Spielerisches Lernen
Simple Naturwissenschaft. Die richtigen Fragen müssen her. Sibylle Aeberli und Stefanie Grob haben den grössten Durchbruch in der Geschichte der Grundlagenforschung der Geschlechterverhältnisse erzielt: It’s her story.
Ist der Zwanziger erst einmal gefallen, erscheint alles vorangegangene irren, tappen und fischen nur mehr schwer nachvollziehbar. Seit der Antike hat die Forschung den Mann als Objekt vernachlässigt und darum auch nicht erkennen können, dass seine Doppelbelastung der Schlüssel ist. Wie konnte nur so lange übersehen werden, dass dauernd an Sex denken und zeitgleich die Weltenläufe lenken zu müssen, übermenschliche Fähigkeiten erforderte?
Erst durch die Eingebung zweier Göttinnen im Olymp ist Sibylle Aeberli und Stefanie Grob die zielführende Erkenntnis – sozusagen im Schlaf – zugefallen. Entlastet den Mann endlich von seiner Bürde des Stimmrechts. Er ist ihr einfach nicht gewachsen. «Stimmt!» heisst ihr Husarinnenritt, der plastisch veranschaulicht, wie simpel, logisch und sogar formschön sich die starre Struktur des sich selbst im Weg Stehens der Menschheit in Wohlgefallen auflösen lässt. Mit bestechendem Savoir-faire untermauern sie die Gültigkeit ihrer Entdeckung und laden ExpertInnen aus allen einschlägig beteiligten Aktionskreisen ein. Also der Abstinenzlerbewegung, der unfehlbaren Kirche, der politischen Bourgeoisie und der trial-and-error-Medizin, deren Standpunkte sie in Lieder, Reime und Sketches ummünzen und sich dafür gewissenhaft an der guten alten Bühnenregel orientieren: «Don’t bore the public». Die moderne Pädagogik weiss um die eindringliche Wirkung spielerischen Lernens, die von auflockernden Momenten des Lachens durchzogen, jede noch so komplexe Wissensvermittlung in eine freudige Beschäftigung verwandelt, also lehnen Sibylle Aeberli und Stefanie Grob ihre Dramaturgie daran an. Zwecks Steigerung der Spannung rekontextualisieren sie Fragestellungen auf verschiedenen Punkten der Zeitachse. Beispiel Fifty-fifty-Aufgabenteilung in Erziehung, Haushalt und Erwerbsarbeit. Wenn Stefanie Grob als eine ihren Gatten vergötternde Ehefrau und Mutter von der Vielfältigkeit ihrer Handreichungen für ein individuell ausgehandeltes Gleichgewicht berichtet und sich erst zuletzt als Dorothea Wyss zu erkennen gibt, deren Existenz im 15. Jahrhundert weit weniger historische Beachtung findet als das ihres heiliggesprochenen Gatten Niklaus von Flüe, stellt sich die Virtuosität dieser Forschungsvermittlung als regelrecht kongenial heraus. Ebenso in ihrer Aufarbeitung von häuslicher Gewalt, die ja bekanntlich keine Täter kennt und wenn überhaupt, dann ganz ganz ganz sicher keine ikonisch genialischen Jahrhundertmusiker betrifft, die doch adrett dreinschauen und achsofreundlich wirken. Und Jungfräulichkeitsmythen und Selbstverleugnungsschutzbehauptungen und unbestreitbare, wenngleich höchstumstrittene bis leidlich ignorierte statistisch erwiesene Fakten.
Alles in allem ist «Stimmt!» ein Hohelied auf die selektive Wahrnehmung, die mittels spöttisch-ironischer Überhöhung im eigentlichen Wortsinne vorgeführt wird, auf dass sich ihre Mängel selbsttätig offenbarten. Jeweils gefolgt von einem stringenten Lösungsweg, der sich als so simpel, schmerzlos und kostengünstig als augenblicklich umsetzbar zu erkennen gibt, dass alle bisherige Grundlagenforschung der Geschlechterverhältnisse wie ein einziges Versäumnis wirkt. Die Zeit des Grübelns und Werweissens ist endlich vorüber. Jetzt, wo das grosse Ganze seziert, abgewogen und auf Spur gebracht wurde, steht der allgemein lebbaren Umsetzung in die Tat nichts mehr im Weg und sogar die Vorstellung einer paradiesischen Existenz im Einklang mit allem, scheint plötzlich – bei allem Atheismus – gleichermassen erstrebenswert wie greifbar. Heureka! Rätsel gelöst. Alles wird gut.
«Stimmt!», 4.6., Theater Ticino, Wädenswil.
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