassenfläche in Grünfläche stellte, wurde mit knapp 60 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Angenommen wurden jedoch die beiden Gegenvorschläge des Stadtparlamentes mit 50,25 respektive 52,9 Prozent Stimmen. Für die rot-grüne-Seite ein Erfolg.
Bereits zum zweiten Mal haben die Winterthurer Stimmberechtigten dem Stadtrat (und seiner rot-grünen Mehrheit) damit zu verstehen gegeben, dass sie eine konsequentere Umsetzung von Klimamassnahmen wünschen, nachdem sie vor zwei Jahren bereits das Ziel 2040 statt 2050 für Netto-Null-Emissionen vorgegeben hatten. Ein klares Zeichen an die Exekutive, in diesem Bereich etwas mutiger zu werden.
Baustadträtin Christa Meier (SP) begrüsste in einer ersten Stellungnahme die Unterstützung des Stadtrates für seine Klimaschutzpolitik, wies dann aber auf die schwierige Umsetzung der beiden Gegenvorschläge, insbesondere auf die damit ihrer Ansicht nach verbundenen Kosten hin. Sie plädierte denn auch an Gegner:innen wie Befürworter:innen, tragfähige Kompromisse bei der Umsetzung zu suchen.
Während sich die befürwortende Seite pragmatisch zeigt und eine Verbindung der Umsetzung mit ohnehin fälligen Strassenerneuerungen sowie dem Fernwärmeausbau in den Vordergrund stellt, lassen die Stellungnahmen der Gegner:innen nichts Gutes erahnen. Sie prophezeihen den Untergang Winterthurs, wie es bürgerliche Kreise seit der Befreiung der Altstadt vom Motorfahrzeugverkehr bei jeder Verkehrsberuhigungsmassnahme rituell wiederholen. Die anstehenden Kosten für die Umsetzung werden in unendliche Höhen geschraubt, und der Hauseigentümerverband jammert, es werde der Bevölkerung «das Geld aus der Tasche gesogen» – wobei es ja gerade seine Klientel ist, welche durch überhöhte Mieten genau dies bereits macht.
Dabei bietet die Annahme der Gegenvorschläge viel Grund für eine positive Zukunftsperspektive: Die Autostadt Winterthur (Winterthur hat den höchsten Anteil an Autos pro Einwohner:in aller Schweizer Grossstädte) wird endlich lebenswerter und damit attraktiver. Aber statt eine positive Zukunft zu entwickeln, werden die bürgerlichen Kreise wohl erneut versuchen, mit Rekursen und anderen Mitteln die Umsetzung zu torpedieren, wie sie das auch bei der Mindestlohninitiative tun. Das macht es zwar für die Stadtregierung nicht gerade einfach, aber sie kann souverän Schritt um Schritt pragmatische, aber vorwärtsgerichtete Lösungen anstreben. Nicht die rot-grüne Seite wird ein Problem sein, sondern vor allem die Gegner:innen einer zukunftsfähigen Stadt.