Solid ohne Glanz

Die Stadt Zürich prognostiziert für das Jahr 2023 ein Defizit von 173 Millionen Franken. Passiert nichts Aussergewöhnliches, wird die Rechnung 2023 bei einer roten Null landen: Also kein Grund für SVP-Hysterie, aber ein Grund zum Jubeln ist dies in der Hochkonjunktur auch nicht.

 

Finanzvorsteher Daniel Leupi versuchte diesmal explizit zu erklären, warum zwischen Budget und Rechnung in der Stadt Zürich und überall anderswo, wo den Regeln entsprechend budgetiert wird (was die Bürgerlichen bei der Stadt und die Linken beim Kanton jeweils kritisieren), eine Differenz besteht und diese, ohne Überraschungen (wie damals bei der Finanzkrise, als die Stadt den beiden Grossbanken einige Hundert Millionen Franken zurückzahlen musste) zugunsten der Rechnung ausfällt. In der Stadt Zürich schloss diese im Durchschnitt der letzten Jahre um 120 Millionen Franken besser als im Budget vorgesehen ab. Dies zeichnet sich auch für 2022 ab. Aus dem budgetierten Defizit von 192 Millionen Franken dürfte eine rote oder schwarze Null werden – ausser die Flughafenaktien erleben Ende Jahr einen Absturz. Eine genauere Zwischenmeldung wollte Daniel Leupi wie immer nicht abgeben, er tönte aber zuversichtlich. Er versuchte nochmals die strukturelle Differenz zu erklären: Bei den Ausgaben werden alle vorgesehenen (um nicht zu sagen möglichen) Posten aufgeführt, auch wenn klar ist, dass nicht alles ausgegeben werden kann. Die Investi­tionen für das nächste Jahr betragen 1,4 Milliarden Franken, die ganz sicher nicht vollständig 2023 ausgegeben werden können. Irgendwo gibt es immer eine Einsprache oder kann ein Tram nicht rechtzeitig geliefert werden etc. Nur weiss man nicht, wo die Verzögerungen eintreten werden. Selbstverständlich könnte man – und hat man es auch schon gemacht – diese wahrscheinlichen Abzüge bereits ins Budget schreiben: Bei den Investitionen 20 Prozent (also 280 Millionen Franken) generell abziehen. Nur, was bringt das? Ist es nicht sinnvoller, alles einzubeziehen, was man möchte und die zehn bis zwanzig Prozent Unrealisierbares nur gedanklich zu streichen und so ein Defizit in der Grössenordnung von 173 Millionen Franken etwas angemessener zu betrachten. Ähnliches gilt beim Personal: Vorgesehen sind 375 Stellen mehr. Ob beim gegenwärtigen Mangel an Arbeitskräften diese und alle gekündigten Stellen besetzt werden können, ist mehr als fraglich. Soll man hier generell 100 Millionen weniger budgetieren, wie das vermutlich in etwa zu erwarten ist. Was in diesem Fall allerdings durch die Teuerung ausgeglichen werden könnte. Das Budget des Stadtrats beruht auf einer Teuerung von 2,3 Prozent. Der Stadtrat beschloss gleichzeitig, die Teuerung vollständig auszugleichen. Dies geschieht in der Stadt mit Stichmonat Februar, steht also noch gar nicht fest.

 

Ähnliches gilt für die Einnahmen: Die Steuern 2023 für die natürlichen Personen stehen mehr oder weniger fest, beruhen sie doch auf den Einnahmen der Steuerpflichtigen dieses Jahres. Bei den Steuern für die juristischen Personen werden die steuerrelevanten Firmen befragt. Da ihre Angaben bisher nie missbraucht wurden, dürften ihre Angaben ihren eigenen Schätzungen entsprechen. Zudem gilt auch für Firmen, dass ein Wirtschaftseinbruch im kommenden Jahr tendenziell vor allem die Steuereinnahmen der darauffolgenden Jahre prägen wird. Was nicht heisst, dass ein Einbruch sich in der Rechnung 2023 nicht auch schon bemerkbar machen kann.

 

Wenn die SVP aber findet, der Stadtrat müsse alle möglichen Risiken («Zinsmärkte, Flughafen-Aktien, Launen der globalen Wirtschaft») ins Budget einberechnen, versteht sie zumindest in meinem Verständnis das Wesen eines Budgets nicht oder legt es extra polemisch aus. Ein Budget soll das festhalten, was am wahrscheinlichsten zu erwarten ist. Gegen ein gutes Steuerjahr 2023 spricht wenig, was keine Negierung möglicher Krisen ist. Auch der Vorwurf, die mögliche Energiekrise werde zu wenig berücksichtigt, bringt nicht viel. Ist die Krise klein und kommt es zu keinen Stromausfällen, werden die Budgets möglicherweise etwas mehr ausgenutzt, schwindet die Differenz zwischen Budget und Rechnung. Fällt die Krise massiv aus, so ist sie derzeit ganz einfach nicht budgetierbar. Zu diesem Zweck hat die Stadt zudem ein Eigenkapital von 1,5 Milliarden Franken.

 

Was auch noch zu sagen ist, aber Daniel Leupi nicht erwähnte: Ein öffentliches Budget ist weniger eine Offerte als eine Rechnung. Es liegt nicht im Ermessen des Stadtrats und auch nur bedingt des Gemeinderats, ob etwa gesetzlich beschlossene Klimaschutzmassnahmen oder Wohnfonds im Budget berücksichtigt werden oder nicht. Was Gemeinderat und Stimmberechtigte beschlossen haben, kann nicht einfach aus dem Budget gekippt werden, weil man gerne ein anderes hätte. Und: Es ist ein Budget der Hochkonjunktur. Ganz einfach, weil wir uns in einer Hochkonjunktur befinden. Dafür ist das Budget nur solide und nicht gut. In Zeiten der Hochkonjunktur sollte gemäss Lehre ein wirklich positiver Abschluss die Regel sein. Etwas anderes ist hier der Einwand der FDP: Sie behauptet, man könnte mit den entsprechenden Massnahmen den Steuerfuss um zehn Prozent senken. Das stimmt sogar, nur entspricht dies nicht den Aufträgen der Stimmberechtigten und der Mehrheit des Gemeinderats. Sie haben sich etwa letzten Sonntag klar für die deutlich teurere Variante der Tagesschule entschieden und gleichzeitig eine Senkung der Verrechnungssteuer abgelehnt und eine Erhöhung der Dividendenbesteuerung in der Stadt bejaht. Ein Budget versucht, Entscheide über die Jahre in Zahlen umzusetzen. Diese Prioritäten kann man nicht bei der Budgetbehandlung ändern, sondern in Abstimmungen während der übrigen Zeit.

 

Im Detail

Mit Einnahmen von 10,142 Milliarden und Ausgaben von 10,315 Milliarden Franken überschreitet das Budget das erste Mal die Zehnmilliarden-Grenze. Von den 375 neuen Stellen benötigen die Schule 210 und die Betriebe 84 Stellen. Diese Zusatzstellen anerkennen Mitte und EVP, sie wollen sich aber bei den restlichen Vermehrungen auf Sparsuche begeben. Viel gibt es da wohl nicht mehr zu finden. Geprägt ist das Budget auch durch die erstmalige Speisung des Wohnfonds mit 100 Millionen Franken – weitere 400 Millionen Franken stehen zum Kauf von Liegenschaften bereit. Günstig meint es der Lastenausgleich im kommenden Jahr mit der Stadt. Sie erhält diesmal in der Summe wieder 75 Millionen Franken, wo sie in anderen Jahren mehr einzahlen musste, als sie bekam. Noch nicht einberechnet im Budget sind die zusätzlichen Ausgaben für die Tagesschulen, die aber 2023 noch nicht im grossen Stil anfallen werden. In seinem Ausblick wehrte sich Daniel Leupi gegen eine weitere Senkung der Gewinnsteuer für Unternehmen. Der vorgesehen Abbau um zwei Punkte bedeute für die Stadt 100 Millionen Franken weniger, die auch durch Neuzuzüge nicht kompensiert werden könnten. Die Stellungnahmen der Parteien entsprechen den Parteiprogrammen. Einzig die AL fiel mit der Forderung nach Umsetzung der Pflegeinitiative etwas auf.

 

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