Geschickt in die Dachfläche integrierte Solaranlage mit guter Gesamtwirkung an der Bremgartnerstrasse in Zürich: Das Bild war einer Medienmitteilung der Stadt Zürich vom 22. August 2008 beigelegt, und was damals ging, sollte doch auch heute…? (Bild: Stadt Zürich)

Sonnige Aussichten für die Stadt?

Im Kanton Zürich liegt bezüglich erneuerbaren Energien das grösste Potenzial auf den Dächern (siehe P.S. vom 30. August). In der Stadt Zürich allerdings sind viel weniger Solarpaneele zu sehen als in ländlichen Gebieten: Täuscht der Eindruck, oder hinkt die Stadt hinterher?

Vor drei Jahren, am 20. September 2021, stellte Stadtrat Michael Baumer zusammen mit EWZ-Direktor Benedikt Loepfe an einer Medienkonferenz vor, wie die Stadt Zürich den Ausbau der Solarstromproduktion stark beschleunigen wolle (siehe P.S. vom 24. September 2021). Konkret sprach Stadtrat Baumer davon, dass die Produktion von Solarstrom auf Stadtgebiet bis 2030 vervierfacht werden soll, von heute rund 30 auf 120 Gigawattstunden pro Jahr (GWh/a). Für die Produktion von Solarstrom auf städtischen Gebäuden sieht die Photovoltaikstrategie gar eine Verfünffachung auf 20 GWh/a vor. Im Geschäftsbericht 2023 des EWZ finden sich in der Tabelle «Energieerzeugung» auf Seite 25 folgende Zahlen: Photovoltaik und Solarthermie – 2022: 39,8 GWh, 2023: 41,5 GWh. Das ist noch ziemlich weit entfernt von den angepeilten 120 Gigawattstunden pro Jahr bis 2030: Ist dieses Ziel überhaupt noch zu erreichen, und falls ja, was muss die Stadt konkret dafür tun?

«Wir sind zuversichtlich»

«Die Steigerung auf 120 GWh/a bis 2030 ist realistisch und wir sind zuversichtlich, dass wir das Ziel erreichen können», teilt die Stadt Zürich auf Anfrage mit. Die jährliche Solarstromproduktion hänge nicht nur von der installierten Photovoltaik-(PV-)Leistung ab, sondern auch von der Sonneneinstrahlung des jeweiligen Jahres. Im Jahr 2022 sei die gesamte Sonneneinstrahlung ungewöhnlich hoch, im Jahr 2023 ungewöhnlich niedrig gewesen. Die auf Stadtgebiet installierte PV-Leistung nehme seit 2021 kontinuierlich zu, und die Stadt gehe «mit gutem Beispiel voran, indem sie das PV-Potenzial auf ihren eigenen Gebäuden konsequent realisiert». Private Eigentümer:innen erhielten «umfassende Beratung und finanzielle Anreize». Per 1. Februar 2023 wurde die städtische PV-Förderung angepasst, welche die Bundesförderung erhöht, sowie per 1. Januar 2023 die Einspeisevergütung um eine Vergütung des Herkunftsnachweises (HKN) in Höhe von 5 Rp./kWh ergänzt. Weitere Massnahmen zur Beschleunigung des Zubaus seien derzeit in Prüfung, und: «Die geplante Revision des kantonalen Energiegesetzes, mit gesetzlichen Vorgaben zum PV-Zubau, die sich zurzeit in Vernehmlassung befindet, könnte eine weitere, wichtige Unterstützung für die Erreichung der kommunalen Ziele sein.»

Ebenfalls zuversichtlich ist man beim Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) bezüglich des Ziels von 20 Gigawattstunden pro Jahr bis 2030 auf städtischen Gebäudern: Es dürfte «erreicht oder sogar übertroffen» werden können. Dies unter anderem, weil seit der Inkraftsetzung der PV-Strategie im September 2021 bei allen Dachumbauten von stadteigenen Gebäuden «ein konsequenter PV-Zubau auf allen geeigneten Flächen» erfolgt. Darunter fallen nicht zuletzt grosse PV-Anlagen auf Schulhäusern, die häufig für PV sehr gut geeignete Dächer aufweisen. Allerdings sei aufgrund von Rekursen des Heimatschutzes die Bewilligungspraxis von PV-Anlagen im Schutzperimeter ISOS A geändert worden: «Die Beurteilung der Projekte, die in der Vergangenheit durch einen Feststellungsbeschluss des Stadtrats erfolgte, wird neu vom Kanton vorgenommen und erfordert in gewissen Fällen sogar ein eidgenössisches Gutachten. Die Planung und der Bau von PV-Anlagen im Schutzperimeter ISOS A sind durch die Praxisänderung deutlich erschwert und verzögert.» Betroffen seien nicht zuletzt viele Schulhäuser, weshalb die weitere Nutzung dieses Potenzials «zurzeit sehr unsicher» sei. In der städtischen Bau- und Zonenordnung (BZO) heisst es im Abschnitt über Zonen für öffentliche Bauten im Artikel 24, Litera 6, folgendes: «Auf allen Dachflächen sind Solaranlagen zulässig.» Man darf gespannt sein, wie es in dieser Sache weitergeht…

Rundum-sorglos – und begehrt?

An der eingangs erwähnten Medienkonferenz stellte Stadtrat Baumer zudem ein «Rundum-sorglos-Paket für private Liegenschaftenbesitzer:innen vor, das einerseits Beratung, Planung, Realisierung, Finanzierung und Betrieb sowie Verrechnung an Mieter:innen umfasse und andererseits die Überarbeitung der 2000-Watt-Förderbeiträge, um mehr Photovoltaikanlagen zu ermöglichen. Ob diese Pakete in den seither vergangenen drei Jahren zum Renner und massenhaft verkauft wurden? Und wieviel Strom pro Jahr wird wohl so auf den Dächern der privaten Liegenschaftenbesitzer:innen produziert? Das EWZ hält dazu fest, der Entscheid für den Bau einer PV-Anlage liege hier bei den privaten Bauherrschaften, und diesen stehe es frei, ob sie ihr Projekt mit dem  EWZ oder einem anderen Anbieter realisieren wollen: «Aus Konkurrenzgründen kommuniziert EWZ keine Zahlen in dieser Sparte.» Dass die Konkurrenz nicht schläft, davon ist auszugehen. Keine Zahlen zu nennen, verunmöglicht es aber auch, festzustellen, ob sich mit dem Rundum-sorglos-Paket die gewünschte Wirkung erzielen lässt. Ob das im Sinne der städtischen Informationspolitik ist?

Das EWZ hält dazu fest, der Entscheid für den Bau einer PV-Anlage liege hier bei den privaten Bauherrschaften, und diesen stehe es frei, ob sie ihr Projekt mit dem  EWZ oder einem anderen Anbieter realisieren wollen: «Aus Konkurrenzgründen kommuniziert EWZ keine Zahlen in dieser Sparte.»

Wie auch immer: Die vor drei Jahren vorgestellte Strategie zum Ausbau der Solarstromproduktion ging auf eine dringliche Motion der SP-, Grüne- und GLP-Fraktionen und der Parlamentsgruppe EVP betreffend «Anpassung der Verordnungen sowie der Bau- und Zonenordnung für einen massiven Zubau an Photovoltaik-Anlagen» zurück, die bereits am 22. Mai 2019 im Gemeinderat eingereicht worden war. Mit der Begründung, es gebe ja nun eine Strategie, wollte der Stadtrat die Motion abschreiben lassen, doch der Gemeinderat lehnte das am 2. Februar 2022 ab – die Forderung, bis 2030 mindestens zehn Prozent des städtischen Stromverbrauchs mit PV zu erzeugen, also rund 300 GWh/a, sei noch nicht erfüllt. An der Gemeinderatssitzung vom 17. Januar 2024 legte der Stadtrat dem Gemeinderat sodann einen Bericht vor, in dem er darlegte, weshalb er keine Umsetzungsvorlage zu dieser Motion auszuarbeiten gedenke (siehe P.S. vom 19. Januar). Damit erntete Stadtrat Baumer allerdings Kritik, insbesondere von den Grünen, die ihm unter anderem vorwarfen, der Bericht sei «unambitioniert» und der Stadtrat habe bereits genug «Zeit verplämpert».

Tatsächlich sind vom Eingang der Motion 2019 bis heute bereits fünf Jahre vergangen, und bis zum Jahr 2030 dauert es auch nicht mehr lange: Was unternehmen das EWZ und der Stadtrat sonst noch, um den Zubau zu beschleunigen? Am Geld scheint es ja angesichts der jährlichen Gewinnablieferung des EWZ von 80 Millionen Franken nicht zu liegen. Warum wird nicht mehr Geld in den Zubau gesteckt, wenn nötig halt via Subventionen an die Liegenschaftenbesitzer:innen? Das Ersetzen der Ölheizungen subventioniert die Stadt Zürich ja auch – sogar den Ersatz von Ölheizungen, die erst ein paar Jahre alt sind. Dazu teilt die Stadt Zürich mit, sie fördere den PV-Zubau bereits heute stark, indem sie die Fördergelder des Bundes erhöhe: «Seit dem 1. Februar 2023 wird die Bundesförderung für kleine PV-Anlagen mit weniger als 15 kWp (also PV-Anlagen mit einer Höchstleistung von weniger als 15 Kilowatt) durch die Stadt mehr als verdoppelt. Für mittlere und grosse Anlagen erfolgt eine deutliche Erhöhung. Weitere Fördergelder werden für notwendige Massnahmen am Gebäude (statische Ertüchtigungen, Asbestsanierungen, denkmalpflegerische Abklärungen, Verstärkungen des Hausanschlusses) sowie für Fassadenanlagen und die Kombination mit einer Dachbegrünung entrichtet. Diese Investitionsbeiträge wirken sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit aus.»

Dachterrasse oder PV-Anlage?

Die Erhöhung dieser Förderbeiträge spiegle sich auch in der Anzahl der beim EWZ eingereichten Fördergesuche wider, schreibt die Stadt weiter: Gegenüber dem Jahr 2022 hätten sich die Fördergesuche für Photovoltaik im Jahr 2023 um 50 Prozent erhöht, und der bewilligte Förderbeitrag seitens Stadt habe sich beinahe verdoppelt. «Darüber hinaus wurde seit 1. Januar 2023 der gesetzlich vorgegebene Rückliefertarif um die Vergütung des Herkunftsnachweises ergänzt, die gemeinsam eine Einspeisevergütung von durchschnittlich 12,9 Rp./kWh ergeben. Vor dem Hintergrund dieser Förderungen ist der PV-Zubau für alle Anlagengrössen bereits heute wirtschaftlich attraktiv.» Mit der diesjährigen Revision des Stromversorgungsgesetzes werde ferner die Rückvergütung neu geregelt und solle stärker am Marktpreis angebunden werden. Die Details zur Ausgestaltung werden aber erst im Frühjahr 2025 bekannt sein.

Die Wirtschaftlichkeit sei zudem nur einer von mehreren Aspekten, die bei einem Investitionsentscheid von Bedeutung seien, gibt Philippe Klein, Leiter Kommunikation im Departement der Industriellen Betriebe, zu bedenken: «Gründe, weshalb Gebäudeeigentümerschaften bei einer Dachsanierung auf eine PV-Anlage verzichten, sind beispielsweise die als kompliziert wahrgenommenen Bewilligungsprozesse, Denkmalschutz oder andere Nutzungsformen von Flachdächern, insbesondere als Dachterrasse. Diese Hemmnisse werden durch zusätzliche finanzielle Mittel nicht beseitigt werden können.»

«Gründe, weshalb Gebäudeeigentümerschaften bei einer Dachsanierung auf eine PV-Anlage verzichten, sind beispielsweise die als kompliziert wahrgenommenen Bewilligungs­prozesse, Denkmalschutz oder andere Nutzungsformen von Flachdächern, insbesondere als Dachterrasse.»

Philippe Klein, Leiter Kommunikation im Departement der Industriellen Betriebe

Im kantonalen Planungs- und Baugesetz (PBG) ist in § 238, Litera 4, zu lesen: «Genügend angepasste energetische Verbesserungen und Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien, insbesondere Solaranlagen, werden bewilligt, sofern nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.» In der städtischen BZO findet sich neben dem oben erwähnten Artikel zur Zone für öffentliche Bauten noch folgender, in den allgemeinen Vorschriften für Bauzonen angesiedelter Artikel 11, Litera 1: «In allen Zonen ist der nicht als begehbare Terrasse genutzte Bereich eines Flachdachs ökologisch wertvoll zu begrünen, auch dort, wo Solaranlagen installiert sind.» Ob die Stadt in der Beratung, die sie im Rahmen des Rundum-sorglos-Pakets anbietet, eventuell mehr Gewicht auf Informationen zur Bewilligung von PV-Anlagen legen müsste?

In Schweden scheint die Sonne… irgendwann

Das EWZ wird aber in Sachen Photovoltaik nicht nur für einheimische Hausbesitzer:innen aktiv, sondern auch im Ausland, und das in viel grösserem Massstab: Am 15. November 2023 teilte das EWZ mit, dass es sich an der schwedischen Solarentwicklerin Solare Nordic AB beteilige und eine Kooperation mit deren Gesellschafterinnen EnergiEngagemang Sverige AB und dem Management der Solare Nordic AB zur Entwicklung von Solar-Freiflächenanlagen in Schweden eingehe. Der Stadtrat genehmige der EWZ (Deutschland) GmbH den Erwerb von 51 Prozent der Aktien der Solare Nordic AB und die weitere Finanzierung der Projektentwicklung bis zur Baureife.

Gemäss  dem Portal pv-magazine.de  kostete dies das EWZ ca. 87,3 Mio. Euro, und dort heisst es auch, der Baustart für die ersten Projekte sei im zweiten Halbjahr 2024 geplant. Sowohl auf der Webseite von Solare Nordic AB wie auch auf jener von EnergiEngagemang finden sich allerdings keine Anlagen, deren Bau bereits gestartet wurde, sondern nur «geplante» Solarparks. Die zwei auf der Webseite von Solare Nordic vorgestellten, Horshult Solpark und Ulvåsa Solpark, sollen ab 2025 bzw. ab 2026 gebaut werden. Zu beiden finden sich aber auch Medienberichte, wonach der Baustart schon einige Jahre früher geplant war – jener in Ulvåsa zum Beispiel bereits im April 2022. Anscheinend ist es auch in Schweden nicht ganz einfach, PV-Anlagen zu bauen und zu betreiben: Was, wenn es nichts wird aus diesen Projekten? Ist das Geld des EWZ dann futsch?

«Die Berichterstattung von pv-magazine.de ist grösstenteils falsch», hält die Stadt dazu fest: «Der Kredit, den der Stadtrat für die Kooperation mit Solare Nordic genehmigt hat, liegt bei rund der Hälfte des genannten Betrages. Von diesem Kredit wurden nur rund fünf Prozent für den Erwerb der Anteile verwendet. Weitere ca. 20 Prozent sind für die Entwicklung der Projekte bis zur Baureife vorgesehen. Rund 75 Prozent sind für die Investitionen in die Solaranlagen reserviert. Dieser Betrag wird nur verwendet, wenn die Projekte genehmigt sind und wirtschaftlich betrieben werden können.» Und weiter: «Effektiv ausgegeben wurde demnach nur ein kleiner Anteil am genehmigten Kredit. Genaue Beträge können wegen der Vertraulichkeit des Geschäftes nicht genannt werden, die sich aus der Wettbewerbssituation ergibt, in der sich das EWZ in diesem Zusammenhang befindet.» Entwicklungsprojekte seien zudem zeitlich schwer planbar, da sie stark von externen Akteuren wie Genehmigungsbehörden oder Netzbetreibern abhingen: «In der Medienmitteilung vom 15. November 2023 hat EWZ jedoch bereits kommuniziert, dass erste Anlagen voraussichtlich 2025 in Betrieb genommen werden können. Dies ist nach wie vor realistisch, denn das EWZ rechnet mit einem Investitionsentscheid für ein erstes Projekt vor Ende 2024.» Das Projektentwicklungsgeschäft sei «von Natur aus deutlich unsicherer als der Erwerb von baureifen Projekten». Es würden nie alle Projekte aus einem Entwicklungsportfolio realisiert: «Diesem Risko begegnet ein Entwickler, indem er möglichst viele Projekte parallel entwickelt, um so die eingesetzten Entwicklungskosten durch die realisierten Projekte wieder einholen zu können.» Das EWZ plane denn auch nicht, seinen Anteil an Solare Nordic zu verkaufen: «Wir sind zuversichtlich, dass aus dem Portfolio mittelfristig viele Projekte – wenn eventuell auch nicht alle – realisiert werden können.»