Spezielle Wache und Mens-Dispens

Der Zürcher Gemeinderat befasste sich mit dem Begegnungsraum des Bundesasylzentrums, einem Postulat für eine spezialisierte Polizeiwache für Anzeigen zur sexualisierten Gewalt und einem weiteren, das die bezahlte Dispensierung bei regelmässigen und starken Menstruationsbeschwerden verlangt.

 

An seiner Sitzung vom Mittwochabend hatte der Zürcher Gemeinderat über einen jährlichen Beitrag von 400 000 Franken an die Stiftung Zürcher Gemeinschaftszentren für die Jahre 2023 und 2024 zu befinden. Konkret geht es darum, dass die Zürcher Stimmberechtigten am 24. September 2017 mit ihrem Ja zum Bundesasylzen­trum (BAZ) auch beschlossen haben, dass dieses ins Quartier eingebettet werden soll und dass Kontakte zwischen Asylsuchenden und der Wohnbevölkerung möglich sein sollen, wie Kommissionssprecher Walter Angst (AL) ausführte. Zu diesem Zweck finanziert das Sozialdepartement seit November 2019 das Pilotprojekt «Begegnungsraum BAZ» in dessen Räumlichkeiten. 

 

Der Raum wird im Auftrag des Sozialdepartements durch die Stiftung Zürcher Gemeinschaftszentren betrieben, und das GZ Wipkingen ist für die Organisation und Durchführung soziokultureller Angebote und eines offenen Treffs verantwortlich. Diesen Raum einzurichten, sei aus Sicht der Mehrheit der Kommission «eine positive Entscheidung» gewesen, sagte Walter Angst. Heute jedoch sei er «übernutzt». Während eine Minderheit der Kommission am bisherigen Betrag von 350 000 Franken festhalte, stelle die Mehrheit aus AL, SP und Grünen den Antrag, den Betrag auf 500 000 Franken zu erhöhen. Dies insbesondere, weil zurzeit sehr viele unbegleitete Minderjährige im BAZ seien und diese auf einen solchen Ort angewiesen seien.

 

Testbetrieb gescheitert?

Patrik Brunner (FDP) entgegnete, es handle sich um einen Testbetrieb des BAZ, und dieser sei gescheitert. Der Austausch mit der Bevölkerung habe nicht stattgefunden, aber daran sei nicht das GZ schuld, sondern Corona. Deshalb müsse man den Test weiterlaufen lassen und dem Raum so nochmals eine Chance geben. Dafür reichten 350 000 Franken. Dass es überhaupt einen solchen Raum gebe, bezeichnete er als «Züri-Finish». Ronny Siev (GLP) gab bekannt, dass seine Fraktion den Vorschlag des Stadtrats unterstütze. Sollte die Erhöhung auf 500 000 Franken durchkommen, werde man sich der Stimme enthalten. Susanne Brunner (SVP) sprach von «Züri-Finish, wie er im Buche steht» und zählte auf, um wieviele Millionen die städtischen Budgets bis 2026 im Minus seien. Es gebe keinen Spielraum, um das Angebot zu erhöhen. Josef Widler (Mitte) fand, es sei nicht sinnvoll, eine halbe Million auszugeben. Denn die Integrationsarbeit, die man hier leiste, komme jenen Orten zugute, an die man die Asylsuchenden nach ihrem Aufenthalt im BAZ verteile. Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) hingegen sprach von einem «sehr sinnvollen Angebot». Schliesslich stimmte der Rat über die Varianten 350 000, 400 000 und 500 000 Franken ab. Zwar setzte sich die Mehrheit für 500 000 Franken durch, doch ihre 58 Stimmen reichten nicht, um die Ausgabenbremse zu lösen, dafür hätte es 63 Stimmen gebraucht. Ein paar Abstimmungen später kam dann die Version des Stadrats (400 000 Franken) mit 80:35 Stimmen (von SVP und FDP) durch.

 

Für eine spezielle Wache

Mit einem Postulat verlangten Fanny de Weck und Natascha Wey (beide SP, letztere nicht mehr im Rat) eine Polizeiwache mit einer spezifischen Beratungs- und Annahmestelle für Anzeigen zur sexualisierten Gewalt. Fanny de Weck führte aus, Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt müssten heute auf einer allgemeinen Polizeiwache Anzeige erstatten. Dort stehe nicht immer eine Person zur Verfügung, die «spezifisch geschult» sei und die nötige Sensibilität aufbringe, um eine solche Anzeige entgegenzunehmen. Das könne abschreckend wirken oder gar Opfer davon abhalten, Anzeige zu erstatten. Projekte in anderen Städten hätten gezeigt, dass die sichtbare und bekannte Präsenz von spezialisierten Stellen für Opfer ermutigend und für Täter abschreckend wirkten. Wichtig sei aber, dass auch möglichst alle StadtbewohnerInnen wüssten, dass es eine solche spezialisierte Anlaufstelle gebe. Fanny de Weck fügte an, auch mit einer solchen spezialisierten Stelle könnte man weiterhin einfach auf die nächste Wache gehen, um Anzeige zu erstatten.

 

Die Ablehnung der SVP begründete Derek Richter damit, seine Fraktion würde sich freuen, wenn es überhaupt wieder Polizeiwachen gäbe in der Stadt… und fügte an, das Problem würde besser so gelöst, wie es die SVP mit der Ausschaffungs- und der Verwahrungsinitiative vorgeschlagen habe. Anna-Béatrice Schmaltz (Grüne) wies darauf hin, dass in der Schweiz im letzten Jahr 1261 Straftaten gegen die sexuelle Integrität verzeichnet wurden. Nur zehn Prozent der betroffenen Frauen gingen jedoch zur Polizei, und nur acht Prozent erstatteten Anzeige. Eine solche Stelle sei deshalb nötig, sagte sie und stellte den Textänderungsantrag, nebst der sexualisierten auch noch die häusliche Gewalt einzubeziehen. Tanja Maag (AL) betonte die Wichtigkeit einer rechtzeitigen, professionellen psychologischen Betreuung und erklärte, parallel zum Einrichten einer spezialisierten Stelle müsse man auch das ganze Korps schulen und sensibilisieren. Andreas Egli (FDP) sagte, seine Fraktion unterstütze das Postulat, gab aber gleichzeitig zu bedenken, es löse das Problem nicht: In Genf etwa gebe es mehr Anzeigen als in Zürich, doch bei den Verurteilungen gleiche es sich wieder aus. Mit 93:13 Stimmen überwies der Rat das Postulat.

 

«Schauen, was es bringt»

Ausführlich debattiert wurde ein weiteres Postulat: Anna-Béatrice Schmaltz und Selina Walgis (beide Grüne) verlangten die «flexible Dispensierung bei regelmässigen und starken Menstruationsbeschwerden». Anna-Béatrice Schmaltz führte aus, das Thema betreffe alle direkt oder indirekt, aber es werde viel zu wenig offen darüber geredet, auch über die Schmerzen. Diese könnten so stark sein, dass die Betroffenen nicht mehr leistungsfähig seien und/oder starke Medikamente bräuchten. Mit dem Posutlat werde ein Pilotprojekt verlangt, um herauszufinden, «was es braucht und bringt», sagte sie und fügte an, «wir behaupten auch nicht, dass alle Frauen es super toll finden, aber es lehnen es auch nicht alle ab». 

Yasmine Bourgeois (FDP) gab die Ablehnung der FDP bekannt: Es sei heute schon möglich, bei starken Schmerzen zuhause zu bleiben. Zudem würde es den Frauen nichts bringen, sondern sie im Gegenteil «ausschliessen»: «Wer stellt so noch Frauen an?» Und Susanne Brunner (SVP) rief in den Saal: «Damit beerdigen Sie die Gleichberechtigung von Mann und Frau!» Die GLP habe Stimmfreigabe beschlossen, sagte Isabel Garcia: Die einen fänden, es schade nichts, via Pilotprojekt mehr zu erfahren, die anderen fänden die vorgeschlagenen fünf Tage pro Monat eine «recht üppige Forderung», zumal es ja möglich sei, sich krankschreiben zu lassen. Mit 60:52 Stimmen kam das Postulat durch.

 

 

 

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