- Im Kino
Spürhund
Einen Hamid (Adam Bessa) mit der von ihm behaupteten erfundenen Lebens- und Fluchtgeschichte gibts überhaupt nicht, findet das französische Asylwesen nach Prüfung seiner Angaben heraus. Kann es auch gar nicht, denn die Hauptfigur in Jonathan Millets «Les Fantômes» agiert als Aufspürer einer heimlich agierenden und offenbar hervorragend vernetzten zivilgesellschaftlichen Gruppierung, die quer durch Europa die Folterschergen des Assad-Regimes sucht, sich zwei- und dreifach absichert, tatsächlich die richtige Person ausgemacht zu haben und diese zuletzt einer Gerichtsbarkeit überführt. Mehrere ineinander verstrickte Problemstellungen kommen hier zusammen. Etwa so, wie der Spürhund auf der Jagd darauf konditioniert werden muss, seine Beute nicht gleich selbst zu verspeisen, müssen diese Folterjäger einen Umgang mit der eigenen Rachelust finden und diese im Dienste eines höheren Anspruches zurückbuchstabieren können. Ein ordentliches Gerichtsverfahren mit all den Unwägbarkeiten einer lückenlosen Beweisbarkeit der Tat und der glücklicherweise zumindest in Zentraleuropa nicht mehr praktizierten Todesstrafe stehen einer fundierten emotionalen Wallung entgegen. Als anonyme Person mit erfundener Vita steht jemandem wie diesem angeblichen Hamit zuvorderst auch so etwas wie ein privates Intimleben nicht gleichermassen offen und er lebt in der konstanten Bedrohung, von seinem Zielobjekt erkannt zu werden, was diese offenbar sehr weit verzweigte und schlagkräftige Organisation in ihrer Existenz bedrohen könnte, wie auch in der Gefahr gegenüber einem Rechsstaat, wie hier Frankreich trotz einer unzweifelhaft hehren Absicht, die Grundregeln für eine Aufnahme zu verletzen und sich in dieser Strafbarkeit wiederum selbst zum Ziel für eine juristische Fahndung zu machen. «Les Fantômes» lässt sich lange Zeit, um erkennbar aufzuschlüsseln, wer diese Filmperson ist und vor allem mit welcher Absicht sie dieses Stalkerleben führt.
«Les Fantômes» spielt im Kino Frame.