- Kantonsrat
Sparschweindilemma
Der Zürcher Kantonsrat durfte am Montag als Start in die Sitzung ein neues Mitglied begrüssen. Manuela Tremonte (SP) aus Hombrechtikon rückte für Hanspeter Göldi (SP) nach, der nach 14 Jahren Amtszeit zurückgetreten war. Nach kurzem Innehalten in Solidarität mit der Bevölkerung des zerstörten Walliser Dorfs Blatten und der Wahl der neusten Kantonsrätin in die Aufsichtskommission über die wirtschaftlichen Unternehmen ging es in die erste Diskussion: zur Änderung der Natur- und Heimatschutzverordnung. Barbara Franzen (FDP) resümierte kurz, um was es geht: Das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), wobei die Politik immer wieder haderte insbesondere mit der Direktanwendung, die zu Planungsverzögerung oder -unsicherheit führe – denn die Direktanwendung des ISOS greift, wenn Bundesaufgaben tangiert werden. Das Problem: Es ist nicht immer klar, wann man mit einer Direktanwendung rechnen muss. Die Idee der Kommission beantragte einstimmig, dass der Kanton die ISOS-Verfahren, also die Abklärungen, an die Gemeinden delegieren können soll. Das würde das Amt für Raumentwicklung entlasten und Verfahren vereinfachen und verkürzen. Ein Problem hatte damit eigentlich niemand, etwas gewettert wurde bei der SVP trotzdem, wo Barbara Grüter behauptete, dass Natur- und Heimatschutz mit «dieser Zuwanderung» ohnehin nicht möglich sei und Simon Vlk (FDP) beschwerte sich mit allen medial bekannten Schlagworten zum ISOS zu Bauverzögerungen in Zürich. Zufrieden mit dem Vorschlag der Kommission waren sonst aber alle, Regierungsrat Martin Neukom brachte dazu noch positive Neuigkeiten aus Bern mit, wo ein Runder Tisch Lösungsansätze hervorgebracht hatte, die in die «richtige Richtung gehen», und das Geschäft wurde ohne Abstimmung als erledigt abgeschrieben.
Nicht komplett einig war sich der Rat erstmals bei der zweiten Lesung zu den Rahmenbedingungen der EKZ. Es ging um die Streichung eines ursprünglich vorgesehenen Fonds, der Massnahmen in Bezug auf Energiewende und Versorgungssicherheit finanzieren sollte. Antragsteller Daniel Rensch (GLP) erklärte das Problem anhand eines «Sparschweindilemmas»: Irgendwann muss das Sparschwein geschlachtet werden. Schliesslich zahlt man Geld ein, «um öppis Gschiids» kaufen zu können. Aber wann und für was entnimmt man das Geld? Ähnlich verhalte es sich mit dem Fonds. Die SVP wollte diesen Fonds eh nie, die FDP meinte, die bestehenden Rahmenbedingungen reichten aus. Die SP habe den Fonds eigentlich eine gute Idee gefunden, meinte Rosmarie Joss, aber weil sich so viele an ihm störten und er für die Erreichung der Ziele nicht zwingend notwendig sei, unterstütze ihre Fraktion die Streichung. Nicht glücklich waren die Grünen und die AL. David John Galeuchet (Grüne) bedauerte den Transparenzrückgang und forderte von den EKZ, dies auszugleichen, indem im Jahresbericht ausgewiesen werden soll, wieviel Geld investiert und wofür es ausgegeben wurde. Auch Manuel Sahli (AL) bedauerte, dass man nun auf Hochglanzberichte vertrauen müsse. Martin Neukom bat den Rat noch darum, dem Antrag Rensch zuzustimmen, was 148 taten, 24 nicht.
Glauben und Gelder
Nach der Pause ging es in drei Punkten um drei parlamentarische Initiativen: Zu Geldern an Religionsgemeinschaften, wie sie diese verwenden dürfen und wie sie dabei für Transparenz sorgen sollen. 97 Parlamentarier:innen aus den Reihen von SVP, FDP, GLP und EVP unterstützen die Idee vorläufig, dass den anerkannten Religionsgemeinschaften untersagt werden soll, staatliche Gelder für gesamtgesellschaftliche Projekte an Dritte, also nicht anerkannte Religionsgemeinschaften oder NGOs, weiterzugeben. Die Grünen kritisierten, dass die Initiative zum Ziel hätte, die muslimische Gemeinschaft und die orthodoxen Kirchen zu schwächen und auszuschliessen, obwohl sie ebenso wichtige sozialgesellschaftliche Leistungen erbringe, wie die anerkannten Religionsgemeinschaften. Damit würde gesagt: «Die Aufgabe ist uns weniger wert als die gleiche Erbringung der gleichen Aufgabe unter einer anderen Religion.»
Die zweite parlamentarische Initiative zur Transparenz bei der Verwendung von Kostenbeiträgen wurde von 86 Kantonsrät:innen vorläufig unterstützt. Konkret ging es darum, dass die staatliche Finanzierung von Projekten oder Programmen von anerkannten Religionsgemeinschaften nur dann erlaubt sein soll, wenn darauf hingewiesen wird, dass das Geld vom Staat kommt.
Fast einig war sich der Rat darin, dass die Beitragsperiode der Rahmenkredite für Religionsgemeinschaften an die Legislatur angepasst werden soll – neu also nur noch 4 Jahre anstatt die bisherigen 6 Jahre. Auch wenn es kritisch gesehen wurde, dass das zu einer stärkeren Politisierung des Geschäfts und zu weniger Sachlichkeit führen könnte, wurde die Initiative mit 135 Stimmen unterstützt.
Mit 55 statt den erforderlichen 60 Stimmen nicht überwiesen wurde eine parlamentarische Initiative aus dem linken Lager, wobei die Grünen das Zünglein an der Waage stellten, denn sie hatten Stimmfreigabe beschlossen. Die Initiant:innen sahen die Einführung einer maximalen Amtszeit von 12 Jahren für Regierungsmitglieder als insofern sinnvoll, dass so Starrheit und Bequemlichkeit im politischen System minimiert werden könnten. Es ging darum, «wie wir in unserer Demokratie mit Macht umgehen», so Raphael Mörgeli (SP). Der Bisherigen-Bonus bei Erneuerungswahlen ist Realität. Gianna Berger (AL) illustrierte das an einem Beispiel: «Fünf Erneuerungswahlen in 20 Jahren, 35 mögliche Abwahlen. Tatsächlich abgewählt wurden genau zwei Personen.» Die Bürgerlichen befürchteten allerdings den Verlust von Sachkundigkeit, sahen sich um einen Demokratieverlust besorgt und warfen den Initiant:innen vor, es handle sich um eine Unterstellung, dass der Souverän nicht erkenne, wann jemand genug geamtet hat.
Zuletzt ging es noch um eine Initiative, die die Gemeinden verpflichtet sehen will, unentgeltliche, betreute Aufgabenstunden anzubieten. Sie wurde mit 65 Stimmen vorläufig unterstützt. Carmen Fässler (SP) ging es darum, strukturelle Ungleichheiten zu verbessern, indem Druck von den Eltern genommen und von ausgebildeten Fachpersonen abgefangen wird – und die Gemeinden nicht mehr entscheiden können, ob sie dieses Angebot kostenfrei anbieten. Marc Bourgeois (FDP) befürchtete, den privilegierten Kindern würde so etwas weggenommen – auch wenn es nota bene um die Schaffung eines Angebots und nicht um eine Streichung ging. GLP und SVP sorgten sich um die Kosten und waren deshalb dagegen, EVP, Grüne und AL um die heutige Situation von Eltern und waren deshalb dafür und die Mitte sah keine Verbindung zwischen Hausaufgaben und Chancengleichheit.